Die Kluft zwischen der Vergangenheit und Gegenwart wächst im Nahen Osten schnell. Man denke nur an den Anachronismus namens Arabische Liga, die erst jüngst von US-Aussenminister John Kerry als „Partner“ im Friedensprozess bezeichnet wurde.
Allein der Gedanke, die Arabische Liga sei ein Partner und ihre neuste Mitteilung sind eine Anmahnung an den arabisch-israelischen Konflikt wie er einst war; eine Ära, als aufgebrachte Aussagen über die „Einheit“ mit Palästina ernst genommen, Palästinenser aber meistens ausgeschlossen wurden.
Die Arabische Liga wurde im März 1945 gegründet, ihre Charta mit standardisierten Worthülsen über die Stärkung der Beziehungen zwischen den Mitgliedsstaaten gefüllt. Aber ihr raison d’être war die Kontrolle der Palästina-Frage, wie der Anhang des Grundvertrages belegt, der Palästina zu einem der wichtigsten Themen der Liga macht.
Bereits 1937 wurde im syrischen Bloudan eine pan-arabische Konferenz abgehalten, „um die Pflichten der Araber in ihren Ländern zu untersuchen und effektive Massnahmen zu vereinbaren, um sich der Gefahr durch die Zionisten zu widersetzen.“ Dort wurde auch die Empfehlung der Peel Commission, Palästina in einen arabischen und jüdischen Staat zu teilen, abgelehnt und ein Boykott „aller jüdischer Waren und Aktivitäten“ vorgeschlagen.
Doch kurz nach Gründung der Liga machten sich Widersprüche breit. An der Inshas Konferenz 1946 erklärten arabische Herrscher: „Palästina ist arabisch und kann nicht von den restlichen arabischen Staaten abgetrennt werden…[und] es teilt sein Schicksal zusammen mit dem der arabischen Staaten.“ Im darauffolgenden Jahr nahmen Delegierte der Arabischen Liga in London die Vorstellung eines einheitlichen palästinensischen Staates jedoch an, in dem Juden als Minderheiten mit Vertretung anerkannt würden. Palästinenser unter dem Grossmufti Haj Amin al-Husseini und andere palästinensische Nationalisten weigerten sich, auch nur an dieser Konferenz teilzunehmen.
Die Bestrebungen des Muftis, das arabische Palästina zu regieren, kollidierten mit jenen von König Abdullah von Transjordanien, es zu annektieren. 1947 bildete die Liga die Arabische Befreiungsarmee, die in Israel nach dessen Unabhängigkeit einfiel, während Husseini und seine Militäreinheiten nur eine Nebenrolle spielten. Abdullah traf sich sogar heimlich mit zionistischen Vertretern.
Die beachtenswerteste Errungenschaft der Liga war der Boykott gegen Israel, der es Mitgliedsstaaten verbot, sowohl Wirtschaftsbeziehungen mit Israel als auch mit Staaten und Firmen zu unterhalten, die Handel mit Israel betrieben. Der Boykott beschränkte zwar die Investitionen, erreichte aber kaum sein Ziel, „letztendlich den Staat Israel zum kollabieren“ zu bringen. Stattdessen traf der Boykott arabischer Länder härter als Israel; der Entscheid 1966, Ford Motors nach einem Handelsabkommen mit Israel aus den arabischen Ländern zu vertreiben, kostete allein den Libanon 6.000 Arbeitsplätze.
Zu Palästina hatte die Liga immer eine äusserst extreme Haltung. Nach dem Camp David Abkommen 1979 schloss sie Ägypten aus der Liga aus und lehnte die Entscheidung des Gulf Cooperation Councils ab, die Handelsbeschränkungen mit Israel 1994 zu lockern. Und sie förderte die Schaffung der Palästinensischen Befreiungsorganisation 1964 und unterstützte eine Entität, die einem gewaltsamen Widerstand verpflichtete war, und deren Jagd auf arabische Staaten beinah gleich wie auf Israel.
Andere Aktivitäten der Arabischen Liga sind inkohärent und hoffnungslos gespalten gewesen. Die Libanon-Krise 1958 entschärfte sie nicht, obwohl sie im jemenitischen Bürgerkrieg von 1962 – 1970 eine wichtige Rolle spielte. Sie unterstützte den Irak gegen den Iran, war aber wegen des ersten Golfkrieges gespalten und ihre Lösung für den libanesischen Bürgerkrieg bestand darin, die syrische Machtübernahme und eine fast drei Jahrzehnte andauernd Besatzung zu gestatten. Die Liste der Versagen reicht bis zur aktuellen Krise in Syrien.
Die Vereinnahmung von Palästina diente höheren Zwecken; Palästina war ein Fetisch, aber nie gleichbedeutend mit der Voranbringung des palästinensischen Nationalprojekts. Geteilte Empörung verhalf, ein gemeinsames Gefühl von „Arabisch-Sein“ sowie ausgeprägte syrische, irakische oder andere nationale Identitäten zu generieren, trug aber nur wenig Positives bei; abgesehen von der kontinuierlichen Ablenkung der Aufmerksamkeit weg von den korrumpierten, repressiven Regimen nach aussen.
Die Routine der Arabischen Liga hält an, doch der palästinensische Fetisch wurde vom UN und EU Apparat und US-Diplomaten übernommen, die den „Palästinensismus“ und den Friedensprozess auf eine Art und Weise institutionalisiert haben, von der die Arabische Liga nur träumen kann.
Die Kontrolle über das eigene nationale Schicksal abzugeben, ist Teil der palästinensischen Kultur geworden. Manchmal glauben Palästinenser tatsächlich, sie seien die überragende pan-arabische oder pan-islamische Causa. Ansonsten gewährt es ihnen gerade mal Deckung für ihre eigene Unentschlossenheit und Spaltung oder dem gewohnten Gang.
Der Status Quo und die „Besatzungs“-Rhetorik halten den Geldfluss am Laufen und vertagen schwierige Entscheidungen zu Selbstregierung und Eigenverantwortlichkeit. Und die Unnachgiebigkeit der Arabischen Liga in Sachen Israel hilft dabei, den Frieden unmöglich, aber profitabel zu machen.
Doch Staatsversagen, der “Arabische Frühling” und nun der schiitisch-sunnitische Bürgerkrieg haben den Kreislauf durchbrochen, zumindest einstweilen. Und in tiefster Ironie sind die Juden nützlicher als Alliierte der Sunniten, statt als wie kosmische Feinde, während die Palästinenser weder besonders relevant noch interessant sind.
Je schneller jeder, auch die Palästinenser selbst, zugibt, dass die Arabische Liga ein Hindernis ist, desto schneller könnte ein ausgehandelter Frieden mit Israel tatsächlich eintreffen.
Kurzfassung der Originalversion: The Arab League and peace, after 68 years by Alexander H. Joffe © Middle East Forum/Times of Israel, January 9, 2014.