Unter aller Kritik

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Ein ehemaliger Schweizer Diplomat veröffentlicht ein Buch über den israelisch-palästinensischen Konflikt, den er als „Mutter aller Nahostkonflikte“ verstanden sehen will. Das Werk ist weniger originell als es sich anhört.

Bereits die Einleitung lässt aufhorchen: Sein Buch „Wir haben nur dieses Land“ sei die „Frucht seiner fast fünfzigjährigen Beschäftigung mit dieser Thematik“, schreibt Kurt O. Wyss. Da will sich einer in den Olymp der Nahostexperten aufschwingen, denkt man fast schon anerkennend. Doch allzu schnell entpuppt sich diese eigentlich sehr spannende Ausgangslage als dreister Etikettenschwindel.

Kurt O. Wyss zitiert gerne und viel, und allzu oft hält er es nicht für notwendig, wortwörtlich übernommene Passagen überhaupt als Zitate auszuweisen. Sein Buch „Wir haben nur dieses Land“ schmückt sich über weite Passagen mit fremden Federn und es ist unmöglich festzustellen, welche Gedanken von Wyss selbst stammen und welche er von jemand anderem übernommen hat. Zumal er teilweise Sätze kopiert, ohne deren Urheber überhaupt im Literaturverzeichnis zu erwähnen.

Wyss kopiert nicht nur Zitate, die oft nur von Sekundärquellen stammen, ohne expliziten Verweis, er verfälscht diese auch und verdreht Aussagen. Wenn Menachem Begin laut Avraham Burg die PLO „als widerwärtige und verabscheuenswürdige bewaffnete Organisation“ bezeichnet, streicht Wyss einfach das bewaffnet weg. Und aus einer „Waffenruhe“, über die der getötete Hamas-Kommandant Ahmad al-Jabari mit einem israelischer Unterhändler gemäss Claudia Kühner verhandelt habe, macht er eine „ausgehandelte Waffenruhe“. Der besagte Unterhändler übrigens war der Friedensaktivist Gershon Bashkin, der gar nicht über ein offizielles Mandat verfügt, etwas auszuhandeln. Weitere Beispiele gibt es zuhauf, doch ist es blosse Zeitverschwendung, auf diese einzugehen.

Auch inhaltlich steht es nicht besser um das Buch. Wyss, der sich in der Einleitung verbitten lassen will, als Antisemit bezeichnet zu werden (er habe schliesslich auch jüdische und israelische Freunde), stellt mehrfach Verbindungen zwischen dem Zionismus und dem Nationalsozialismus her oder unterstellt dem israelischen Ministerpräsident Netanyahu, dieser betrachte Palästinenser als „Untermenschen“. Belegen kann Wyss s diese ungeheure Behauptung selbstverständlich nicht; vielmehr handelt es sich dabei um ein völlig verdrehtes Zitat aus einem Buch von Robert Fisk, der wiederum den ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton zitiert. Clinton soll gemäss Fisk an einem privaten Abendessen gesagt haben, Netanyahus grösste Schwäche sei, die Palästinenser nicht als Mitmenschen, sondern vielmehr als Untertanen zu sehen.

Wie wenig Ahnung Wyss von der Thematik hat, offenbart sich unter anderem dann, wenn er über die äusserst komplexe Wasserproblematik schreibt und sich dabei auf gerademal zwei Zeitungsartikel (!) stützt. Doch wer braucht schon detaillierte Information und Originalquellen, wenn bereits im Vornerein festgelegt ist, dass der ganze Konflikt nur einen Schuldigen kennt: Israel, natürlich. Zwar behauptet er, Israel das Selbstverteidigungsrecht nicht absprechen zu wollen, nur um zugleich jede militärische Aktion Israels zu verdammen. Im Gegenzug dazu werden Hamas und Hisbollah zu friedliebenden Organisationen, deren „Progressivität“ auf das „multikulturelle Umfeld“ zurückzuführen sei, in dem sie sich bewegten. Zumindest kann man Wyss zugutehalten, dass er sich bemüht hat, sämtliche Klischees, die Scharen von Nahostexperten und -korrespondenten seit jeher zum Besten geben, in einem einzigen Buch zu versammeln.

Dennoch muss man sich fragen, was den alt Botschafter, der in Bern und London Geschichte studiert hat, und den Stämpfli Verlag dazu bewegte, ein Werk zu veröffentlichen, das bei jeder Universität als Plagiat durchfallen würde.

Schliesslich blieb es dem Verfasser des Vorwortes, Arnold Hottinger, überlassen, dem Ganzen noch das Sahnehäubchen aufzusetzen. Er wird auf der Rückseite des Buches wie folgt zitiert: „Das Buch ist ebenso gut recherchiert wie zutreffend, wirklich sehr gut. Ich stimme bis in alle Details zu.“

Um es mit Karl Kraus zu sagen: Diese Aussage ist so falsch, dass nicht einmal ihr Gegenteil richtig wäre. Spätestens hier stellt sich denn auch die Frage, ob das Buch vielleicht gar nicht ernst  gemeint ist und Kurt O. Wyss stattdessen eine glänzende Parodie auf das deutschsprachige Nahost-Expertentum verfasst hat. Das wiederum wäre zu schön, um wahr zu sein.

Kurt O. Wyss: Wir haben nur dieses Land. Stämpfli Verlag AG, Bern. 288 S. ISBN 978-3-7272-1259-8.

9 Kommentare

  1. Sehr geehrter Herr Meyer,
    Ihr Kommentar passt gut zu diesem Artikel: er ist unter aller Kritik. Herr Dr. Kurt O. Wyss ist ein begabter Copy-Paster und talentierter Fussnöterich. Dafür hat er keine Ahnung über die Politik in Israel und vom Nahen Osten. Dümmer gaht's nümmer. Und so was war im diplomatischen Dienst der Schweiz?

  2. Insiderinformationen könnten wir nun wirklich nicht ausmachen. Da setzen wir uns lieber mit den Beiträgen von Claudia Kühner, Monika Bolliger und anderen auseinander, die Herr Wyss angegeben hat. Die sind wenigstens originell, Wyss schreibt sie nur ab.

  3. Liebe Audiatur-Redaktion,

    Ihr seht wieder einmal Eure Position nicht.
    Ein Schweizerischer Alt-Botschafter schreibt keine Karriere-Publikation. Ihn mit Plagiats-Vorwürfen anzumachen ist daher eine Entgleisung. Ihr könnt sicher sein, dass er nicht abschreibt, sondern über Insiderinformationen verfügt, die er halt irgendwo in publiziertem Material festmachen muss um das zu etwas zu verstecken.
    Er ist ausserordentlich gut informiert über langfristige Strategien der Israelischen Rechten (und daher der jetzigen Netanjahu-Administration). Näher an diese Informationen kommt man aus öffentlichen Quellen nicht.

    Ihr habt da überhaupt nichts "nachgewiesen".

    Merke: Wer Kurt O. Wyss so anpinkelt ist selbst ein Hund.

  4. Sehr geehrter Herr Meyer,

    Sie scheinen die Kritik nicht zu verstehen. Es geht darum, dass sich Kurt O. Wyss des Plagiarismus schuldig macht, dass er Aussagen verfälscht und verdreht und sogar Zitate fälscht, wie in der Rezension anhand von Beispielen nachgewiesen wird.

  5. Sehr geehrter Herr Scheiner,

    Ihre Montagetechnik macht jede Diskussion zuschande.
    Schon Adolf Hitler hat den Trick verwendet, Bezüge auf jüdische Feinde durch Material aus den angeblichen "Protokollen" anzureichern, nachdem ihm Rosenberg (Stürmer-Herausgeber) davon berichtet hatte.
    Ausserdem könnten Sie einmal einen Blogeintrag schreiben: "Alle Gojim und Schiksen sind ohnehin KommunistInnen, weil sie von LINKS (SIC!) her schreiben". Was ja nach Ihrer Dialektik dann alles beweist.

    Das Buch kann ich nur empfehlen! Es enthält im übrigen schon 487 Fussnoten zu verwendeter Literatur. Will die Audiatur-Redaktion wirklich noch mehr Faktenhuberei ???

    Konzentrieren Sie sich beim Lesen bitte auf die Beziehungen Israel-Iran. Kaum jemand in Europa versteht hier Israel's Regierung noch. Fragen sie den Botschafter in Wien als Referenz dazu.

  6. Sehr geehrter Herr Meyer

    Die Rezension wurde grösstenteils von mir verfasst. Es handelt sich hierbei keineswegs um eine Privatfehde (auch bin ich nicht, wie man des Namens wegen annehmen könnte, mit dem Autoren des Buches verwandt), sondern um eine Buchkritik, die sich an jenen Masstäben orientiert, die bei Buchkritiken normalerweise zur Anwendung kommen. Die Kritik fällt – zugegeben – harsch aus, was aber einzig und allein dem Gegenstand der Kritik geschuldet ist. Man muss nicht einmal auf den Inhalt eingehen, um erkennen zu können, dass diese Ausführungen nicht das Papier wert sind, auf dem sie gedruckt wurden. Wyss' Vorgehensweise ist unsachlich und unwissenschaftlich und damit tut er weder sich, dem Verlag, noch seinem Anliegen einen Gefallen. Peinlich dürfte dies auch Arnold Hottinger und Erich Gysling sein, die vom Buch offenbar so angetan waren, dass sie nicht bemerkt haben, welch fauler Budenzauber hier aufgeführt wird.

    Wenn Sie – die Rolle des naiven Lesers nehme ich Ihnen übrigens nicht ab – diese Angelegenheit weiter diskutieren wollen, lade ich Sie herzlich ein, mich via Mail zu kontaktieren(Adresse gebe ich auf Anfrage bekannt).
    Freundliche Grüsse,
    Michel Wyss

  7. Drei Bemerkungen über das Buch. Erstens, der Verfasser, Herr Dr. Kurt O. Wyss, behauptet, er wäre kein Antisemit. Aus Erfahrung weiss ich, dass, wer immer behauptet, er habe „auch“ jüdische oder sogar israelische Freunde, der ist ein Antisemit. Wer dermassen lügt und verleumdet wie Herr Dr. Kurt O. Wyss in seinem Buch, ist besessen vom Hass auf Juden und auf Israel. In seinem Buch sind nur die Seitennummern korrekt.

    Zweitens, kommt mir ein weiteres Buch in den Sinn. Es ist das noch üblere und noch verlogenere Machwerk des ehemaligen zaristischen Geheimdienstes: Die Protokolle der Weisen von Zion. Auch dieses Buch basiert nur auf Lügen und dient nur dazu, Juden (und damit auch Israel) zu verleumden. Dieser Schund hat wenigstens nur einige Dutzend Seiten, und nicht 288, voll unerträglichem Quatsch.

    Drittens, Herr Dr. Arnold Hottinger, der das Vorwort verfasst hat, ist wohl ein bekannter Islam- und Arabienexperte. Aber auch er ist besessen vom Hass auf Israel und wohl auch auf Juden. Dies ist in vielen Veröffentlichungen von „Arnold of Arabia“ ersichtlich. Wann erscheint sein letztes Buch: Die sieben Lügen der Dummheit?

  8. Herr Kurt O. Wyss bringt eine Behauptung ins Spiel ("Laut Müllers Umfeld hätte Sacha Wigdorovits den Nationalrat im Auftrag des jüdischen Staates politisch kaltstellen sollen"), die offensichtlich auf persönlichen Meinungen beruht und für die er selber keinen einzigen Beleg erbringt. Aber das hält er vermutlich auch nicht für notwendig, Hauptsache die Behauptung steht im Raum.

    Es wäre uns neu, dass es sich hier um eine Insider-Fehde handeln sollte, dafür müsste man ihn überhaupt kennen! Nun, jetzt wissen wir, wer er ist.
    S. Hoffmann, Audiatur-Online

  9. Auf Seite 188 bezeichnet das Buch zudem AUDIATUR als (Israel-?-) Lobby von Herrn Wigdorovits und ab Seite 190 werden Professor Stegemann's Christliche Zionisten durch den Kakau gezogen.

    Das sieht dann aber nach einer Insider-Fehde aus, die für uns naive Leser nicht so ganz transparent wird. Wenn die Buchkritik wenigstens unterschrieben wäre ….

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