Nahöstliche Liebesaffäre, „bis dass der Tod Euch scheidet“

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Nahöstliche Liebesaffäre, „bis dass der Tod Euch scheidet“
Nahöstliche Liebesaffäre, „bis dass der Tod Euch scheidet“
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Bei der Scheidung eines früheren Liebespaares kann es zu mörderischem Streit kommen. Es gibt wohl kein besseres Bild, um die langjährigen Beziehungen zwischen der Hamas und Israel zu beschreiben.
Was heute unter den Begriff Hamas fällt, ist die Partei der frommen Muslime unter den Palästinensern, die sich zu Islamisten entwickelt haben. Hervorgegangen sind sie aus der ägyptischen Muslimbruderschaft.

1967, mit dem Sechstagekrieg, geriet der Gazastreifen unter israelische Kontrolle. In Gaza waren die ultrafrommen Muslimbrüder besonders stark Die einzige grosse Partei damals unterstand aber der Führung Jassir Arafats. Der war „links“ und pflegte enge Kontakte mit den kommunistischen Sowjets in Moskau. Die erzkonservativen Moslems konnten keine gemeinsame Sprache mit dem weltlich ausgerichteten Kommunisten finden. Arafats Idee, einen palästinensischen Nationalstaat zu errichten, widersprach den Vorstellungen der frommen Muslime. Die träumten damals schon von der Wiedererstehung eines islamischen Kalifats in ganz Palästina. Das ist der tiefere Grund, weshalb sich die Muslimbrüder 1972 in Khartum bei Gesprächen mit Arafat geweigert hatten, sich seinem weltlichen Dachverband PLO – Palästinensische Befreiungsorganisation – anzuschliessen. Stattdessen richteten sie Armenküchen ein und kümmerten sich um Kindererziehung in ihrem frommen Sinne. Das störte die Israelis nicht. Im Gegenteil. Bei Unruhen im Gazastreifen konnten israelische Soldaten sogar in Moscheen der Muslimbrüder Zuflucht finden.
In diese Honeymoon- Periode fällt auch die Gründung der Universitäten in den besetzten Gebieten. Sie sind alle mit israelischer Genehmigung errichtet worden, darunter auch die „islamische Universität“ in Gaza.

Das alles änderte sich dramatisch, als Arafats PLO immer gewalttätiger wurde und den frommen Muslimbrüdern „Verrat“ an der gemeinsamen Sache vorwarf, weil kaum einer als Widerstandskämpfer den Weg ins israelische Gefängnis gefunden hatte. Die Muslimbrüder bewaffneten sich nun selber. Der spätere Gründer der Hamas, der gelähmte Scheich Ahmed Jassin, hatte seit 1982 Waffen gesammelt – angeblich um sich gegen die PLO zu verteidigen. 1984 wurde sein Waffenlager entdeckt. Israel steckte den Scheich ins Gefängnis. Bereits nach elf Monaten kam er zusammen mit 1150 anderen Häftlingen bei einem Tausch gegen den israelischen Panzerkommandanten Hezi Schai frei. Im Dezember 1986, kurz nach Ausbruch der ersten Intifada gründete er mit anderen Muslimbrüdern die islamistische Hamas. Ein kurzer Blick in deren Charta bietet übelsten Antisemitismus und Hass gegen alles Israelische. Dass ausgerechnet dies eine Idee Israels gewesen sei, einen „Keil in das palästinensische Volk“ zu treiben – ist eine gelungene Propagandakampagne Arafats.

Der Rest ist Geschichte. Die Hamas importierte aus dem Libanon die Methode der religiös verbrämten Selbstmordattentate. Die Hamas gewann an Popularität, während die weltliche Fatahpartei infolge der enttäuschenden „Friedensabkommen“ mit Israel, dem Tod Arafats und der Korruption immer verhasster wurde. 2006 gewann die Hamas die Wahlen mit grosser Mehrheit und seitdem profiliert sie sich mit Krieg gegen Israel. Gleichwohl kennen sich beide bestens, um sich trotz der Feindschaft immer wieder zu arrangieren und eine Waffenruhe, meist mit Hilfe eines Ägypters, indirekt auszuhandeln.
Wenn geschiedene Partner mit Messern aufeinander losgehen, denkt keiner mehr an den ersten süssen Kuss.

Über Ulrich W. Sahm

Ulrich W. Sahm, Sohn eines deutschen Diplomaten, belegte nach erfolgtem Hochschulabschluss in ev. Theologie, Judaistik und Linguistik in Deutschland noch ein Studium der Hebräischen Literatur an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Seit 1975 ist Ulrich Sahm Nahost-Korrespondent für verschiedene deutschsprachige Medien und berichtet direkt aus Jerusalem.

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1 Kommentar

  1. Herzlichen Dank für den informativen Artikel.
    Auf der einen Seite Gewalt, auf der anderen Frömmigkeit – klar, mit wem Israel sich verbündet. Aber wer sich an einen frommen Moslem binden will, sollte zuvor den Koran lesen.

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