König Erdoğans Wahnsinn

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Recep Tayyip Erdogan. Foto Cologny - World Economic Forum Annual Meeting Davos 2006. Lizenziert unter CC BY-SA 2.0 über Wikimedia Commons.
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Seit der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan die islamistische Terrororganisation Hamas 2006 kurz nach ihrem Sieg in den palästinensischen Legislativwahlen nach Istanbul einlud, haben sich die Beziehungen zwischen der Türkei und Israel verschlechtert.

Wiederholte Male nutzte Erdoğan das palästinensische Thema aus, um Propagandapunkte zu sammeln – sowohl bei sich zuhause als auch in der arabischen und muslimischen Öffentlichkeit – und hat eine strategische Allianz seinem Stolz geopfert, insbesondere nach der israelischen Militäroperation im Gazastreifen Ende 2008 und dem Mavi Marmara-Vorfall im Juni 2010.

Und obwohl seine bösartigen Tiraden zunehmend mit einer anti-israelischen Rhetorik flirtete, traf der ungestüme Still Erdoğans auf der internationaler Bühne nur auf wenig Widerstand innerhalb der Türkei. Selbst als er seine persönliche Feindseligkeit in einer Debatte mit dem israelischen Präsidenten Shimon Peres zum Ausdruck brachte und diesen auf der Bühne des WEF in Davos abrupt sich selbst überliess, oder als er in Istanbul ein Scheingericht gegen israelische Armeeangehörige einrichtete, wagten es nur wenige, das Kind beim Namen zu nennen: politischer Wahn und Selbstverstümmelung.

Als ob man einerseits irrational und gleichzeitig an allen anderen Fronten vernünftig handeln könnte – die türkische Gesellschaft stand hinter Erdoğan. Schliesslich schien seine regionale Aussenpolitik kurzfristig Dividenden auszuzahlen – die türkische Wirtschaft blühte, der Handel mit dem Iran boomte, die Beziehungen mit Syrien tauten auf und die Beliebtheit in der arabischen Welt wegen des Eintreten gegen Israel nahm zu und verlieh der Türkei die flüchtige Illusion, sie könnte die Rolle als regionale Supermacht zurückgewinnen, die sie mit dem Untergang des Osmanischen Reiches verloren hatte.

Wahnsinn kann leider nicht unterteilt werden. Erdoğan’s letzter Ausbruch ist das Symptom eines verschwörungstheoretischen Verstandes, der den Bezug zur Realität verloren hat: Er beschuldigte Israel hinter dem Militärcoup in Ägypten zu stehen, wofür er als einziger Beweis ein öffentliches Gespräch zwischen dem französischen Intellektuellen Bernard Henri-Levy und der israelischen Justizministerin Tzipi Livni vor zwei Jahren zitierte (als Livni der Opposition angehörte). Ein weiteres Symptom waren die unentwegten und obsessiven Anschuldigungen von Erdoğan und einigen seiner Minister, die im Juni verlautbaren liessen, dass die Proteste im Gezi Park von ausländischen Agenten orchestriert worden sind.

Die Türken sollten ihre Augen gegenüber der Tatsache öffnen, dass Erdoğans Besessenheit mit Verschwörungen die Reflektion eines Mannes ist, der unfähig ist, der Realität ins Auge zu blicken – und die zunehmend verheerenden aussenpolitischen Ergebnisse seiner Handlungen sind Folgen seiner Denkweise, ganz zu schweigen vom Schaden, den er der türkischen Demokratie zugefügt hat. Die Entscheidung der Türkei, mit dem Iran und der Muslimbruderschaft zu liebäugeln, islamistische Rebellen in Syrien zu unterstützen, die strategische Beziehung mit Israel vor die Hunde zu werfen und Spannungen wegen Zypern verstärken, gehen alle nach hinten los.

Es war ein Leichtes, seine anti-israelische Haltung als clever oder exzentrisch abzutun, als die türkische Aussenpolitik einen Erfolg nach dem anderen verbuchte. Jetzt, wo dies alles zu scheitern scheint, ist die türkische die türkische Gesellschaft vielleicht fähig zu erkennen, dass ein Mann, der überall düstere Verschwörungen sieht, seinem Land nicht gut dienen kann – und dass der Schaden, den er israelisch-türkischen Beziehung zugefügt hat, wesentlicher Bestandteil des Schaden ist, den er dem ganzen Land zufügt.

Originalversion: The Madness of King Erdogan by Emanuele Ottolenghi © The Commentary Magazine, August 20, 2013.