Israelische Araber: benachteiligt oder radikalisiert?

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Der zunehmende Wohlstand unter der arabischen Bevölkerung in Israel habe nicht zu einer Abnahme ihrer Feindseligkeit gegenüber dem Staat geführt, argumentierte Efraim Karsh in der Zeitschrift Israel Affairs. Im Gegenteil, schreibt Karsh, je wohlhabender und besser ausgebildet die israelischen Araber geworden seien, desto stärker und lautstärker sei die Hetze ihrer Führer gegen ihren Status als israelische Staatsbürger, die sogar soweit gehe, die Grundlagen, die den Staat ausmachen, offen abzulehnen. .

Ausgangspunkt seiner Argumentation sind die Ergebnisse der Orr-Kommission, die eine Untersuchung über den Ausbruch der Gewalt seitens der arabischen Israelis während der Zweiten Intifada (Al-Aqsa-Intifada) im Jahr 2000 führte. Die Kommission führte die Gewalt gegen jüdische Israelis auf eine langjährige Gleichgültigkeit von Seiten des israelischen Establishments selbst gegenüber der arabischen Minderheit im Staat zurück.

Trotz der rechtlichen Gleichberechtigung israelischer Araber sei der Umgang des Staates mit seiner arabischen Minderheit nicht makellos gewesen, räumt Karsh ein. Die Komplexität des Staates und seiner Minderheitenbevölkerung werden von Karsh erläutert.

Sicherheitsbedenken führten dazu, dass die meisten arabischen Israelis von der obligatorischen Wehrpflicht entbunden wurden. Teilweise sollte somit dem Dilemma der „doppelten Loyalität“ vieler Araber Abhilfe geschaffen werden und zudem einen praktischen Nutzen liefern und jungen Arabern einen Vorsprung von drei Jahren ermöglichen (die Wehrpflicht in Israel beträgt drei Jahre), den Arbeitsmarkt vor ihren jüdischen Mitbürgern zu betreten oder eine höhere Ausbildung zu erhalten. Doch langfristig wurde dadurch die wirtschaftliche und soziale Mobilität arabischer Israelis eingeschränkt, aus dem einfachen Grund, weil der Militärdienst bis in die 1990er Jahre der wichtigste Eintrittspunkt in das Erwachsenenleben eines Israeli war.

Karsh erachtet es als völlig verfehlt, die Ausschreitungen vom Oktober 2000 auf soziale und wirtschaftliche Benachteiligung innerhalb der israelisch-arabischen Gemeinde zurückzuführen. Wenn Armut und ein Status zweiter Klasse tatsächlich die Schuld trifft, warum hat es unter ähnlich situierten Teilen der jüdischen Gesellschaft in Israel nie auch nur annähernd solche Unruhen wie die Ausschreitungen vom Oktober 2000 gegeben, oder übrigens auch unter israelischen Arabern während der viel schlimmeren 1950er- und 1960er-Jahren? Weshalb nahm der arabische Dissens mit der Verbesserung des Lebensstandards drastisch zu?

Nachdem einem Überblick über das steigende Niveau der Bildung, des Lebensstandards und der Einkommen unter israelischen Arabern, postuliert Karsh, dass der zunehmende Widerstand gegen den Staat, seine Politik und seine Werte in der konstanten Radikalisierung der israelisch-arabischen Gemeinschaft durch ihre immer militantere Führung verwurzelt sei.

Laut Karsh begann der Prozess im Anschluss an den Sechstagekrieg 1967, als israelische Araber erneut in direkten Kontakt mit ihren Vettern im Westjordanland und Gazastreifen wie auch mit der weiteren arabischen Welt kamen.

In den frühen 1970er-Jahren begann die PLO, die zunächst die Araber mit israelischer Staatsbürgerschaft ignoriert hatte, anhaltende Bemühungen zur „Palästinisierung“ der israelischen Araber und sie in ihren Kampf um die Zerstörung Israels miteinzubeziehen. Ihre Bemühungen erwiesen sich als erfolgreich, als israelische Araber während der Ersten Intifada in den 1980er-Jahren Gewalthandlungen begingen und mit bewaffneten Angriffen gegen Juden in Israel begannen. Und als die israelische Regierung die PLO in den Osloer Abkommen von 1993 als den einzigen Vertreter des palästinensischen Volkes anerkannte, bestätigte sie faktisch den Anspruch der PLO auf die Autorität über eine beachtliche Zahl von israelischen Bürgern, die begonnen hatten, sich selbst als Palästinenser zu bezeichnen. Die Bemühungen der PLO, Israels arabische Gemeinschaft aufzustacheln, sind rasch vorangeschritten, argumentiert Karsh.

Die Ausschreitungen vom Oktober 2000 markierten keine Etappe in einem legitimen Kampf für Bürgerrechte, sondern waren ein gewalttätiger innerer Aufstand zur Unterstützung eines äusseren Angriffes, schliesst Karsh. Israels Regierung, sich weigernd, die Gewalt als das anzuerkennen, was sie war und was sie bedeutete, versuchte, die Angreifer zu beschwichtigen, indem sie verstärkte wirtschaftliche Unterstützung für den arabischen Teil ankündigte und die Orr-Kommission dazu bestimmte, nicht die Aufrührer, sondern die Reaktion des Staates auf sie zu untersuchen.

Kein Wunder also, dass diese Kommission letztendlich den Löwenanteil der Schuld von den Schultern der Angreifer hob und sich selbst mit dem naiven Wunsch zufrieden gab, dass ihre eigene Zurschaustellung guten Willens „in der abschliessenden Analyse zu einer Begegnung der Herzen unter Arabern und Juden in Israel beitragen“ werde.

Efraim Karsh ist Professor of Middle East and Mediterranean Studies am King’s College, Principal Research Fellow am Middle East Forum (Philadelphia), und Autor von “Palestine Betrayed” (Yale University Press, 2010).

Abstract der Originalversion: Israel’s Arabs: Deprived or Radicalized? by Efraim Karsh © Israel Affairs, pp. 1-19, January 2013.