Israels Dilemma im Gazastreifen

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Iron Dome. Foto von Israel Defense Forces und Nehemiya Gershoni. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons.
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Das Fehlen eines eindeutigen Sieges bei der Operation Wolkensäule spiegelt ein strategisches Dilemma in Bezug auf eine zukünftige Regelung im Gazastreifen wider. Die Erfahrungen der Vergangenheit werfen Licht auf drei Zukunftsmöglichkeiten für den Gazastreifen, die die Rückkehr zu der Situation einer der früheren Perioden, 1948‒1967 oder 1967‒2005, oder die Beibehaltung der derzeitigen Situation von nach 2007 miteinschliessen würden.

Israels Ansätze für den Gazastreifen

Von 1948‒1967 stand der Gazastreifen unter ägyptischer Kontrolle und hatte fast keine Interaktion mit dem Westjordanland. Der Gazastreifen diente als Ausgangsbasis für Terrorakte gegen Israel, aber als Ergebnis von israelischen Militäraktionen (besonders während des Sinai-Feldzuges von 1956) unterbanden die Ägypter die von dort ausgehenden Terroraktivitäten. Nach dem Sechs-Tage-Krieg von 1967 waren der Gazastreifen und das Westjordanland beide von Israel besetzt, was trotz der räumlichen Trennung eine vermehrte Interaktion zwischen der Bevölkerung dieser Gebiete ermöglichte. Diese Interaktion, wie auch die israelische Präsenz in diesen Gebieten, trugen zur Entstehung einer einheitlichen palästinensischen Identität bei, die zu einer auf der internationalen Bühne ernstzunehmenden Kraft wurde. Diese Verbindung wurde nach dem Friedensvertrag zwischen Israel und Ägypten von 1979 gestärkt, in dem Letzterer auf territoriale Ansprüche auf Land nördlich seiner internationalen Grenze verzichtete, was den Gazastreifen fest unter israelischer Kontrolle zurückliess. Der Oslo-Friedensprozess, der die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) erschuf, festigte die Beziehung weiter.

Diese Verbindungen wurden nach dem israelischen Rückzug aus dem Gazastreifen im August 2005 geschwächt. Die Hamas gewann die PA-Wahlen im Jahr 2006 und übernahm den Gazastreifen im Juni 2007 in einem Militärputsch. Damit schuf sie eine semiunabhängige Einheit, die die Herrschaft der PA im Westjordanland anfocht, die palästinensische Nationalbewegung schwächte und die Tragfähigkeit der weitgehend akzeptierten Zweistaatenlösung infrage stellte. Das Scheitern der Verbindung zwischen nicht zusammenhängenden Gebieten ist nicht überraschend. Zusammenschlüsse zwischen nicht zusammenhängenden Gebieten weisen chronische Instabilität auf.

Operation Wolkensäule

Seit der Übernahme des Gazastreifens im Jahr 2007 hat die Hamas grosse Mengen an Waffen importiert und Tausende von Langstreckenraketen auf israelische Städte im Süden Israels abgefeuert. Nach einer Vielzahl von Reaktionen in kleinerem Massstab, die sich als unwirksam erwiesen, startete Israel im Dezember 2008 die Operation Gegossenes Blei. Während eine relative Ruhe rund zwei Jahre lang andauerte, wurde der gelegentliche Beschuss des südlichen Israel später wieder aufgenommen und intensiviert, bis Ministerpräsident Benjamin Netanjahus Regierung im November 2012 die Operation Wolkensäule anordnete,

eine begrenzte Operation, die keine Bodenoffensive beinhaltete, die aber zwei grosse politische Erfolge erzielte: die Sicherung der Unterstützung durch die neu gewählte Regierung Obamas in den USA und die Vermittlung eines von Ägyptens Mohammed Mursi ausgehandelten Waffenstillstandes, der erkennen lässt, dass sich die neue Regierung nicht von ihrem Friedensvertrag mit Israel lossagt. Eine Ausweitung der Reichweite der Operation hätte dies gefährden können.

Förderung der Beteiligung Ägyptens

Netanjahus Hauptgrund für die Ablehnung einer Operation ähnlich zur Operation Schutzwall 2002 während der Zweiten Intifada war, dass Israel keine Rückkehr zu der Situation von 1967‒2005 anstrebt. Israel zieht es vor  , einen Frieden auszuhandeln, aber die Weigerung der PA, Angebote wie diejenigen der ehemaligen Ministerpräsidenten Ehud Barak im Jahr 2000 und Ehud Olmert im Jahr 2008 anzunehmen, deuteten auf palästinensische Ansprüche, die keine israelische Regierung akzeptieren konnte. Trotz eines 10-monatigen Siedlungsstopps im Jahr in 2010 weigerte sich Ramallah, die Verhandlungen mit Jerusalem zu erneuern. Mahmud Abbas scheint nicht in der Lage zu sein, die palästinensische Nationalbewegung zu einem historischen Kompromiss mit Israel zu führen, und es macht keinen strategischen Sinn, ihm den Gazastreifen auszuhändigen.

Die unwahrscheinliche Alternative zu Abbas wäre ein Staat, der zwei von der Hamas kontrollierte nicht zusammenhängende Gebiete umfasst. Israel kann die Kontrolle der Hamas über das Westjordanland aufgrund dessen strategischer Nähe zu Israels Hauptballungsgebiet nicht akzeptieren.

Unter diesen Bedingungen sieht Jerusalem eine ägyptische Verbindung mit dem Gazastreifen als das kleinere Übel an. Indem es begrenzte Verantwortung für die Angelegenheiten des Gazastreifens übernimmt, bietet Ägypten eine Adresse für Verhandlungen. Israel zieht es vor, den Dialog mit einer Regierung zu führen, selbst mit einer feindlichen, anstatt mit einer terroristischen Organisation wie der Hamas, die sich der Vernichtung Israels verschrieben hat. Abschreckung ist effektiver bei Staaten als bei substaatlichen Organisationen.

Die strategische Präferenz der Regierung scheint also eine Mischung aus dem Rahmenplan von vor 1967 und der Realität von nach 2005 zu sein, nämlich ein halbunabhängiger Gazastreifen verbunden mit Ägypten. Angenommen, Israel würde dieses Bild bevorzugen, dann müsste die Beteiligung Ägyptens eingeschränkt werden; eine Rückkehr Ägyptens in den Gazastreifen könnte die Entmilitarisierung der Sinai-Halbinsel beenden. Eine Wiederbewaffnung des Gazastreifens durch das ägyptische Militär würde Israels strategischer Tiefe, die im Jahr 1967 erreicht und im Friedensvertrag von 1979 legitimiert wurde, ein Ende setzen.

Die Beteiligung Ägyptens muss unter genauer Betrachtung stattfinden und gegen die Option der Rückeroberung des Gazastreifens und seiner Wiederverbindung mit dem Westjordanland abgewägt werden. Diese Alternative könnte zu einem zweiflügeligen, radikal revisionistischen palästinensischen Staat führen. In einer utopischen Welt würde sich der Gazastreifen in ein Singapur verwandeln. Diese Option ist jedoch nicht realistisch, da sich der „Arabische Frühling“ in einen „Islamischen Winter“ verwandelt.

Prof. Shmuel Sandler ist Professor politische Studien an der Bar-Ilan-Universität und leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter am Begin-Sadat Center for Strategic Studies.

Originalversion: Israel’s Dilemma in Gaza by Prof. Shmuel Sandler © BESA Center Perspectives Paper No. 191, December 6, 2012.

1 Kommentar

  1. Shalom meine Freunde,

    ich kann nur auf Einzelheiten eingegen. 1. Den Gazastreifen ohne Not u. Gegenleistung aufzugeben <<war der grösste Fehler Israels. Die Hamas ist so stark geworden
    <<dass ein zurückholen Gazas unmöglich ist, oder aber unter grossen Verlusten Israels. Die terroristische Hamas ist ja ein Ableger der Moslembruderschaft, die genau so radikal wie die Hamas ist.

    2. In Ägypten haben die Moslembrüder die Macht übernommen und streben einen Islamischen Staat an.
    Einen Friedensvertrag wie bei Mubarak wird es nicht mehr geben. Diese Bande hasst uns auf den Tod und will die Vernichtung Israels. Wenn jetzt Assad auch aufgeben würde, dann würden die Rebellen, die wahrscheinlich mehr Menschen umgebracht haben als Assad, ihm aber alles in die Schuhe schieben. Dann werden die Moslembrüder auch dort das Kommando übernehmen. Dann haben wir noch die Hisbollah an der rechten Flanke und Israel ist eingekesselt. Freunde haben wir nicht mehr viele, fast keine. Abbas wird mit Freude am Kesseltreiben teilnehmen. Alle wollen die Vernichtung Israels und sein Volk. Durch den Waffenstillstandsvertrag haben die Araber u. Palis ihre Angst vor Israel verloren. G-tt schütze Israel. David

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