Raketen aus Gaza: Ein palästinensischer Staat in der Praxis

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Im Westen ist man sich einig, dass die Zweistaatenlösung – ein palästinensisch-arabischer Staat an Seite der Heimstätte des jüdischen Volkes, also Israel – die Lösung für den Nahostkonflikt ist.

Gegenwärtig ist ein solches Szenario eher Gegenstand von Science Fiction statt politischer Realität. In der Zwischenzeit ringt Israel mit einer palästinensischen Führung und Terrorgruppen, die unglücklicherweise die Wünsche ihres Volkes noch immer besser repräsentieren als die frommen Plattitüden, die Palästinenserführer Mahmud Abbas in der Präsenz von westlichen Journalisten oder leichtgläubigen Israelis von sich gibt.

Mehr noch, die theoretischen Argumente für einen Palästinenserstaat ignorieren die Tatsache, dass ein solcher derzeit in Gaza existiert. Dort führt eine Hamas-Regierung ihre tyrannische Islamistenherrschaft über eine Million Menschen fort, ohne dass sich Israel einmischt, abgesehen von einer lockeren Blockade (Nahrung, Medizin und andere essentielle Warengüter werden täglich von Israel eingeführt). Doch wie kürzlich das Raketenfeuer von Gaza auf den Süden Israels zeigte, stellt dieser palästinensische Staat eine klare und aktuelle Bedrohung dar – sowohl für Israel als auch für die regionale Stabilität. Während die über 60 Raketen aus Gaza keine Opfer forderten, terrorisierte der Vorfall nicht nur den Süden Israels, sondern demonstrierte auch die inhärente Gefahr, die ein irredentistischer Palästinenserstaat – in dem bewaffnete Terroristen uneingeschränkt Chaos planen können – für Israels Sicherheit darstellt. Während Friedensaktivisten behaupten, dass ein territorialer Rückzug Israels sämtliche Probleme lösen werde, bleibt der Abzug aus Gaza in 2005 ein schlagkräftiges Argument gegen eine Wiederholung dieses Experimentes im Westjordanland, egal wie sehr die Welt darauf beharrt.

Es trifft zu, dass Gaza im eigentlichen Sinne nicht unabhängig ist. Sein Status, wie jener des Westjordanlands, ist juristisch unklar, da keine Nation unangefochtene Souveränität über diese Teile des ehemaligen Britischen Mandats für Palästina anmelden kann. Israel hält im Westjordanland eine Präsenz in Form von Siedlungen aufrecht, genauso wie ein starker Sicherheitsapparat, der eine Wiederholung der Terrorkampagne während der zweiten Intifada verhindern soll, die über tausend Israelis das Leben kostete. Doch Israel hat all seine Ansprüche auf Gaza im Jahr 2005 aufgegeben. Es versucht die Terroristenenklave mit der Blockade, an der sich Ägypten aktiv beteiligt und die völkerrechtlich legal ist, in Zaum zu halten. Einige linke Propagandisten behaupten deshalb, Gaza sei noch immer besetzt, doch dies ist Unsinn. Im Grunde ist Gaza komplett unabhängig. Und da liegt das Problem.

Der palästinensische Staat – der dies abgesehen von seinem Namen durchaus ist – strotzt vor Waffen und ist durchzogen von Befestigungen, die Israels Gegenangriffe auf Terrorattacken aus dem Gazastreifen erschweren sollen. Obwohl die Hamas den Waffenstillstand, der tägliche Angriffe gegen Südisrael beendete, zum grossen Teil einhielt, ist sie noch immer bereit, ihre militärischen Kapazitäten zu nutzen, um möglichen Schritten in Richtung Frieden durch Abbas entgegenzuwirken. Noch schwerer wiegt, dass sie noch extremere islamistische Terrorbewegungen auf ihrem Gebiet toleriert. Der Palästinensische Islamische Jihad hat in den letzten Jahren an Stärke und Einfluss gewonnen, weil die angeschlagene Hamas in der Konfrontationen mit Israel vorsichtiger geworden ist.

Gemäss den Dynamiken der palästinensischen Politik beruht die Glaubwürdigkeit dieser Bewegungen auf ihrer Fähigkeit, Israel zu schaden. Das bedeutet, dass der Islamische Jihad – der mit dem Iran verbündet ist und offenbar der Empfänger für die Waffenlieferung an Bord der Klos-C gewesen wäre, hätten israelische Streitkräfte das Schiff nicht abgefangen – ein aktives Interesse hat, die Situation an der Grenze nicht zu entschärfen. Ob das jüngste Raketenfeuer eine lokale Initiative war, um Abbas oder die Hamas daran zu erinnern, dass jede Bewegung in Richtung Frieden inakzeptabel ist, oder das Resultat einer iranischen Anweisung; der Endeffekt bleibt derselbe.

Es geht darum, dass ein unabhängiges Gaza ein bewaffnetes Lager ist, bereit und gewillt, Israel jederzeit anzugreifen. Doch wie gefährlich dies auch sein mag, es beschränkt sich auf die südliche Peripherie des jüdischen Staates, und die Fähigkeit, Terror zu verbreiten ist beschränkt. Dies wäre im Westjordanland nicht der Fall. Denn dort hätten Terrorgruppen bei Abwesenheit israelischer Sicherheitskräfte die Möglichkeit, die wichtigsten israelischen Bevölkerungszentren straffrei und mit tödlichem Ausgang anzugreifen.

Ausländische Beobachter schrecken vor der offensichtliche Schlussfolgerung zurück: eine Zwei- oder Dreistaatenlösung unter den gegenwärtigen Umständen würde den Konflikt verschlimmern, statt ihn zu lösen. So lange Gaza als Exempel dafür dient, was palästinensische Staatlichkeit in der Praxis heisst, ist es nicht vernünftig, dies im Westjordanland oder in Teilen Jerusalems zu replizieren. Wenn Palästinenser und ihrer ausländischen Unterstützer Israel vom Gegenteil zu überzeugen wünschen, sollten sie mit der Transformation Gazas in einen weniger gefährlichen Staat für sie selbst und Israel starten. Bis sie dies tun, sollte niemand ihre Appelle für zwei Staaten erstnehmen.

Kurzfassung der Originalversion: Gaza Missiles: Palestinian State in Practice by Jonathan S. Tobin © Commentary, March 12, 2014.