Feinde? Nein, wir behandeln Patienten

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Dr. Yoav Hoffman vom Western Galilee Hospital. Foto Christa Case Bryant/TCSM
Dr. Yoav Hoffman vom Western Galilee Hospital. Foto Christa Case Bryant/TCSMChrista Case Bryant/TCSM
Lesezeit: 3 Minuten

Seit vor einem Jahr die ersten zwei syrischen Patienten behandelt worden waren, hat das West Galilee Hospital in Nahayria mehr als 220 von den knapp 600 Syrern behandelt, die nach Israel gebracht worden sind. Etwa ein Drittel der in Nahariya behandelten Syrer sind Kinder, die entweder bewusstlos oder gar ohne Begleitung von Angehörigen eingeliefert wurden.

„Es gibt eine Explosion und als nächstes öffnen sie ihre Augen in einem fremden Land und jeder spricht Hebräisch“, sagt Dr, Zvi Sheleg, Stellvertretender Generaldirektor des Spitals. „Sie befinden sich in Feindesland – und so sehen sie es.”

Israel pflegt die Tradition, weltweit humanitäre Hilfe in Kriegsgebieten und bei Naturkatastrophen zu leisten, sogar dort, wo es nicht besonders willkommen ist. Doch verletzte Syrer zu behandeln, deren Land sich offiziell noch im Kriegszustand mit Israel befindet, ist nicht nur ein logistisches Wunder, sondern eine aussergewöhnliche Übung im Triumph der Menschlichkeit über den Hass.

„Als Mensch ist es wichtig, anderen als Mensch zu helfen. Ich danke meiner Regierung…das  gibt uns Möglichkeit, einander zu helfen“, sagt Generaldirektor Masad Barhoum. „Sie sind Menschen. Ich glaube kaum, dass irgendjemand hier im Spital sie als Feinde sieht.“

Die syrischen Patienten kommen grundsätzlich zu ähnlichen Schlussfolgerungen.

„Anfangs hatten sie Angst…sie dachten, wir würden ihnen etwas antun und sie foltern“, sagte Yoav Hoffman, leitender Arzt auf der Kinderintensivstation, auf der etwa 25 Kinder, von Neugeborenen bis zu 17-Jährigen, behandelt wurden. „Nach ein paar Tagen verstehen sie dann, was wir machen und wollen gar nicht mehr weg.“

Die Spitalmitarbeiter wissen nicht, ob sie Zivilisten oder Soldaten behandeln, und sie sind sich nicht sicher, ob es die israelische Armee weiss. Einige Patienten erzählen über sich selbst, aber es gibt keine Möglichkeit, ihre Aussagen zu verifizieren.

Die Ärzte berichten, dass sie wenig oder nichts über die Umstände wissen, wie die Patienten aufgegriffen und später wieder über die Grenze zurückgebracht werden. Um diesen Prozess kümmern sich die israelischen Sicherheitskräfte der IDF. Es scheint jedoch, als gäbe es eine bedeutende grenzüberschreitende Kommunikation, möglicherweise durch Einheiten der UN vermittelt, die entlang der Grenze stationiert sind; zumal einige Ärzte berichten, dass einige der Kinder alleine ankamen und die IDF Verwandte ausfindig machen konnte, die sie dann zu den Kinderpatienten ins Spital brachte.

In Dr. Hoffmans Abteilung steht ein drei-jähriges Mädchen zitternd auf dem Tisch, das von seinem Vater umarmt wird. Beide wurde seiner Beschreibung nach von einer Streubombe in Deera getroffen, eine Stadt ca. 40 km von Israel entfernt, wo vor drei Jahren der Aufstand begann. Als er von diesem Angriff, erzählt, bei dem der Zwillingsbruder des Mädchens getötet wurde, bricht er in Tränen aus, kann aber noch anfügen, dass „die Behandlung hier wirklich ausgezeichnet [ist].“

Aber für die Ärzte und das Pflegeteam geht es nicht nur um medizinische Versorgung. Von Zuhause bringen sie Kleidung, Spielzeug und Spiele für die syrischen Patienten mit, auch Puppen und Teddybären für die Kinder. Ein Mädchen wollte so gerne das Mittelmeer sehen und gemeinsam haben das Spital und die IDF sie an den Strand gebracht, bevor sie mit ihr wieder zur Grenze fuhren.

Die Hilfsbereitschaft des Spitals führte zu aufrichtigen Dankesbriefen und Spenden von Muslimen in Israel und den USA. Eine Moschee aus der Nähe von Akko schickte aus ihrer Gebetskollekte 1.000 $ und muslimische Amerikaner, allesamt Privatpersonen, dankten dem Spital für seine Hilfe, während arabische Länder so wenig tun, erzählt Amir Yarchi von den Freunden des West Galilee Hospitals, zuständig für das Fundraising.

„Wenn man über das Ausmass der Opfer in Syrien nachdenkt …haben wir es hier mit einem Tropfen auf den heissen Stein zu tun“, meint der Neurochirurg Dr. Jean Sustiel „Aber ein altes jüdisches Sprichwort besagt – wenn du ein Seele gerettet hast, hast du die ganze Welt gerettet – und wir hoffen, dass wir genau das machen.“

Gekürzte Version der Originalversion: Enemies? No, patients, say Israeli doctors treating Syrians by Christa Case Bryant © The Christian Science Monitor, March 12, 2014.

 

 

2 Kommentare

  1. Meine Hochachtung gilt allen Menschen, die diesen Verletzten helfen. Sie gilt aber auch dem Staat Israel, der diese Hilfe nicht nur zulässt, sondern sie aktiv organisiert und begleitet.
    Das ist wirklich gelebte Nächstenliebe.
    G'tt segne alle die das tun und er tröste die Verletzten.

  2. .. gerade dieses gewaltige Beispiel der zivilen Hilfe an syrischen Kriegsopfern zeigt den immensen (moralischen) Graben zwischen dem (jüdischen) Israel und dem (islamischen) arabischen Umfeld! Es zeigt auch weiter, wie schwierig es für Israel generell ist, mit den Nachbarstaaten, aber v.a. mit der PA, im Gespräch nach einer nachhaltigen Friedenslösung zu suchen.

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