Die Rolle von Hamas und Fatah bei den Unruhen in Jerusalem

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Das Logo der „Jund Al-Aqsa“ (Soldaten der Al-Aqsa) kombiniert Muslimbruderschaft und Al-Qaida in Syrien der ausländischen Kämpfer. Foto Facebook
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Die Verschlechterung der Sicherheitssituation in Jerusalem kann nicht alleine auf der palästinensisch-israelischen Ebene verstanden werden. Sie ist nicht nur eng verknüpft mit dem Chaos im Nahen Osten; sie ist zudem im Zusammenhang des grossen Tauziehens zwischen den moderaten Sunni-Regierungen und der Muslimbruderschaft zu verstehen, welche die Jerusalem-Frage zu einem Schlachtruf des „Arabischen Sturm“ zu machen sucht. Die Strategie der Bruderschaft zielt darauf ab, alle islamischen Bewegungen der Region durch die Idee eines muslimischen Kalifats mit der Al-Aqsa Moschee als dessen Mittelpunk zu vereinen.

Während der Operation „Fels in der Brandung“ versuchte die Bruderschaft mit der Losung „die Belagerung von Gaza“ , europäische Muslime zu gemeinsamen Demonstrationen mit ihren linken Verbündeten anzustiften und dadurch den Status des Islam auf dem christlichen Kontinent zu verbessern. Gegenwärtig nutzen die muslimischen Jihadisten die „Rettet-Jerusalem“-Kampagne, um erneut Millionen aufgewühlter Muslime auf die Strassen Europas zu bringen.

Vor den jüngsten Terroranschlägen in Jerusalem wurde eine Mitteilung von Khaled Mashal, Chef des Hamas- Politbüros, veröffentlicht, die sich an „unser Volk wendet, unverzüglich zu eilen, um Jerusalem und Al-Aqsa zu verteidigen; und an die muslimische Nation, um die schmerzhafte Botschaft der Wut der Welt zu überbringen, dass das palästinensische Volk und mit ihm die arabische und islamische Nation nicht ruhig sein wird ob der israelischen Verbrechen.“ Für die Hamas ist es folglich die Jerusalem-Frage, welche die Palästinenser an die Spitze der Revolution in der arabischen Welt und dem muslimischen Erwachen in Europa katapultieren kann.

Aufruf an die muslimischen Gläubigen, in Jerusalem zusammenzukommen

Der Weckruf für Al-Aqsa stammte vom eminenten Muslimbruderschaft-Juristen, dem in Doha ansässigen Scheich Yusuf al-Qaradawi. Im Februar 2011 forderte er auf dem Kairoer Tahrirplatz, kurz nach dem Sturz von Präsident Mubarak, die Befreiung von Al-Aqsa. Infolge publizierte er ein Buch mit dem Titel: „Jerusalem – Das Problem eines jeden Muslimen.“ In der Einführung sagt der herausragende Gelehrte der Muslimbruderschaft: „Oh Nation des Islam, erhebe dich, die Stunde ist gekommen, die Stunde der Gefahr winkt – nach Jerusalem, nach Jerusalem – Al-Aqsa, Al-Aqsa!“.

Qaradawi geriet in einen bitteren Streit mit Mahmud Abbas, nachdem dieser dazu aufrief, Jerusalem mit muslimischen Touristen zu überfluten, um dadurch dessen muslimischen Charakter angesichts der „Judaisierung der Stadt“ zu bewahren. Qaradawi entschied, dass der Besuch von Jerusalem unter israelischer Besatzung verboten sei, Jerusalem müsse befreit werden durch Gewalt und nicht durch Tourismus.

Der Anführer der Islamischen Bewegung im Norden Israels und Teil des engsten Kreises von Qaradawi, Scheich Raed Salah, hielt fest, dass „Jerusalem die Hauptstadt des unmittelbar bevorstehenden islamischen Kalifats [ist]“.

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Fatah „Märtyrer“ der einen „Siedler in der besetzten Stadt Jerusalem überfuhr“

Das Monitoring von Hamas-Webseiten vermittelt den Eindruck, dass die Bestrebungen, in Jerusalem Zwietracht zu säen, massiv zunahmen, nachdem der ägyptische Präsidenten Mohammed Mursi entmachtet und die dortige Muslimbruderschaft als terroristische Bewegung verboten wurde. Zeitgleich führten die Finanzierung der Bruderschaft-Zweigstellen in der arabischen Welt, inklusive der Hamas, und der Vorwurf, diese seien Terrororganisationen, zu einer Krise zwischen Saudi-Arabien und Katar. Offenbar versuchte Katar, der Bruderschaft durch Anregung von Unterstützung für sie in der Jerusalem-Frage indirekt zu helfen. Es ist ebenfalls bewiesen, dass Katar in Syrien den Versuch finanzierte, Terrorgruppen zu etablieren, die Jerusalem an erster Stelle ihrer Prioritäten setzte, wie etwa die „Al-Aqsa Armee“.

Die Tatsache, dass Khaled Mashal in Katar lebt, half den Kataris zu erkennen, dass die Priorisierung der Palästinenserfrage die Leidenschaft der Massen in der arabischen Welt in Unterstützung für die Muslimbruderschaft neu entfachen kann. Während der Operation „Fels in der Brandung“ diktierte Katar eine harte Linie gegenüber einer Waffenruhe in der Hoffnung, die arabischen Massen auf die Strassen zu bringen. Katar versagte in der arabischen Welt – aber hatte Erfolg in Europa.

Muslimbruderschaft bedrängt Jordanien

Die Jerusalem-Frage als Druckmittel für die arabische Welt im Allgemeinen zu nutzen, hat den Druck auf Jordanien massiv erhöht, welches in seinem Friedensvertrag mit Israel als Verwalter der heiligen Stätten von Jerusalem anerkannt wurde. Der Anspruch der weltweiten Muslimbruderschaft-Bewegung auf die Repräsentation der Jerusalem-Frage, hat die Bruderschaft in Jordanien dazu gebracht, die Regierung in dieser Angelegenheit zu tadeln und zu hinterfragen, ob Jordanien tatsächlich Al-Aqsa beschütze.

Die Tatsache, dass die Palästinensische Autonomiebehörde sich der Hamas-Kampagne zur „Rettung von Al-Aqsa“ trotz des Abkommen mit Jordanien angeschlossen hat, wird höchstwahrscheinlich zu Schwierigkeiten zwischen den beiden führen. König Abdullah hat Israel in der Jerusalem-Frage harsch kritisiert; er selbst befindet sich in Schwierigkeiten.

Während den ersten zwei Intifadas bemühte sich die Fatah in Jerusalem, die Stadt aus dem Konfliktradius herauszuhalten. Gemäss Fatah-Quellen, war es die Tanzim (die militante Fatah-Fraktion, Anm. Audiatur), welche Arafat mitteilte, dass „Standhaftigkeit – sumud – im Interesse der Bewohner von Ostjerusalem liegt, und deshalb diese aus dem Gewaltradius herausgehalten werden müssen“. Während sich also das Westjordanland und Gaza in Terror übten, machte die Fatah Tanzim aus dem Kampf eine Frage von sumud, etwa der Schutz illegaler Bauten. Und selbst wenn die Zweite Intifada „Al-Aqsa Intifada“ genannt wurde, bemühte sich die Fatah um Distanzierung von der heiligen Stätte.

Heute ist das Gegenteil der Fall: Während Gaza in Ruhe seine Wunden leckt und das Westjordanland ebenfalls relativ ruhig ist, liegt der Fokus grösstenteils auf Jerusalem. Der Hauptgrund dafür ist die drastische Abnahme der Unterstützung für die Fatah in Jerusalem, während islamische Bewegungen wie die Hamas oder die internationale Hizb-ut-Tahrir-Bewegung, die ein Kalifat verficht, die Umstände diktieren. Fatah bleibt nichts anders übrig als sich von Hamas mitziehen zu lassen.

Auf der Suche nach Finanzierung aus Katar

Mit Ausblick auf die 7. Fatah-Konferenz – angesetzt auf Ende Jahr, obwohl noch kein Datum bestimmt wurde – traf sich Abbas mit Mitgliedern des „Jerusalem Bezirks“ der Fatah. Fatah-Quellen in Jerusalem sagen, dass die Zusammensetzung der Führung geändert wurde, so dass „Tagediebe“ und selbst die „Unterwelt“ rekrutiert wurden, um eine Intifada in Jerusalem anzufachen. Diese verlangten nach Bezahlung für ihre Aktivitäten, haben aber bislang noch kein Budget erhalten. Juristische Kosten für jene, die verhaftet werden, sollen angeblich bezahlt werden, doch Belege für die Gelder sind zweifelhaft.

Die Silwan (Jersualem) Zweigstelle der Fatah verlor keine Zeit, um den Hit-and-Run-Mörder des dreimonatigen israelisch-amerikanischen Babys, Chaya Zissel Braun, zu verherrlichen, indem sie auf ihrer offiziellen Facebook-Seite einen offiziellen Nachruf auf den Mörder veröffentlichte und ihn einen „heroischen Märtyrer“ nannte.

Bezüglich der Finanzierung von Fatah-Aktivitäten in Jerusalem sind die Blicke auf Katar gerichtet, den grossen Financier aller Bewegungen, welche die regionale Stabilität unterminieren, auch in Israel. Die grossen Summen, die offensichtlich von den Webseiten von Hamas und Muslimbruderschaft genutzt werden, um die Jerusalem-Kampagne voranzutreiben, legen nahe, dass katarisches Geld in ihre Richtung floss, und die Fatah nun ebenfalls in der Warteschlange steht.

Das schwache Ansehen der Fatah auf dem Gelände von Al-Aqsa manifestierte sich, als es zu einem Angriff auf den palästinensischen Minister für religiöse Angelegenheiten Mahmud al-Habash kam, als dieser die Al-Aqsa-Moschee im Juni dieses Jahres besuchte. Seine Angreifer waren Mitglieder von Hamas und Hizbt-ut-Tahrir und die PA-Sicherheitskräfte hatten grosse Mühen, ihn zu retten. Der gemeinsame Anschlag enthielt zudem die Botschaft, dass die beiden Bewegungen, die über die Hegemonie auf dem Tempelberg gestritten hatten, sich versöhnt haben und nun unisono agieren. Trotzdem konkurrieren alle um Geld aus Katar – eine Tatsache die lokale Organisation nur noch weitere in Richtung grössere Gewaltausmasse treibt. Dass sich die Fatah der Al-Aqsa-Kampagne anschliesst, könnte die Übernahme von Ramallah durch radikalislamische Bewegungen ankündigen – wenn nicht die Palästinensische Autonomiebehörde ihre Führungsposition in Bälde wiedererlangt.

Kurzfassung der Originalversion: The Role of Hamas and Fatah in the Jerusalem Disturbance by Pinhas Inbari © Jerusalem Center for Public Affairs, 26 October 2014