Droht Eskalation nach Eliminierung von Top-Kommandanten des Iran und Hisbollah?

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Al Quneitra in Syrien. Foto Ed Brambley. Lizenziert unter CC BY-SA 2.0 über Wikimedia Commons.
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Bei einem Angriff auf einen Fahrzeugkonvoy in der Nähe der syrischen Stadt Quneitra wurden am Sonntag mindestens 12 Personen getötet, darunter 6 Hisbollah-Kämpfer, sowie 6 Mitglieder der iranischen Revolutionsgarden IRGC. Unter den Toten befinden sich laut Medienberichten Jihad Mugniyeh, Sohn von Hisbollah-Mastermind Imad Mugniyeh, und Mohammed Ahmed Issa, der Hisbollah-Verantwortliche für Aktivitäten in Irak und Syrien, sowie der IRGC-General Mohammad Ali Allahdadi und höchstwahrscheinlich Oberst Ali Reza Tabatabai, Kommandant einer IRGC-Einheit im Libanon.

Laut der Hisbollah waren die getöteten Kämpfer auf einer „Inspektions“-Tour, während anonyme Quellen aus den Kreisen „westlicher Nachrichtendienste“ verlauten liessen, Jihad Mugniyeh hätte „grössere Terrorangriffe gegen Israel“ geplant, darunter „Raketenangriffe, Infiltration, [den Einsatz von] Sprengkörpern, Panzerabwehrraketen […] mit dem Ziel, Soldaten sowie israelische Zivilisten auf den Golanhöhen zu töten und deren Gemeinden zu treffen.“ General Alladahi wiederum, ein Top-Kommandant der IRGC Elite-Einheit Qods, soll gemäss eines Berichtes der London Times von Dienstag den Bau von vier neuen Raketenabschussbasen nahe der Grenze zu Israel beaufsichtigt haben.

Die israelische Regierung kommentierte, wie in solchen Fällen üblich, den Zwischenfall nicht; doch gemäss dem Sprecher der UN-Beobachtermission auf den Golanhöhen, hätten zwei Drohnen „von Gebiet Alpha“ (Israel) aus die Waffenstillstandslinie überflogen und seien über dem Zielgebiet gekreist, was eine Verletzung des Abkommens von 1974 zwischen Syrien und Israel bedeute. Eine Quelle aus israelischen Sicherheitskreisen hingegen sagte gegenüber AFP, der Konvoy sei von einem israelischen Militärhubschrauber angegriffen worden.

Der Angriff auf den Konvoy erfolgte wenige Tage, nach dem Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah in einer Fernsehansprache gedroht hatte, seine Kämpfer wären zu einem künftigen Krieg mit Israel bereit, Galiläa zu erobern und noch weiter nach Israel vorzudringen. Die Hisbollah verfüge über Fateh-110 Raketen, die ganz Israel treffen könnten. Die „Widerstandsbewegung“ sei „stärker denn je zuvor“, so Nasrallah. Beim Trauermarsch für Jihad Mugniyeh in Beirut waren zahlreich „Death to Israel“-Rufe zu hören und die Hisbollah kündigte an, ein Vergeltungsschlag gegen Israel sei unausweichlich. Der Chefredakteur der der Hisbollah nahestehenden Zeitung Al Akhbar kündigte an, die Terrororganisation werde „4’000-5’000 Raketen auf Israel abfeuern und pro Tag mehrere hunderte Ziele treffen.“

Dieser Drohgebärden zum Trotze ist es aber fraglich, ob die Hisbollah – und nicht zuletzt auch der Iran – tatsächlich eine grössere Eskalation und damit eine weitere Front neben ihrem Kampf gegen die Rebellion in Syrien riskieren wollen. So hiess es etwa aus libanesischen Regierungskreisen, die Antwort der Hisbollah auf den Angriff werde nur begrenzt ausfallen.  Nichtsdestotrotz scheint klar zu sein, dass weder der Iran noch die Hisbollah die Eliminierung ihrer Top-Kommandanten umstandslos hinnehmen werden.

Die israelische Armee hat dementsprechend die Alarmstufe im Norden des Landes erhöht und Bauern in der Region von Metulla angewiesen, die Felder nahe der Grenze zu meiden. Zudem wurden mehrere Iron-Dome-Batterien im Norden postiert und die israelische Luftwaffe hat ihre Aufklärungsflüge über dem Golan und den Sheba-Farmen intensiviert. Der Iran wiederum intensivierte seine Drohungen gegenüber Israel und kündigte an, Israel werde „verheerende Blitzschläge erleiden“, während IRGC-Oberbefehlshaber Ali Jafari verkündete, der Angriff sei ein weiterer Schritt zum „Untergang des zionistischen Regimes“.

Gefahr droht aber auch durch einen möglichen Vergeltungsschlag gegen israelische oder jüdische Ziele ausserhalb Israels. So waren etwa die Anschläge in Buenos Aires gegen die israelische Botschaft in Buenos 1992 und das jüdische Gemeindezentrum AMIA in 1994 die Antwort des Iran und Hisbollah auf die Eliminierung von Nasrallah-Vorgänger und Hisbollah-Generalsekretär Abbas Al-Musawi. Und nachdem Imad Mugniyeh 2008 durch eine Autobombe in Damaskus getötet wurde, begann die Hisbollah mit Unterstützung der Qods-Einheit die ‚Operation Radwan’. Dabei handelte es sich um eine weltweite Anschlagsserie gegen israelische, jüdische und amerikanische Ziele. Die meisten Anschläge konnten aber allerdings verhindert werden und endeten teilweise in einem Fiasko für die Hisbollah. Etwa als zwei ihrer Mitglieder nach einem fehlgeschlagenen Anschlagsversuch in Baku, Aserbaidschan,  strafrechtlich verfolgt wurden. Weitere Anschläge in Ägypten, Türkei, Zypern und anderenorts wurden ebenfalls verhindert. Einzig das Attentat auf israelische Touristen im bulgarischen Ferienort Burgas 2012 bildet die tragische Ausnahme.

Eine unmittelbare Eskalation an der israelisch/libanesisch-syrischen Grenze als Antwort auf die Tötung von Hisbollah- und IRGC-Mitgliedern scheint derzeit eher unwahrscheinlich. Die Hisbollah ist zu sehr damit beschäftigt, das syrische Regime zu stützen. Auch dem Iran dürfte angesichts seiner Involvierung in Syrien und Irak (und seiner de-facto Allianz mit den USA im Kampf gegen IS) wenig an einer grösseren militärischen Konfrontation zwischen der Hisbollah und Israel gelegen sein. Wahrscheinlicher hingegen ist eine erneute Anschlagsserie gegen israelische Ziele im Ausland, mit potentieller Bestreitbarkeit für die Hintermänner. In den folgenden Monaten wird sich zeigen, ob der Iran und die Hisbollah einmal ihre verdeckten Operationen im Ausland intensivieren werden.

Über Michel Wyss

Michel Wyss ist freischaffender Analyst bei der Audiatur-Stiftung und beschäftigt sich hauptsächlich mit Sicherheitspolitik im Nahen Osten. Er absolviert derzeit ein MA-Studium in Government mit Fokus auf Internationale Sicherheit am Interdisciplinary Center in Herzliya, Israel und ist als Research Assistant beim International Institute for Counterterrorism (ICT) tätig.

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