Der Schweizer Menschenrechtsdialog mit dem Iran

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Todesstrafe für Mahmoud Asgari und Ayaz Marhoni. Foto Iranian Students News Agency. Lienziert unter Fair use via Wikipedia.
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Seit gut 10 Jahren führt die Schweiz einen „Menschenrechtsdialog“ mit der Islamischen Republik Iran. Anlässlich seines Besuches im Oktober 2002 hatte der damalige Bundesrat Josef Deiss sein Interesse an einem solchen Dialog bekundet – ein Angebot, das die iranischen Machthaber offenbar nur allzu gerne annahmen. Bereits ein Jahr später fanden die ersten Konsultationsgespräche statt, im Rahmen derer folgende Themenschwerpunkte vereinbart wurden:

Körperstrafen, die Todesstrafe, die Probleme mit dem iranischen Gefängniswesen, sowie die Ratifizierung internationaler Menschenrechtsinstrumente.

Interessant an diesem Dialog ist nicht zuletzt, dass offensichtlich nicht sämtliche Kriterien erfüllt sind, die von der Politischen Abteilung IV des Eidgenössischen Departements des Äusseren für die Aufnahme eines Menschenrechtsdialoges vorgegeben werden. Der Think-Tank FORAUS (Forum Aussenpolitik) äusserte nicht zuletzt deshalb den Verdacht, dass die Aufnahme des Dialogs politisch motiviert und nicht zuletzt den Beziehungen von Josef Deiss zum Iran geschuldet waren.

Bislang haben vier Dialogrunden stattgefunden, die jedoch keine Erfolge verzeichnen konnten.. Wie FORAUS in seinem Diskussionspapier schreibt, strebte man etwa die Abschaffung der Todesstrafe an. Wie wenig realistisch eine solche Zielsetzung war, zeigte sich an den Hinrichtungswellen der vergangenen Jahre; allein 2012 wurden nach offiziellen Angaben 360 Menschen hingerichtet, Amnesty International schätzt die Zahl weiterer Hinrichtungen auf 274, ferner ist auf eine Dunkelziffer von Gefangenen zu verweisen, die heimlich exekutiert wurden. Später wollte man sich dann auch noch für Minderheiten wie Bahai oder politische Dissidenten einsetzen. Doch in einem Diskussionspapier von 2010 stellte die Gesellschaft für bedrohe Völker (GfbV) mit Ernüchterung fest, dass die Bereitschaft des Iran „zu einem echten Dialog über Menschenrechte […] angesichts seiner brutalen Politik der Repression gegenüber der eigenen Oppositionen klar in Frage gestellt“ sei. Zudem habe der Iran wenig Interesse an einem Dialog gezeigt, weshalb in Anbetracht der „permanenten massiven und systematischen Verletzung grundlegender Menschenrechte […] jede offizielle Einladung zu einer nächsten Dialogrunde von iranischer Seite als offensichtliche Farce“ erscheine.

Es ist nur folgerichtig, dass sowohl FORAUS als auch GfbV empfehlen, den Menschenrechtsdialog unter diesen Umständen nicht fortzuführen. Ihre Begründungen dafür sind aber nicht unproblematisch. Beide Organisationen weisen darauf hin, dass im Jahr 2003, als der Menschenrechtsdialog aufgenommen wurde, „reformorientierte Kräfte an der Macht waren“ (GfbV), während danach das „diktatorische Regime unter Ahmadinedschad auf der Gegenseite“ (ebd.) stand. Im Umkehrschluss könnte das allerding bedeuten, dass nun mit dem neuen Präsidenten Hassan Rouhani – der in westlichen Medien als „moderat“ gehandelt wird-, – wieder die Möglichkeit zu einem Dialog besteht.

Doch als Säule des Regimes ist Rouhani alles andere als moderat. Allein zum Thema Israel zeigt sich Rouhani in der Tradition des iranischen Regimes verhaftet: er wird mit dem Attentat auf das jüdische Gemeindezentrum in Buenos Aires 1994 in Verbindung gebracht und seine moderate Seite hat er mit einer Bemerkung zu Israel präsentiert, das er als „alte Wunde, die beseitigt werden muss“ bezeichnete. Ihn als moderat anzusehen, verkennt zudem, dass es nicht zuletzt Ayatollah Khamenei ist, der im Iran den Ton angibt und ohne dessen Einwilligung sich von offizieller Seite nichts ändern wird.

Doch das Problem mit dem Menschenrechtsdialog ist ein viel grundsätzlicheres. Die Schweiz hat weder die Mittel noch den Willen, bei Ländern von der Grösse Irans oder gar Chinas auf tatsächliche Verbesserungen der Menschenrechtslage zu drängen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass das kleine Land aus Europa nicht einmal ansatzweise als Dialogpartner ernstgenommen wird. Da aber die Schweiz international noch immer einen ausgezeichneten Ruf in Sachen Demokratie, Humanität und Menschenrechte geniesst, trägt sie mit solchen Dialogrunden dazu bei, Regime wie den Iran zumindest indirekt aufzuwerten, wie auch die GfbV zu recht anmerkt. Mit der Aufrechterhaltung eines Dialoges verleiht sie dem Iran in seinen vermeintlichen Bestrebungen in Sachen Menschenrechte zusätzliche Legitimität, wofür bereits die UNO und insbesondere ihr berüchtigter Menschenrechtsrat sorgt. Die daraus erfolgende Pervertierung der universellen Menschenrechte, unter der letztlich vor allem Minderheiten und Oppositionelle innerhalb dieser Ländern zu leiden haben, sollte gerade einem Staat, der sich stets seiner „humanitären Tradition“ rühmt, zu denken geben.

Statt also angesichts des neuen iranischen Präsidenten sich falschen Illusionen über einen baldigen Wandel hinzugeben, gälte es vielmehr, sich zu vergegenwärtigen, dass die Islamische Republik Iran schon aus Prinzip nie als Garant für eine befriedigende Menschenrechtslage wird gelten könne – etwa weil sie sich auf die Scharia als primäre Rechtsquelle beruft und unbarmherzig Oppositionelle und Minderheiten verfolgt, die es wagen, ihre Macht herauszufordern. Die Antwort auf die Menschenrechtslage im Iran kann folglich nicht Dialog lauten, sondern stattdessen die konsequente, weltweite Herausforderung des Regimes.

Über Michel Wyss

Michel Wyss ist freischaffender Analyst bei der Audiatur-Stiftung und beschäftigt sich hauptsächlich mit Sicherheitspolitik im Nahen Osten. Er absolviert derzeit ein MA-Studium in Government mit Fokus auf Internationale Sicherheit am Interdisciplinary Center in Herzliya, Israel und ist als Research Assistant beim International Institute for Counterterrorism (ICT) tätig.

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