Wir sollten wirklich über Korruption sprechen

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Aktuelle Bemühungen, einen palästinensischen Staat zu schaffen, bauen gänzlich auf einem politischen System auf, das lange Zeit endemische Korruption, Machtmissbrauch, Vetternwirtschaft und Verschwendung erfahren hat. Auf radikale Weise unterminieren diese jene grundlegenden Elemente, die es für eine erfolgreiche Regierungsführung bedarf.

Korruptionsvorwürfe gegen die Palästinensische Autonomiebehörde PA existieren seit ihrer Gründung 1994. 1997 berichtet die Associated Press AP beispielsweise, dass ein palästinensischer Verwaltungsbericht feststellte, dass „326 Millionen $ des jährlichen Budgets von 800 Millionen $ der palästinensischen Autonomieregierung durch Korruption und Missmanagement verprasst wurden.“ Bloomberg berichtete, dass Arafat zwischen 1995 und 2000 „900 Millionen $ der Einkünfte aus Steuern und Gewerbebetrieben der PA auf einen persönlichen Bankkonto ableitete“ und das zwischen 1997 und 2000 die palästinensische Führung 238 Millionen $ in die Schweiz transferierte ohne die Geldgeber zu informieren.

Während der zweiten Intifada durchlebten die Palästinenser ein beachtenswertes innenpolitisches Erwachen. Umfrage um Umfrage zeigte, dass eine grosse Mehrheit – 83 Prozent dabei ein Höhepunkt – von der Korruption entmutigt waren. Nach Arafats Tod wählten die Palästinenser 2004 Mahmud Abbas zu ihrem neuen Präsidenten. Der Westen pries Abbas als den Anti-Arafat und der neue PA-Finanzminister Salam Fayyad wurde für seine Verpflichtung zur Reformen und Aufbau von Institutionen gelobt. Kontinuierlich erlangte er das Vertrauen des Westens.

Letztendlich konnte aber das Abbas-Regime das negative Image der PA unter ihrem eigenen Volk nicht loswerden. Die Hamas wusste, dass Korruption ein gewinnbringendes Thema war und stellte sich 2006 als Partei der sauberen Regierungsführung zur Wahl. Ihre Werbebotschaften, die die Fatah der Korruption, Vetternwirtschaft, Bestechung und Diebstahl bezichtigten, waren ausserordentlich erfolgreich. Als die Wahlergebnisse feststanden, konnte die Fatah, die die palästinensische Nationalbewegung jahrzehntelang beherrscht hatte, nur 45 von 132 Sitzen gewinnen. Gemäss dem Palestinian Center for Policy and Survey Research, war Korruption für 25 Prozent der Wähler das Wahlkampfthema Nr. 1.

Nach einem Bürgerkrieg konsolidierte die Hamas ihre Macht im Gazastreifen und der Westen fiel in seinen Panikmodus zurück und befürchtete eine ähnliche Übernahme im Westjordanland. Washington eilte Abbas mit Waffen, Geld und Informationen zur Hilfe.

Und zu diesem Zeitpunkt hat Abbas vermutlich begriffen, dass nur eine schwindend kleine Chance bestünde, dass der Westen seine Herrschaft über das Westjordanland je in Frage stellen würde. Dank der Bilanz an Selbstmordanschlägen und Raketenangriffen der Hamas erscheint das chronische Missmanagement der Gelder durch die Fatah äusserst unbedeutend.

Während Abbas‘ Patron also schwieg, nahm die PA Korruption rasch ihren Lauf. Anfang 2013 verdrängte Abbas Fayyad aus seinem Amt als Ministerpräsident und eliminierte damit die Vertrauensperson des Westens und brachte zugleich Fayyads Bemühungen, verantwortliche Institutionen aufzubauen, zum frühzeitigen Erliegen. Und eine EU-Wirtschaftsprüfung folgerte im Oktober 2013, dass die PA allein in den letzten vier Jahren 3.13 Mrd $ Finanzhilfe „falsch verwendet“ haben könnte.

An der Wahlurne und durch Gewalt abgelehnt, hat es Abbas dennoch nicht geschafft, die Lehren daraus zu ziehen. Es misslang ihm, die dysfunktionale PA zu reformieren und er zeigt keine Anzeichen, es in naher Zukunft zu versuchen. Und der Westen, süchtig nach Top-Down Friedensstiftung, zeigt nur geringes Interesse daran, dem palästinensischen Volk ernsthaft beim Erlangen einer Regierung zu helfen, die auf einer fairen und transparenten Zivilgesellschaft und Rechtssystem aufgebaut ist.

Abbas, und darauf sollte hingewiesen werden, wird nicht so schnell von der Bildfläche verschwinden. Vier Jahre nach Ablauf seiner Amtszeit als Präsident und ohne Wahlen in Aussicht, scheint Abbas entschlossen, sein Amt weiterzuführen.

Washington scheint von alle dem unbesorgt. Tatsächlich zeigt die neue Friedensinitiative von US-Aussenminister Kerry eine starke Bereitschaft, der PA Geld zuzuwerfen ohne einen Plan, der jahrzehntelangen Finanzmisswirtschaft ein Ende zu setzen. Im Mai 2013 kündigte Kerry an, die PA mit 4 Mrd $ Hilfsgeldern für das Erreichen eines Friedensabkommen zu belohnen, und die USA haben bereits 348 Millionen $ in 2013 der PA zukommen lassen.

Aaron David Miller, der zwei Jahrzehnte eng am israelisch-palästinensischen Friedensaufbau mitgearbeitet hat, sagte, dass Washington oftmals die Augen vor Machtmissbrauch der PA verschliesse, solange sie sich nur öffentlich weiter der friedensstiftenden Diplomatie verpflichte. „Korruption? Schrecklich“, sagte er. „Aber du musst den Friedensprozess am Leben halten.“

Lange Zeit war es der einzige Plan des Westens, auf Salam Fayyad und seine Bemühungen, in der PA aufzuräumen, zu setzen. Doch jetzt, da Fayyad rausgedrängt wurde, scheint es überhaupt keinen Plan mehr zu geben.

Heute überschlagen sich amerikanische Diplomaten, um die falschen palästinensischen Anführer zu beschwichtigen. Washingtons Ziel ist es, ein Friedensabkommen zu erreichen, schlicht und einfach, sogar wenn die palästinensische Regierung an der gleichen endemischen Korruption und Machtmissbrauch krankt wie immer. Es zu unterlassen, diese Themen anzusprechen, wird unweigerlich der gleichen Welle an Enttäuschung Antrieb geben, die die Hamas gewählt hat – ein Ergebnis, das genau jenes Friedensabkommen gefährden würde, dem Washington hofft, Vorschub zu leisten.

Kurzfassung der Originalversion: We Really Need to Talk About Corruption by Jonathan Schanzer © TheTower.org, December 2013.