‚Kristallnacht‘ als politisches Instrument

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Gedenkveranstaltungen zur Kristallnacht wurden bereits in der Vergangenheit als politisches Instrument missbraucht, statt der jüdischen Opfer zu gedenken. So auch in diesem Jahr. Die Manipulation dieses Gedenktags in Deutschland reicht einige Jahre zurück. Am 9. November 1969 beschmierte eine links-anarchistische Gruppe ein jüdisches Denkmal mit einem Graffiti „Shalom und Napalm“ oder „El-Fatah“. Dazu wurde das jüdische Gemeindezentrum in Berlin mit einer Brandbombe beworfen. Diese Gruppe war der Meinung, dass „Juden, die vom Faschismus vertrieben worden waren, nun selber zu Faschisten geworden sind und in Kollaboration mit dem amerikanischen Kapitalismus versuchen, das palästinensische Volk zu vernichten.”[1]

Und 2010 lud die Oberbürgermeisterin von Frankfurt, Petra Roth (CDU), den Holocaust-Überlebenden Alfred Grosser ein, die Rede zur Kristallnacht-Gedenkveranstaltung in der Frankfurter Paulskirche zu halten. Grosser, ein in Deutschland geborener französischer Intellektueller, fördert zwar die Versöhnung zwischen Deutschen und Franzosen, aber er ist auch ein allseits bekannter Israel-Gegner. Seine Rede nutzte er, um Parallelen zwischen dem Verhalten der Nazis und Israel zu ziehen.[2]

Auch in diesem Jahr erweckte eine manipulierte Kristallnacht-Gedenkveranstaltung grosse Aufmerksamkeit. Der Berlin-Korrespondent der Jerusalem Post, Benjamin Weinthal, beschrieb en détail eine Gedenkkonferenz im Jüdischen Museum Berlin, zu der der britisch-jüdische Israel-GegnerBrian Klug als Hauptredner eingeladen war.[3]

Doch die Ausnutzung von Gedenkveranstaltungen zur Kristallnacht ist nicht auf Deutschland beschränkt. In Wien wurde 2003 eine Gedenkveranstaltung von Mitgliedern der Gruppe Sedunia unterbrochen. Mit Megaphonen störten sie die Veranstaltung und mussten von Teilnehmern rausgedrängt werden. Sedunia ist eine Organisation von Muslimen und österreichischen Konvertiten zum Islam.[4]

In den Niederlanden nahm im selben Monat Gretta Duisenberg, die Witwe des früheren Präsidenten der Europäischen Zentralbank, an einer Kundgebung auf einem zentralen Platz in Amsterdam teil. Sie zählt zu den führenden Aufhetzern gegen Israel in den Niederlanden. An dieser Demonstration war ein Checkpoint für Palästinenser nachgebaut. Nur die Teilnahme eines palästinensischen Selbstmordattentäters hätte sie noch realistischer gemacht.

Vor einigen Jahren begann die jüdische Gemeinde in den Niederlanden ihre eigenen Gedenkveranstaltungen zur Kristallnacht in Amsterdam zu organisieren. Die parallel verlaufende Gedenkveranstaltung, die von Linken beherrscht wird, verharmlost zeitgenössischen Antisemitismus und fokussiert sich auf Rassismus im Allgemeinen. Muslimische Organisationen waren auch vertreten, oftmals um Islamophobie zu bekämpfen. Doch sprechen sie nicht über die Tatsache, dass die grösste Gewalt in den Religionen weltweit aus einigen muslimischen Gesellschaften entstammt. In diesem Jahr werden mindestens 65‘000 Muslime von anderen Muslimen in einer Vielzahl von arabischen Staaten umgebracht werden. Auch sprechen sie nicht von der Verwicklung von Muslimen in antisemitische Vorfälle in Europa, deren Anzahl im Verhältnis zum Anteil der muslimischen Einwohner an der Gesamtbevölkerung weitem höher ausfällt. Eine jüngste Studie der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte hat das erneut bestätigt.[5]

Schweden und Norwegen

Gelegentlich spielen muslimische Vereinigungen und linke Organisationen zusammen eine wichtige Rolle bei der Ausnutzung der Kristallnacht. Im schwedischen Helsingborg weigerte sich 2012 die jüdische Gemeinde, an einer Gedenkveranstaltung teilzunehmen. Die lokale Zeitung Helsingborgs Dagblad merkte an, dass der Gemeindevorsteher Jussi Tyger sagte, die Gedenkveranstaltung werde von linken Parteien und Muslimen organisiert, die bekannt dafür seien, sich gegen Juden äusserst rassistisch zu äussern.[6]

Im norwegischen Bergen fällt der Gedenktag nicht auf den Tag der Kristallnacht, sondern auf den 26. November – an diesem Tag lief der Frachter Donau mit 552 Juden an Bord von Oslo aus, die Mehrheit von ihnen wurde in den Vernichtungslagern ermordet. Sie wurden nicht von den deutschen Besatzern festgenommen, sondern von der norwegischen Polizei. Letztes Jahr sprachen Audun Lysbakken, Chef der Sozialistischen Partei, und der ehemalige Ministerpräsident Kåre Willoch an dieser Gedenkveranstaltung, beide berüchtigte Israel-Gegner. Das war eine weitere Form der Ausnutzung des Gedenken an den Holocaust: extreme Israel-Feinde versuchen ihren Ruf reinzuwaschen. Die Juden in Bergen blieben der Veranstaltung fern. Ein amerikanisch-norwegischer Jude, der über Jahre diesen Event mit jüdischen Gebeten und einer eigenen Komposition begleitet hatte, schrieb auf seiner FB-Seite: „Ich weigere mich am gleichen Programm teilzunehmen wie Kåre Willoch. Sie hätten keinen unangebrachteren Redner für diese Holocaust-Gedenkveranstaltung finden können.“ Seinen amerikanischen Freunden erklärte er auf English, dass Willoch „extrem anti-israelisch eingestellt ist und einige schreckliche antisemitische Kommentare abgegeben hat.” [7]

In diesem Jahr hat Florence Aryanik, eine junge Frau iranischer Abstammung und Nichtjüdin, sich gegen ihre Teilnahme an der Gedenkveranstaltung in Oslo entschieden und sagte ihre Rede ab, nachdem sie zuvor am Tag eine Todesdrohung erhielt.[8]

In Stavanger sprach der ehemalige stellvertretenden Bürgermeister der Arbeitspartei Odd Kristian Reme. Er trug einen palästinensischen keffiyah-Schal. Der Vorsitzende der Osloer Jüdischen Gemeinde, Ervin Kohn, verurteilte das und sagte, dass das Hervorheben anderer politischer Themen ein Missbrauch dessen sei, was den Juden widerfahren ist.[9]

International

Die Ausnutzung der Kristallnacht erfolgt auch auf breiterer Ebene. Anne Bayefski, eine Beobachterin der UN, schrieb: „2002 und 2003 sagte der algerische Delegierte der UN Kommission für Menschenrechte, dass israelische Aktionen die Kristallnacht täglich wiederholen. Ferner sagte er, dass Palästinenser Nummern auf ihre Arme gemacht hätten und sich fragten, wie lang man wohl warten müsse, bis die Israelis ein Massaker wie in Babi Yar verüben würden. Kein Staat ausser Israel beachtete diese Aussage.”[10]

Doch es gibt noch eine andere äusserst verzerrende Form des Gedenkens, nämlich der regelmässige Vergleich einer möglichen ökologischen Katastrophe mit dem Holocaust. 1989 veröffentlichte Al Gore, damals noch Senator von Tennessee, einen Leitartikel in der New York Times mit dem Titel „Eine ökologische Kristallnacht. Hör hin“. Gore rief die Menschheit auf, die Warnung zu beherzigen: „… die Beweise sind so klar wie die das zerklirrende Glas in Berlin.”[11]

Die aufgeführten Beispiele sollten in breiterem Zusammenhang gesehen werden: die Verbreitung und die zunehmende Ausnutzung des Gedenken an den Holocaust in seiner Gesamtheit.

Dr. Manfred Gerstenfeld ist Mitglied des Aufsichtsrats des Jerusalem Center of Public Affairs, dessen Vorsitzender er 12 Jahre war.


[1] Bommi Baumann, Wie alles anfing (Frankfurt am Main, 1976). As quoted in Susanne Urban, Being Leftist and Anti-Semitic in Germany, P&A, 32, 1 May 2005
[2] Manfred Gerstenfeld interviews Benjamin Weinthal, “Germany Bestows Awards Upon Anti-Israel Inciters,” Israel National News, 27 January 2013
[3] Benjamin Weinthal, “Inclusion of anti-Israel speaker at Berlin conference on ways to tackle anti-Semitism sparks uproar,” The Jerusalem Post, 6 November 2013.
[4] http://no-racism.net/article/1008/.

[5] FRA report Discrimination and hate crime against Jews in EU Member States: experiences and perceptions of antisemitism

[6] “Inget judiskt deltagande när Kristallnatten ska uppmärksammas,” Helsingborgs Dagblad, 7 November 2012 [Swedish].
[7] McGonagall, “No let-up for Norwegian Jews; Israel bashers Willoch and Lysbakken tapped to give speeches at Holocaust memorial event,” Norway, Israel and the Jews, 13 November 2012.
[8]Richard Orange, “Kristallnacht Speaker Receives Death Threats,” The Local- Norway, 11 November 2013.
[9] Conrad Myrland, “Prest holdt appell i Palestinaskjerf på jødemarkering,” MIFF, 11 November 2013.
[10] Manfred Gerstenfeld interviews Anne Bayefsky, “The United Nations: Leading Purveyor of Anti-Semitism, P&A, 31, 1 April 2005.
[11]Al Gore, “An Ecological Kristallnacht. Listen,” New York Times, 19 March 1989.

3 Kommentare

  1. Ich habe mir den Vortrag von Brian Klug von Berlin "angetan". Er spielt auf hohem Niveau das Instrument der Sprache und klingt, vor allem dann, wenn man nur zuhören, aber nicht mitlesen kann, absolut überzeugend in allem, was er entwickelt und erzählt. Der Besucher, der genau das hören möchte, was er bereits im Kopf hat, kann applaudieren und beglückt nach Hause gehen. Der Besucher, der noch ohne ein Bild im Kopf kam, wird mit einem neu entstandenen Bild heimgehen. Dieser Besucher ist der Erfolg, den Klug sucht. Der dritte Besucher, der kritisch ist und versucht, zwischen den Zeilen zu lesen, der auch ein Bild im Kopf hat, nur eben ein ganz anderes, der wird unzufrieden heimgehen. Die antisemitischen Ausfälle Klugs sind so geschickt verpackt, dass man sie leicht überhören kann. Um sie zu erkennen, muss man die Rede wirklich lesen.

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