J-Street, 2008 von Jeremy Ben-Ami gegründet, ist eine vielbeachtete jüdisch-amerikanische Organisation, die sich mit Kritik an der israelischen Regierungspolitik hervortut und für eine Zwei-Staaten-Lösung eintritt. Sie gilt als Gegengewicht zur Pro-Israel-Lobby AIPAC. Beim Versuch, in den Dachverband jüdischer Organisationen aufgenommen zu werden, der „Conference of Presidents“, scheiterte J-Street. Zur Debatte steht der Anspruch von Juden im Ausland, Israel die Politik vorzuschreiben und sich über den demokratischen Willen der Mehrheit der Israelis hinwegzusetzen.
Jüdische Korrespondenten und Medien reagierten persönlich betroffen und teilweise „schockiert“ auf den innerjüdisch-amerikanischen Klüngel. Tachles titelte „Schock für Friedenslobby“. Der Jerusalem-Korrespondent der NZZ, George Szpiro, erklärte, dass J-Street entstanden sei, weil viele amerikanische Juden „nicht unbesehen die unflexible Haltung Netanjahus hinnehmen wollten.“ Im Gegensatz dazu stehe AIPAC: „Amerikanische Juden dürften nicht versuchen, die israelische Politik mitzubestimmen. Die Lobby-Gruppe vertritt deshalb nicht nur eine pro-israelische Linie, sondern unterstützt fraglos die Politik der jeweiligen israelischen Regierung.“
Die Jüdische Allgemeine bezeichnete J-Street als „friedensorientiert“ während die anderen Zeitungen J-Street als „gemässigt“ charakterisierten.
Wer also nicht die politische Richtung von J-Street befürwortet, ist demnach „Extremist“ und „Kriegstreiber“? Wenn sie Netanjahu ablehnen, bleiben ihnen nur zwei Wege. Entweder wechseln sie „zum Wohle Israels“ das Volk aus oder aber sie wandern nach Israel aus, gründen eine Partei und bestimmen dann „flexibel“ Israels Politik.
Ausgerechnet die Geschichte Israels hat gezeigt, dass „Extremisten“ eher geeignet waren, Frieden zu schaffen, als die vermeintlich „Gemässigten“ und „Friedensorientierten“. Zu den „Extremisten“ zählten und zählen Menachem Begin, Ariel Scharon und sowie Benjamin Netanjahu. Begin wurde oft „Terrorist“ genannt. Er war der Gründer der „politischen Siedlungspolitik“. (Dass die „gemässigten“ Linken der Arbeitspartei die Erfinder der Siedlungspolitik waren, wird heute gerne verschwiegen.) Doch Begin hat Frieden mit Ägypten geschlossen und dafür die ganze Sinaihalbinsel geopfert. Seinen ebenso „extremistischen“ Verteidigungsminister Ariel Scharon beauftragte er mit der Räumung aller Siedlungen im Sinai. Der gleiche Scharon („Vater der Siedlungen“) hat 2005 gegen den Willen seiner Partei den Gazastreifen verlasen.
Wie absurd die Verwendung derart politisch belasteter Begriffe sein kann, hatte 2005 ein Reuters-Reporter bekundet. Er fragte, wie denn Scharon den Abzug aus Gaza beschliessen konnte, obgleich er doch als „Hardliner“ bekannt sei. Dabei war es jener Reporter zusammen mit anderen Journalisten, der Scharon zum „Hardliner“ erkoren hatte. Scharon handelte stets „zum Wohle Israels“ – gemäss seinem Verständnis – und war deshalb jenseits jeglicher Ideologie fähig, die eigene Politik radikal zu wandeln.
Ähnlich wird Netanjahu von den Medien behandelt, obgleich er den Palästinensern (infolge des Wye-Abkommens) mehr Land zur Selbstverwaltung überliess, als seine „gemässigten“ Vorgänger Jitzhak Rabin und Schimon Peres. Netanjahu hat 1998 Hebron geräumt, bis auf das Patriarchengrab und das uralte jüdische Viertel. Der „Hardliner“ Netanjahu hat als erster Ministerpräsident die Formel „Zwei-Staaten-Lösung“ und „Palästinensischer Staat“ ausgesprochen, während der „gemässigte“ Jitzhak Rabin noch in seiner letzten Knesset-Rede erklärt hatte, dass es „niemals“ einen palästinensischen Staat geben werde.
Manchen „friedensorientierten“ und „gemässigten“ Politikern kann im Rückblick vorgeworfen werden, Krieg und Blutvergiessen gefördert zu haben. Rabins Osloer Verträge mit Jassir Arafat hatten für die Israelis das schlimmste Blutvergiessen unter Zivilisten seit dem Unabhängigkeitskrieg zur Folge. Der „gemässigte“ Schimon Peres ordnete 1996 die Operation „Früchte des Zorns“ im Libanon an und redete von „Opfern für den Frieden“, nachdem Selbstmordattentäter in Jerusalem einen Linienbus gesprengt hatten. Das sollte ihm wenig später 1996 den Wahlsieg an Netanjahu kosten. Bis heute hat sich die israelische Linke nicht davon erholt, dass der „gemässigte“ Ehud Barak trotz Konzessionsbereitschaft im Jahr 2000 den Weg zur mörderischen Zweiten Intifada geebnet hatte.
Im sicheren Amerika die „unflexible“ Politik der demokratisch gewählten Regierung Israels zu kritisieren und sich über den Willen des israelischen Volkes hinwegzusetzen, widerspricht den Regeln der Demokratie. Allein die Israelis entscheiden, was zum „Wohle Israels“ ist. Sie müssen freilich auch für die Konsequenzen gradestehen, zum Guten wie zum Schlechten. Oft genug haben sich die Israelis geirrt. Dennoch kann niemand die Zukunft vorhersehen und mit absoluter Gewissheit sagen, was der „richtige Weg“ ist.
Das hier ergänzt Sahms Worte über J-Street: http://www.frontpagemag.com/2014/chloe-valdary/de…
Danke, lieber Ulrich Sahm! Sie sind einer der wenigen vernünftig denkenden Menschen auf dieser Erde. Damit meine ich u.a. Sie denken nicht ideologisch, sondern schauen die Fakten an, bevor Sie urteilen. Das tun die Allerwenigsten.
lg
caruso
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