Mögliche Auswirkungen des Einheitsabkommen zwischen Fatah und Hamas

0
Foto Sasapost
Lesezeit: 5 Minuten

Am Montag, 2. Juni 2014, ist die neue Einheitsregierung von Fatah und Hamas in Ramallah zeremoniell vereidigt worden. Zuvor hatte die Hamas noch angedroht, das Abkommen platzen zu lassen, wenn der Posten eines Ministers für Gefangene nicht weiter besetzt werde. PA-Präsident Abbas wollte diesen Ministerposten ursprünglich in ein Komitee umwandeln. Die Streitigkeit wurde schliesslich beigelegt und beide Seiten einigten sich darauf, dass Ministerpräsident Rami Hamdallah künftig diese Ministerrolle übernimmt.

Sowohl Fatah als auch Hamas äussern sich zufrieden über die Umsetzung des Abkommens. Für Abbas ist es das „Ende der palästinensischen Spaltung“, für die Hamas eine neue Regierung, welche das „gesamte palästinensische Volk“ repräsentiere.

Mit der Einheitsregierung enden die jahrelangen Feindseligkeiten zwischen Hamas und Fatah –  zumindest offiziell. Wie stabil das Verhältnis zwischen den beiden Organisation tatsächlich ist, muss sich aber erst noch erweisen.

Im Folgenden einige Überlegungen zur Bedeutung und möglichen Auswirkungen des Abkommens:

Anerkennung Israels vs. „Weg des Widerstandes“
PA-Präsident Mahmud Abbas hat gegenüber US-Aussenminister John Kerry erklärt, die Einheitsregierung sei der Anerkennung Israels und des Prinzips der Gewaltfreiheit verpflichtet. Derweil liess der ranghohe Hamas-Beamte Muhammad Nazal verlauten, dass die Hamas dem Widerstand und der Gewalt gegen Israel nicht abschwören werde. Die Hamas hat bereits in der Vergangenheit erklärt, sie werde Israel auch künftig nicht anerkennen – auch nicht im Rahmen des Einheitsabkommens. In den vergangen Tagen wurden aus Gaza nach einer längeren Ruhepause wieder zwei Raketen auf Israel abgefeuert. Ein Verstoss gegen das Völkerrecht.

Quo vadis Sicherheitskooperation
Israel hat angekündigt, jegliche Zusammenarbeit mit der Palästinensischen Autonomiebehörde einzustellen. Davon ausgenommen soll die Sicherheitskooperation zwischen Israel und der PA sein – zumindest wenn es nach Abbas geht. Die Hamas ihrerseits hat erklärt, dass sie für ein Ende der Sicherheitskooperation mit Israel im Westjordanland sorgen werde. Es braucht wenig Vorstellungskraft für die Frage, wie die Hamas dies zu bewerkstelligen gedenkt.

Eine mögliche Wirtschaftskrise
Israel hat angedroht, angesichts des Einheitsabkommens Steuereinnahmen an die PA-Behörden zurückzubehalten. Laut US-Aussenministeriums könnte das Abkommen zudem „potenzielle Auswirkungen“ auf die Hilfeleistungen der USA haben, die für dieses Jahr insgesamt 440 Millionen Dollar für das Westjordanland und Gaza einplanten. Angesichts der neusten Verlautbarungen des Aussenministeriums, in denen es die Regierung anerkennt und mit ihr zusammenarbeiten will, sind unmittelbare Massnahmen der USA unwahrscheinlich. Die Zurückhaltung von PA-Steuergeldern nach dem palästinensischen Antrag auf den Beobachterstatus bei der UN 2012 hatte eine Wirtschaftskrise und Krawalle im Westjordanland zur Folge. In der jetzigen Situation dürften die Auswirkungen ungleich drastischer ausfallen.

Die Situation im Gazastreifen
Ministerpräsident Netanyahu erklärte, die Verantwortung für Gaza liege mit der Einheitsregierung nun bei Abbas. Zudem forderte er Abbas auf, mit der Demilitarisierung des Gazastreifens zu beginnen, sobald die neue Regierung die Souveränität in Gaza erlangt habe; dies sehen auch die Osloer Friedensverträge vor. Ob und mit welcher Vehemenz die neue Regierung aber gegen Terrororganisation wie die Volkswiderstandskomitees, Al Qaida oder den palästinensischer Ableger des Islamischen Staates in Iraq und Syrien vorgehen werden, ist fraglich. Auch dass die Verwaltung des Gazastreifens künftig der PA und damit Abbas obliegt, scheinen sich zumindest die USA diesbezüglich keine Illusionen machen zu wollen.  In den Worten von US-Sprecherin Jen Psaki: „Wir erwarten, dass die PA alles tut, um Angriffe aus dem Gazastreifen zu verhindern, uns ist aber klar, dass der Gazastreifen von der Hamas kontrolliert wird.“ Unklar ist auch, wie die künftige Kooperation mit Ägypten aussehen wird, welche die Hamas zuletzt verbieten liess.

Status der Hamas
Die Hamas wird unter anderem von der EU als auch von den USA als Terrororganisation aufgeführt. Während dies konsequenterweise eine Nicht-Anerkennung der Einheitsregierung bedeuten müsste, ist vielmehr damit zu rechnen, dass der Status der Hamas künftig aufgewertet werden wird. Die EU hat das Einheitsabkommen explizit begrüsst. Die USA erklärte entgegen der Verlautbarung, „die Regierung vorerst nicht zu unterstützen“ , dass ihrer Einschätzung nach keine Hamas-Abgeordneten in der neuen Einheitsregierung vertreten seien. Deshalb werde sie der Regierung anerkennen und mit ihr zusammenarbeiten. Angesichts der Tatsache, dass die Einheitsregierung das Resultat der Versöhnung zwischen Fatah und Hamas ist, kann man auch von reiner Augenwischerei sprechen. Die Unterstützung seitens den USA und der EU wird der Hamas zweifelsohne zusätzliche Legitimität zu verleihen.

Integration des Palästinensischen Jihads in die PLO
Bereits vor zwei Wochen hat der Palästinensische Islamische Jihad (PJI) das Einheitsabkommen begrüsst. Laut einem Bericht von Arutz Sheva ist der PIJ bereit, sich der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) anzuschliessen und an künftigen Wahlen teilzunehmen – unter der Bedingung, dass sich die PLO nicht gegen den „bewaffneten Kampf“ stellt. Unterstützung erhält der PIJ offenbar von Hamas-Führer Ismail Hanieyh. Dies könnte eine Verstärkung des iranischen Einflusses zur Folge haben, als dessen Proxy der PIJ fungiert.

Aussenpolitischer Druck auf Israel
Israel weigert sich kategorisch mit der Hamas zu verhandeln, da diese regelmässig die Vernichtung Israels beschwört und erklärt, den Kampf nicht einstellen zu wollen, bis „ganz Palästina“ befreit ist. Dass offensichtlich selbst jene Staaten zur Zusammenarbeit mit der Hamas bereit sind, die sie als Terrororganisation auflisten, lässt darauf schliessen, dass der aussenpolitische Druck sich auf Israel erhöhen wird, was den Dialog mit der Hamas betrifft.

Während über die effektiven Auswirkungen momentan nur spekuliert werden kann, deutet vieles daraufhin, dass sich die palästinensische Position weiter verhärten und ein mögliches Friedensabkommen in weite Ferne rückt. Zwar erklärt Abbas, dass sich die gesamte Einheitsregierung zur Anerkennung Israels und dem Prinzip der Gewaltfreiheit bekennt, entsprechende Äusserungen der Hamas bezeugen allerdings Gegenteiliges. Die Auswirkungen des Vorbehalts von Steuereinnahmen und eventuelle weitere Kürzungen bei der Finanzhilfe durch die USA und andere Länder dürften die Stabilität der neuen PA-Einheitsregierung schon in naher Zukunft testen. Letztendlich dürften vor allem die nächsten Wahlen darüber Auskunft geben, in welche Richtung die palästinensische Nationalbewegung künftig steuern wird: Anerkennung Israels und Verhandlungen oder bewaffnete Gewalt.

©Audiatur-Online