Von ihrer eigenen Revolution abgehängt: Frauen und der Arabische Frühling

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Frauen Kundgebung in Kairo. Foto Kodak Agfa. Lizenziert unter CC BY-SA 2.0 via Wikimedia Commons.
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Vor zwei Jahren hätte niemand vorhergesagt, dass die Selbstentzündung eines Obstverkäufers in Tunesien eine Demokratiebewegung entfachen würde, die sich über den ganzen Nahen Osten ausbreitet.

Viele, die im Bereich von Menschenrechts-NGOs tätig sind, priesen den Arabischen Frühling. Kenneth Roth, der geschäftsführende Direktor von Human Rights Watch HRW, nannte ihn „einen transformativen Moment, eine historische Gelegenheit für ein lang unterdrücktes Volk, die Kontrolle über sein Schicksal zu ergreifen.“

Doch die traurige Wirklichkeit ist, dass die Revolutionen ihre Versprechen nicht eingehalten haben – und dass die Frauen aus der Region infolge davon leiden. Vielleicht würde die Wirklichkeit vor Ort anders aussehen, wenn die gut finanzierten internationalen Menschenrechtsorganisationen, dazu gehört auch HRW, besser vorbereitet gewesen wären, um den Millionen Menschen, die Veränderungen forderten, zu helfen.

Frauen spielten in den Aufständen eine wichtige Rolle; doch während diese Länder in die post-revolutionäre Phase übergehen, bleiben diese Frauen marginalisiert. Ägypten ist ein Paradebeispiel dafür. Moushira Khatta, früherer ägyptische Botschafterin in Südafrika und Ministerin für Familie und Bevölkerung, sagte folgendes über die mutigen Frauen, die neben den Männern auf dem Tahrir-Platz protestiert haben: „Der Zug der Veränderung hat sie nicht zurückgelassen, tatsächlich hat er sich gegen sie gewendet…“

An einer Konferenz, die jüngst zu Frauenrechten nach dem Arabischen Frühling stattfand, haben Aktivistinnen angemerkt, dass Frauen nur „herzlich wenig Fortschritt“ erleben. In der 85-köpfigenVersammlung, die hinter dem ägyptischen Verfassungsentwurf steht, befanden sich nur fünf Frauen. Zudem wurde der Entwurf dafür kritisiert, dass er nicht explizit gleiche Rechte für beide Geschlechter garantiere. Die Frauenquote im ägyptischen Parlament wurde aufgehoben, was zur Folge hatte, dass nur acht Frauen für die insgesamt 508 Sitze gewählt wurden.

Aktivistinnen berichten, dass sexuelle Belästigung „epidemische Verhältnisse “ in Ägypten erreicht habe. Umfragen besagen, dass ägyptische Frauen – täglich – mit irgendeiner Form der sexuellen Belästigung konfrontiert werden: verbale Misshandlung, befummeln, sogar Angriffe von gewalttätigen Mobs. Im Juni 2012 wurden Frauen, die auf dem Tahrir-Platz zusammenkamen, um gegen Belästigung zu demonstrieren, von Hunderten von Männern belästigt.

Ägyptische Parlamentarier wurden gedrängt, schärfere Strafen gegen  Ehrenmorde zu erlassen. Sie haben sich dagegen mit der Begründung gewehrt, dies würde zu einer Zunahme von „Promiskuität“ führen. Das Gesetz, das einem wegen Ehrenmord verurteilten Mann eine verminderte Strafe zugesteht, bleibt bestehen.

Ehrenmorde basieren auf der Vorstellung von Schande, die über eine Familie kommt; die meisten Opfer sind junge Frauen. Seit Beginn des Arabischen Frühlings haben NGOs wie Human Rights Watch leider nur wenig unternommen, um über diese Verbrechen im Nahen Osten zu berichten. Tatsächlich hat HRW nicht einmal über dieses Thema im Zusammenhang mit Ägypten seit den Aufständen geschrieben.

Die Menschenrechtsbewegung hat sowohl Richtung als auch moralische Autorität verloren. Es ist ein gewaltiges Multi-Milliarden Dollar Geschäft, deren Chefs Politiker ohne Mandat oder Rechenschaftspflicht sind und zynisch die öffentliche Meinung manipulieren. Wäre dem nicht so, hätte das Ergebnis des Arabischen Frühlings ganz anders aussehen können. Doch seit Jahrzehnten bemühen sich Menschenrechtsorganisationen nur wenig oder gar nicht, wirklich substantielle Berichte über die autoritären Regimes im Nahen Osten zu verfassen oder demokratische Mechanismen in diesen aufzubauen.

Als die Revolutionen ausbrachen, verfügten die NGOs über keine Infrastruktur in der Region, um wirklich Einfluss auszuüben. In Syrien beispielsweise wurde die Unzulänglichkeit von HRW insbesondere in ihrem Bericht „A wasted Decade“ vom Juli 2010 offensichtlich – 10 Jahre Untersuchungen zu Menschenrechtsverletzungen in Syrien wurden auf nur 35 Seiten abgehandelt. Die Schlankheit dieses Berichts paart sich mit seinen schwachen Empfehlungen, die eindeutig keinen Einfluss hatten.

Wären Ägypten und andere Länder in der Lage gewesen, sich selbst zu echten, friedfertigen Demokratien zu wandeln, hätte die Region – und die Welt –  mit Sicherheit davon profitiert. Doch der Arabische Frühling hat es nicht geschafft, Menschenrechte einzulösen. Die Unterdrückung von Frauenrechten in der Region ist ein Musterbeispiel für dieses Misslingen.

Originalversion: Left behind by their own revolution: women and the Arab Spring by Ariella Kimmel © iPolitics, December 15, 2012.

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Ariella Kimmel stammt aus Ottawa und hat einen Abschluss von der Carleton University. Erst kürzlich ist sie nach Israel umgezogen, um bei NGO Monitor in Jerusalem als Kommunikationsmitarbeiterin tätig zu werden.