„Schweigen ist eine Massenvernichtungswaffe“

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Marina Nemat. Foto M.Wyss
Lesezeit: 4 Minuten

Bereits zum 5. Mal fand vergangene Woche der Geneva Summit for Human Rights and Democracy statt. Audiatur-Online war mit dabei.

Kurz vor der alljährlichen Session des UN-Menschenrechtsrates tagte im internationalen Kongresszentrum (CICG) in Genf einmal mehr der Geneva Summit, der „den Opfern von Menschenrechtsverletzungen eine Stimme geben will“, wie es Hillel Neuer, Executive Director von UN Watch und Organisator des Summits, zur Eröffnung der Tagung ausdrückte. Er war nicht der einzige, der mehr oder minder subtil Kritik am UN Menschenrechtsrat anklingen liess. Der ehemalige US-Botschafter und Chair von UN Watch, Alfred H. Moses, warnte vor den Gefahren eines kulturellen und moralischen Relativismus und insistierte darauf, dass die Menschenrechte universell zu gelten hätten.

Zeitzeugen aus der ganzen Welt

Nach diesen einleitenden Worten folgten vier verschiedene Panels, an denen Menschenrechtsaktivisten aus aller Welt teilnahmen. Das erste Podium war den Frauenrechten gewidmet. Hier bezeugte Mukhtar Mai aus Pakistan, die Opfer einer Massenvergewaltigung wurde, ihren juristischen Kampf gegen die Täter. Sie unterstrich zudem ihre  Bemühungen, pakistanischen Mädchen und Frauen zu helfen, die ein ähnliches Schicksal erlitten.

Abidine Merzough (M. Wyss)
„Schweigen ist eine Massenvernichtungswaffe“

Neben ihr sprach auch Marina Nemat, eine iranische Dissidentin, die bereits im Alter von 16 Jahren verhaftet wurde. Sie entging ihrer Hinrichtung nur durch die Heirat eines Wächters; nach dessen Tod konnte sie endlich aus ihrem Heimatland fliehen. Seither engagiert sich die Iranerin für die Unterstützung der iranischen Opposition und sie betonte, dass es auch an den Menschen im Westen liege, sich gegen das iranische Regime auszusprechen: „Schweigen ist eine Massenvernichtungswaffe“.

Auf dem zweiten Podium sprach neben zwei Nordkoreanern der mauretanische Anti-Sklaverei-Aktivist Abidine Merzough, der aufzeigte, dass das Problem der Sklaverei in Mauretanien weiter  besteht und von der Regierung mit Bezug auf die Scharia gerechtfertigt wird. Merzough rief die internationale Gemeinschaft dazu auf, Druck auf Mauretanien auszuüben, welches die Vize-Präsidentschaft im UN-Menschenrechtsrat übernimmt.

Randa Kassis (M. Wyss)
„Schweigen ist eine Massenvernichtungswaffe“

Nicht weniger Eindruck hinterliessen die beiden Podien am Nachmittag. Am ersten nahmen zwei kubanische Menschenrechtsaktivisten teil, darunter die Tochter eines der bekanntesten Dissidenten, der erst kürzlich bei einem mysteriösen Autounfall verunglückt war. Ebenfalls dabei waren eine Parlamentsabgeordnete der tibetanischen Diaspora in Nordamerika und die syrische Aktivistin Randa Kassis, die vom Syrischen Nationalrat (SNC) ausgeschlossen worden war, weil sie sich gegen den zunehmenden Aufstieg von Islamisten und Salafisten in der syrischen Opposition ausgesprochen hatte. In ihrer Rede betonte sie, dass nur eine politische Lösung den syrischen Bürgerkrieg stoppen könne (Video auf Französisch).

Das letzte Panel schliesslich setzte sich aus Pyotr Verzilov, Künstler und Ehemann einer Pussy Riot-Aktivistin, dem kasachischen Journalisten Lukpan Akhmedyarov sowie Kacem El Ghazzali zusammen. Letzterer erzählte von seinen Erfahrungen als atheistischer Blogger in der arabisch-islamischen Welt (Auch auf Audiatur-Online erschien bereits ein Portrait über El Ghazzali). Obwohl er zum ersten Mal zu einem solch grossen Publikum sprach, meinte er gegenüber Audiatur, dass er nicht nervös sei: „Ich habe keine eigentliche Rede vorbereitet, sondern werde improvisieren.“

Das Schlusswort hatte John Suarez, langjähriger Begleiter und Unterstützer des Geneva Summits und UN Watch, der in seiner Rede nochmals alle Aktivistinnen und Aktivisten würdigte. Zwar stehe es um die Lage der Menschenrechte nicht besser – im Gegenteil – doch gebe es noch immer Hoffnung. Die Teilnehmenden des Summits seien der Beweis dafür.

Gespräch mit dem israelischen Botschafter

Botschafter Eviatar Manor
„Schweigen ist eine Massenvernichtungswaffe“

Neben Aktivisten aus aller Welt, Medienschaffenden sowie den zahlreichen Besuchern nahmen auch die UN-Delegationen mehrerer Länder am 5. Geneva Summit teil. Audiatur-Online hatte die Gelegenheit zu einem kurzen Gespräch mit dem israelischen Botschafter bei der UN in Genf, Eviatar Manor. Botschafter Manor betonte, dass Israel die Menschenrechte hochhalte und dementsprechend auch alle Körperschaften unterstütze, die dafür eintreten. Weil aber der UN-Menschenrechtsrat in jüngster Zeit immer stärker als politisches Instrument missbraucht werde, habe sich Israel entschieden, die Zusammenarbeit mit dem Menschenrechtsrat einzustellen.

„Selbstverständlich ist Kritik an uns erlaubt, wir machen auch bestimmt nicht alles richtig, aber das Vorgehen des UN-Menschenrechtsrates ist völlig unverhältnismässig. Israel wird bei jeder Gelegenheit verurteilt, während zugleich niemand ein Wort zum Sudan oder Mauretanien verliert.“ Manor betonte, Israel wäre sofort bereit, eine entscheidende Rolle im Menschenrechtsrat einzunehmen, würde dieser seine eigentliche Aufgabe wahrnehmen.

Manor nahm auch Stellung zur erstmaligen medizinischen Behandlung von syrischen Flüchtlingen in Israel. Er unterstrich, dass diese Behandlung aus einer humanistischen Perspektive selbstverständlich sei und Israel habe auch bereits zu Beginn des Bürgerkriegs dem Roten Kreuz seine Hilfe angeboten. Dies sei aber aus politischen Gründen verunmöglicht worden. Er schloss nicht aus, dass auch künftig weitere Flüchtlinge in Israel behandelt würden. Manor erklärte, dass Israel den Verlauf des Bürgerkriegs sehr genau verfolge: „Das Assad-Regime zählt nicht zu unseren Freunden. Deshalb würden wir seinem Sturz nicht nachtrauern. Allerdings geht auch von dschihadistischen und salafistischen Kräften innerhalb der Rebellen eine Gefahr aus, die man nicht unterstützen darf.“ Israel sei deshalb vor allem darauf bedacht, dass der Bürgerkrieg nicht auf einmal auf israelische Territorien überschwappe.

Weitere Videos vom Geneva Summit finden sich auf der Homepage des Veranstalters.

Über Michel Wyss

Michel Wyss ist freischaffender Analyst bei der Audiatur-Stiftung und beschäftigt sich hauptsächlich mit Sicherheitspolitik im Nahen Osten. Er absolviert derzeit ein MA-Studium in Government mit Fokus auf Internationale Sicherheit am Interdisciplinary Center in Herzliya, Israel und ist als Research Assistant beim International Institute for Counterterrorism (ICT) tätig.

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