Muhammad Dahlan und der Kampf um die Führung der Palästinensischen Autonomiebehörde

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Muhammad Dahlan. Foto Michal Fattal/Flash90
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In den vergangenen Wochen hat Muhammad Dahlan in Gaza eine wesentlich aktivere Rolle übernommen. Er versucht, die schwierige Lage in Gaza nach der Operation Fels in der Brandung für seine Rückkehr als aktiver und relevanter Politiker zu nutzen. Denn er sieht sich als potenzieller Nachfolger seines erbitterten Feindes Mahmud Abbas, als Vorsitzender der Palästinensischen Autonomiebehörde PA.

Dem in Gaza geborenen Dahlan wurde 2011 Korruption vorgeworfen und er wurde aus der Fatah-Bewegung ausgeschlossen. Mittlerweile in Dubai ansässig war er auch das Ziel schwerer Beschuldigungen betreffend seiner Involvierung in die Ermordung führender Palästinenser. Abbas selbst beschuldigte während einer Sitzung des Fatah Revolutionary Council im März 2014 Dahlan, beim Tod von Yassir Arafat eine Rolle gespielt zu haben. Das wurde im palästinensischen Fernsehen ausgestrahlt.

Dahlan versucht nun, eine politische Rolle zu spielen, indem er seine persönlichen und regionalen Verbindungen nutzt, um seinen Status und seine Beliebtheit zu stärken, allen voran bei den Bewohnern Gazas.

Unterstützung für die Bewohner von Gaza

In dem Kontext traf sich Dahlan kürzlich mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi und überzeugte ihn, den Rafah-Grenzübergang als Zeichen des guten Willens für einige Tage zu öffnen und palästinensischen Studenten und anderen Palästinensern mit Erkrankungen zu erlauben, nach Gaza einzureisen.

Die ägyptischen Behörden hatten den Grenzübergang geschlossen, nachdem sie die Hamas beschuldigt hatten, in einen Angriff von Ansair Beit Al-Maqdis auf die ägyptische Armee involviert gewesen zu sein, bei dem am 22. Oktober letzten Jahres 33 ägyptische Soldaten getötet worden waren.

Sisi traf Dahlan einige Tage vor einem Treffen mit Abbas in Kairo und erlaubte Dahlan zudem, die Öffnung des Grenzübergangs als seinen Verdienst zu beanspruchen und dies den Medien dementsprechend mitzuteilen.

Dahlan ist auch in finanzielle Hilfe an bedürftige Bewohner von Gaza involviert. Gemeinsam mit der Hamas und anderen Fraktionen etablierte er das Mutual Aid Committee, welches von den Golfstaaten beigesteuerte Gelder unter den Familien von Getöteten oder Verwundeten während der Operation Fels in der Brandung verteilt.

Vor einigen Wochen sandte Dahlan seine Frau Dr. Jalila Dahlan nach Gaza, wo sie sich mit der Zustimmung der Hamas intensiv um Wohltätigkeit und die Verteilung der Gelder an die Bedürftigen kümmerte.

Wieso kooperieren Ägypten und Hamas mit Dahlan?

Ägypten und Hamas glauben, dass Abbas seinen Vorsitz der PA aufgibt, welchen er seit dem Tod Arafats 2004 innehat.

Abbas‘ Schwierigkeit in innenpolitischen Fragen haben Dahlan einen festen Stand verschafft. Zahlreiche Top-Beamte der PA, darunter der Sekretär des PLO Exekutivkomitees Yasser Abd Rabbo, sind wütend über Abbas‘ Entscheidungen auf innenpolitischer Ebene, etwa in Anbetracht Gazas oder des Versöhnungsprozesses mit der Hamas.

Ägypten ist gewillt, Dahlan aufgrund der grossen Sympathien zu unterstützen, die er unter den Bewohnern Gazas geniesst, und aufgrund der ägyptischen Interessen gegenüber der Hamas und ihren Verbindungen zu Ansar Beit al-Maqdis, welche die nationale Sicherheit Ägyptens untergraben.

Die sich anbahnenden Beziehungen zwischen Dahlan und Hamas reflektieren ihre derzeitigen „gemeinsamen Interessen“.

Die Hamas ist in einer schwierigen politischen Lage. Der Versöhnungsprozess mit der Fatah liegt auf Eis und die Hamas kooperiert mit Dahlan trotz der politischen Uneinigkeiten. Sie glaubt, dass er dabei ist, Abbas den Boden unter den Füssen wegzuziehen und sich mit führenden PA-Mitgliedern verbündet, die sich bereits auf die neuen politischen Realitäten nach dem Rücktritt des 79-jährigen Abbas einstellen.

Führende palästinensische Beamten glauben, dass Dahlan begonnen hat, eine Achse mit PA-Führungskräften und regionalen und internationalen Persönlichkeiten in Ägypten und den Golfstaaten zu formen, welche einen vorläufigen Nachfolger von Abbas unterstützen, bis in den PA-Gebieten Präsidentschaftswahlen stattfinden.

Ein Name, der in diesem Kontext erwähnt wird, ist jener von Dr. Salam Fayyad, einem persönlichen Freund von Dahlan, der sowohl für die USA, als auch für Ägypten und Israel akzeptabel wäre.

Hamas‘ interne Kontroverse über Dahlan

Innerhalb der Hamas scheint es zwei Lager in dieser Frage zu geben. Das eine, angeführt von Mousa Abu Marzouk, Vize-Vorsitzender des Polit-Büros, und Hamas-Führer Ismail Haniyeh, welche die Beziehung zu Dahlan unterstützen; das andere, angeführt von Dr. Salah Bardawil und Yahya Musa, welche die Verbindung ablehnen.

In der Vergangenheit war Dahlan unter Arafats Führung der Vorsitzende der Präventiven Sicherheitsorganisation in Gaza. Er gilt als verantwortlich für die Tötung von Hamas-Kämpfern und für Verhöre von anderen unter Folter.

Die Hamas ist sich der Wut innerhalb der Bewegung über die sich anbahnenden Beziehungen und Kooperation mit Dahlan durchaus bewusst.

Am 17. Januar verkündete die Zeitung Al-Quds aus Ostjerusalem, die Hamas habe ein internes Dokument unter ihren Mitgliedern zirkulieren lassen, in welchem sie die Beziehungen zu Dahlan erklärt, um Unmut in der Bewegung zu lindern.

Das Memorandum hält fest, dass die Hamas keine offizielle Verbindung mit Dahlan unterhalte und dass die Medien die Angelegenheit aufblähten. Die Hamas bestätigt, Dahlan die Durchführung wohltätiger Aktivitäten in Gaza erlaubt zu haben, aber betont, dass sie ihn nicht in den Gazastreifen zurückkehren lassen wird, „bis einige Vorfälle in seiner Vergangenheit aufgeklärt sind“.

Die Hamas betont, dass in jedem Fall ihr militärischer Flügel letzten Endes über die Beziehungen der Bewegung zu Dahlan entscheiden wird.

Es sollte beachtet werden, dass Dahlan seit den 1980er Jahren über eine enge Verbindung zu Mohammed Deif verfügt, dem „Oberkommandanten“ des militärischen Flügels der Hamas, als sich beide eine Zelle in einem israelischen Gefängnis teilten.

Über den Autor: Yoni Ben Menachem ist ein führender Nahostanalyst des Jerusalem Zentrums und der frühere Generaldirektor und Chefredaktor der Israel Broadcasting Authority IBA.

Originalversion: Muhammad Dahlan and the Succession Battle for the PA Chairmanship by Yoni Ben Menachem © Jerusalem Center for Public Affairs (JCPA), January 21, 2015