Einschüchterung auf die Probe gestellt

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Foto Jamie Kennedy. Lizenziert unter CC BY 2.0 via Wikimedia Commons.
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Die Angriffe auf US-Botschaften und Konsulate im Nahen Osten geschahen, weil sich die Angreifer angeblich durch den Film „Unschuld der Muslime“ gekränkt gefühlt haben. In weit verbreiteten Kommentaren wird behauptet, dass der Film Gewalt schüre. Doch bis Menschen deshalb starben, hatte kaum jemand den Film gesehen, obwohl er auf YouTube zugänglich war. Der Film würde sogar eingefleischte Islam-Gegner zum Einschlafen bringen, eine einschläfernde Tirade gegen den Islam. Ein Gesetz gegen qualitativ schlechte und geschmacklose Filme gibt es nicht.

Der Film Unschuld ist zwar qualitativ nicht annähernd vergleichbar mit Die letzte Versuchung Christi von Martin Scorses, doch ein Vergleich kann nützlich sein, wie religiöse Gemeinschaften auf eine in ihrer Wahrnehmung beleidigenden Porträtierung ihres Glaubens reagieren. Als der Film 1988 in die Kinos kam, löste Die letzte Versuchung einen Sturm der Proteste aus. Viele christliche Gruppen empfanden ihn als anstössig und in einigen katholischen Ländern wurde der Film sogar verboten, obwohl der Film im Westen mit viel Applaus gezeigt wurde.

Im Grossen und Ganzen verliefen die Proteste friedvoll – mit einer Ausnahme: bei einem Angriff einer christlichen Fundamentalistengruppe auf ein Pariser Kino wurden vier Personen schwer verletzt. Der Angriff wurde allgemein verurteilt und der Pariser Erzbischof, der verstorbene Kardinal Jean-Marie Lustiger, der zuvor den Film verurteilt hatte, verurteilte auch die Militanten: „Aus christlicher Sicht, verteidigt man Christus nicht mit Waffen. Christus selber hat das verboten.“

Im Vergleich dazu, fielen die Verurteilungen ein Jahr später, als der verstorbene Ayatollah Khomeini eine Fatwa gegen Salman Rushdie und jeden, der am Vertrieb seines Buches Die satanischen Verse beteiligt war, weniger allgemein aus. In auffälliger Weise mangelte es an bekannten muslimischen Klerikern vom ähnlichen Rang wie Lustiger, die die Gewalt verurteilten, die nach Khomeinis Erlass ausbrach.

Mit der dänischen Cartoon Kontroverse 2005 wurde offenkundig, dass westliche Politiker und Intellektuelle ihren Appetit daran verloren hatten, sich gegen religiösen Fanatismus zu erheben. Stattdessen beherrschen Entschuldigungen und Selbstzensur den Äther und wir im Westen fingen an, die Idee eines Blasphemie-Gesetzes zu erlassen, damit religiöse Befindlichkeiten nicht verletzt würden. Mit einem Male waren die Cartoonisten und nicht jene, die ihren Tod wünschten, die engstirnigen Zeloten.

Verwundert es daher, dass Amerikas instinktive erste Reaktion auf den Angriff vom 11. September 2012 die Verurteilung der „andauernden Bemühungen von fehlgeleiteten Einzelpersonen, die religiösen Gefühle von Muslimen zu verletzten“ war – „da wir Versuche, Gläubige jeder Religion zu beleidigen verurteilen“? Ist der letzte Teil der Aussage wahr oder ist das eine Ansicht, die nur für den Islam gilt?

Es ist in Amerika, wo die Broadway-Show Das Buch Mormon den Glauben des republikanischen Präsidentschaftskandidaten verhöhnt, ohne dass der Verfasser erkennbar verurteilt wird. Und es ist das gleiche Amerika, wo der Film Die Passion des Christus, den viele Juden als zutiefst beleidigend empfunden und verantwortlich dafür gesehen haben, anti-jüdischen Hass zu schüren, gezeigt wurde, ohne auch nur daran zu denken, ihn zu zensieren.

Das Amerika, das wiederholt die Verspottung von Religionen im Namen seiner unsterblichen Freiheit verteidigt hat, hat jetzt das Bedürfnis, sich für einen unbedeutenden Film zu entschuldigen, von dem bis September kaum jemand etwas gehört hat, nur weil ein wütender Mob blutdurstiger Verbrecher diesen als Vorwand benutzte, Diplomaten zu ermorden.

Der Schläger bekommt immer seinen Willen, wenn er den Schwachen und Sanftmütigen konfrontiert. Aber seit wann hat Gewalt je Amerikas Entschlossenheit geschwächt, zu seinen Werten zu stehen? Oder fehlt es den amerikanischen Führern an moralischer Stärke, dieser Schikane entgegenzutreten, weil sie nicht mehr wissen, was es sich lohnt, zu verteidigen und vergessen haben, dass Religionsfreiheit und Meinungsfreiheit keinen Wert haben, wenn sie nur dazu sind, Glaube und Meinungen der breiten Masse zu schützen?

Zusammenfassung der Originalversion: Confronting Islamic Intimidation by Emanuele Ottolenghi © Standpoint Magazine, October 2012.