Ein Zeichen der Hoffnung? Maliki Ulema gemeinsam gegen den Sahel-Extremismus

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“Extremismus unterbindet Wohltätigkeit und erzeugt Angst vor Religion; [er setzt] Muslime unter Druck und belagert Menschen mit Streitigkeiten auf Kosten der Arbeit und Struktur im Leben.” (Algerischer Imam, Maghrebia, 1. Februar 2013)

Ende Januar trafen sich religiöse Führer aus Algerien, Mali, Niger und Mauretanien in Algier zur Gründung der Liga der Ulema der Sahel. Die Liga der Ulemas der Sahel ist eine religiöse Körperschaft von Religionsgelehrten (Ulema), die der malikitischen Rechtsschule [eine der vier Rechtsschulen des sunnitischen Islam] angehören und deren Ziel es ist, Jugendliche aus der Sahel-Region davon abzuhalten, den Weg des Salafi-Radikalismus einzuschlagen. Gemäss dem algerischen Imam und Generalsekretär der Liga, Youcef Mechri, planen die Gelehrten eine Zusammenarbeit mit Moscheen und Jugendzentren, um Jugendliche über die Gefahren des Extremismus aufzuklären.

Die Imame verurteilten ‘einstimmig’ Verbrechen im Namen des Islam. Der Iman aus Niger und Präsident der Liga, Boureima Abdou Daouda, sagte: „Wir sind überzeugt, dass nur Religion eine moralische Lösung für die multidimensionale Krise und die Sünden bieten kann, die uns bedrohen. Wir müssen religiöse Zeugnisse in unserer Region verteidigen, um die Prediger von Gewalt und Zerstörung zu stoppen.“ Sheikh Mouadou, Sufi von Burkina Faso, fügte hinzu: „Jeder weiss, dass unsere Religion weder Gewalt noch Terrorismus lehrt, sondern Liebe zum Nächsten und Toleranz. Was im Norden Malis geschieht, [sind] ernsthafte Verstösse wie Zwangsehen, Handamputation und Steinigungen. [Sie] sind das Ergebnis von Fehlinterpretationen des Korans.

Vermutlich ist man versucht, diese Versammlung mit in einem Lachen abzutun als bloss ein weiteres muslimisches Konklave, bei dem Worte die Taten mit einiger Sicherheit übertreffen werden. Doch könnte sich die Maliki-Liga möglicherweise als eine starke Stimme der Vernunft erweisen in einer Region, die droht, ausser Kontrolle zu geraten. Die Wichtigkeit, die Hand der Jugend auszustrecken und als Führung zu dienen, ist in Marokko bereits wohlverstanden. Aus unerklärlichen Gründen hat das Land allerdings keine Delegation zur Gründung der Liga entsandt, obwohl in Marokko eine grosse Gruppe Maliki leben. (siehe „For years Moroccan ulemas guide youths“, Maghrebia, 27 June 2011).

Laut einer Umfrage glaubt ein Grossteil der marokkanischen Jugendlichen an religiöse Koexistenz, sie selbst aber unterstützen ihre eigenen Ulemas kaum. Religionsgelehrten fehlt es an Ausbildung und Charisma und viele werden als die schlimmste Form des Extremismus praktizierend wahrgenommen. Mehr als die Hälfte von ihnen hat ihre Ausbildung entweder vollständig oder zum Grossteil in einer Koranschule (Madrassa) erhalten – was sehr üblich ist für die Sahel-Region.

Das Ministerium für Islamische Angelegenheiten in Marokko hat zur Verbesserung der „geistigen Sicherheit der Nation“ ein Ausbildungsprogramm für Imame ins Leben gerufen, dass auch Bemühungen beinhaltet, Predigten zeitgemässer und relevanter für die Modernisierung zu gestalten, die überall in Marokko Einzug hält.

Solche Schritte zur Erweiterung der Imam-Ausbildung wurden kürzlich auch in Mauretanien eingeführt. Am 6. Januar 2012 traten an einer landesweiten, von der Maliki dominierten Ulema-Vereinigung geförderten, Predigt oder die Imame gemeinsam auf, „um Extremismus und die Anwendung von Gewalt zu verurteilen“, die im Namen des Islam unternommen werden. Dieser Event fand nur einige Tage nach Ende einer Konferenz statt, die von dem jugendlichen, gelehrten und charismatischen Mufti Sheikh Muhammad Al-Hassan Al-Dedew unterstützt worden war. Er ist der vielleicht beeindruckendste Imam, der in den letzten Jahren im Maghreb in Erscheinung getreten ist.

Al-Dedew erinnerte die Ulemas daran, dass es ihre höchste Verpflichtung sei, „ihre Verantwortung im Kampf gegen“ das Unheil des Extremismus wahrzunehmen. Die Vereinigung der Ulemas geniesst starken Rückhalt beim mauretanischen Präsidenten Abdel Aziz. Er hat die Praxis der Moscheeaufsicht eingeführt und warnte an einem Treffen mit den Ulemas Ende 2012 vor „dem Missbrauch der Moscheen für politische Ziele“ und dem Erlass von „unbegründeten Fatwas“.

SHEIKH ABDUL RAHMAN AL-ALI

Es liegt noch viel Arbeit vor der Malikiten-Liga, denn sie wird aktuelle Veröffentlichung direkt angehen müssen, welche das Wesen der Mujahedeen anpreisen und alle, die ihre Ideologie ablehnen, zu Takfir oder Apostaten des Islam erklären.

Der 600-Seiten Wälzer „Issues of the Fiqh of Jihad“ [Fiqh = islamische Rechtswissenschaft], der vom ägyptischen Sheikh Abdul Rahman al-Ali (aka Abu Abdullah al-Muhajir) herausgegeben wurde, ist das neuste salafistische Werk, das sich einen Namen gemacht hat. Einige Kritiker verliehen ihm gar den Namen „Fiqh des Blutes“ (Theologie des Blutes). Die Positionen der hanbalitischen und malikitischen Rechtsschulen werden abgewertet, wenn es um den Aufruf zum Jihad (hier in der Bedeutung heiliger Krieg) geht. Im ganzen Buch erlässt al-Ali selbst Diktate, die beinahe die Rolle eines religiös-rechtlichen Urteils oder einer Fatwa einnehmen.

Der Kleriker al-Ali, der in Pakistan ausgebildet worden ist, stützt sich auf die Hadithe und Koranverse für seiner Folgerung, dass jeder, der ausserhalb der muslimischen Gemeinde steht und nicht das Recht auf Schutz hat, getötet werden kann – auch Frauen und Kinder. In Hinblick auf die Unterscheidung zwischen Zivilisten und Kämpfern glaubt al-Ali nicht, dass ein solcher existiert, weil der Islam nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern unterscheide, sondern nur zwischen Muslimen und Ungläubigen.

Muslime sind angeblich unter allen Umständen in ihrer Lebensexistenz sicher, während es Ungläubige nicht sind – unter keinen Umständen. Schliesslich ist das Töten von Ungläubigen erlaubt – auch Frauen, Kinder und Ältere, sogar wenn sie mit Muslimen leben. Die Enthauptung ist zulässig und sogar „von Gott und seinem Propheten bevorzugt“. Und auch schiitische kommen Muslime nicht einfach davon, ermutigt al-Ali doch ihre Tötung und Bestrafung. Er behauptet, dass sie sogar eine grössere Bedrohung für den Islam darstellen als alle anderen Feinde.

Der Ägypter erhielt seinen Nom de Guerre Abu Abdullah al-Mujahir als er als afghanisch-arabischer Mujahid im Krieg in Afghanistan diente. Während dieser Zeit predigte er im Khalden Camp der Islamisten. Daher überrascht es nicht, dass „Fiqh of Jihad“ besonders unter Al-Qaida im Allgemeinen und seinen Anführern, darunter Ayman al-Zawahiri und Abu al-Zarqawi, Gefallen findet.

Der gegenwärtige Aufenthaltsort von Abu Abdullah ist unbekannt. Gerüchten zufolge soll er von US-Truppen gefangengenommen worden sein, als er auf dem Weg in den Irak war. Salafisten behaupten jedoch, dass er in einem iranischen Gefängnis festgehalten wird.

Auszug aus der Originalversion: A Sign of Hope? Maliki Ulema Partners Against Sahel Extremism by J. Millard Burr © American Center for Democracy. Economic Warfare Institute. February, 11, 2013. [Anm.: In der Originalversion geht Burr erklärend auf die Malikiten innerhalb des sunnitischen Rechtssystems und den Textualismus ein.]