In ihren Reden vor der UN-Generalversammlung haben der palästinensische Präsident Mahmud Abbas und der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu aneinander vorbeigesprochen und kaum dieselben Themen angesprochen. Nacheinander sprachen in mit emotionalen Ausführungen über ihre abweichenden zukünftigen Ziele. Ihre Reden stellten die Herausforderung heruas, beide Führer in einen bedeutungsvollen Dialog einzubinden.
Abbas Zielpublikum waren die versammelten Länder der Vereinten Nationen, wohingegen Netanyahu sich an ein Land im Besonderen richtete: die USA. Das spiegelt die unterschiedlichen strategischen Prioritäten beider Führer wider. Für Abbas ist das Schlüsselziel die palästinensische Staatlichkeit im Westjordanland und Gaza mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt. Für Netanyahu liegt der Fokus auf dem Bedürfnis nach einer klaren und strammeren Drohung, um dem andauernden nuklearen Anreicherungsprogramm des Irans entgegenzutreten.
Beide haben Kernforderungen artikuliert: Abbas rief die UN zur Annahme einer Resolution auf, die eine Grundlage für eine Lösung des palästinensisch-israelischen Konflikts legen soll. Netanyahu rief zu einer eindeutigen Aufstellung einer „roten Linie“ für das nukleare Waffenprogramm des Irans auf und hob damit den wichtigsten Unterschied zur US-Regierung hervor, die es ausdrücklich ablehnt, eine rote Linie oder eine Zeitachse zu artikulieren.
Welche nächsten Schritte beide jeweils beabsichtigten, darüber hielten sie sich vage, auch wenn Abbas diesbezüglich ein wenig mehr Klarheit anbot als Netanyahu. Abbas wolle seine Bemühungen, die UN-Mitgliedschaft für Palästina zu erhalten, fortsetzen und sagte, dass er intensive Konsultationen mit Mitgliedsstaaten begann, um eine Wahl während der aktuellen UN-Session zu erreichen. Diese Formulierung gibt Abbas die Zeit zu beobachten, was die internationale Gemeinschaft, wenn überhaupt, machen wird, bevor er sich dazu entscheidet, Palästinas Mitgliedschaft in der Generalversammlung zur Wahl zu stellen. Im Gegensatz dazu blieb Netanyahus „oder sonst“ ungesagt, aber bestens bekannt: ein Scheitern entweder eines amerikanische Angriffs gegen den Iran oder die Artikulierung eine roten Linie, die den Iran davon abhält, sich weiter in Richtung nukleare Waffenfähigkeit zu bewegen, wird einen israelischen Militärschlag auslösen.
Beide Führer haben stilistisch den Finger in wütender Rhetorik erhoben: Abbas beschuldigte Israel einer Politik der „ethnischen Säuberung“, Kolonialisierung und ein „System der Apartheid gegen das palästinensische Volk“ zu etablieren und „dem palästinensischen Volk eine neue Katastrophe, eine neue Nakba“ zu versprechen. Netanyahu hat radikale Extremisten beschuldigt, „die Menschheit weiter an Dogmatik und in den Konflikt bringen zu wollen“, und sprach von einem gegenwärtigen Zusammenprall der „Moderne und barbarischer Eigentümlichkeit.“
Abbas Fokus liegt auf dem israelisch-palästinensischen Konflikt und Netanyahus auf dem Iran, und somit haben beide Führer den Ball effektiv an die UN zurückgeworfen. Abbas erstrebt Ergebnisse von Israel oder den Vereinten Nationen, glaubt aber, dass letztendlich Washington den Schlüssel in der Hand hält. Netanyahu erstrebt eine Veränderung im Verhalten des Irans an, teilt aber die Wahrnehmung, dass der wichtigste Entscheidungstreffer im Weissen Haus wohnt. Wer immer am 6. November zum Präsidenten der USA gewählt wird, wird gezwungen sein, einen Weg zu finden, die konkurrierenden israelischen und palästinensischen Prioritäten in Einklang zu bringen. Ansonsten werden sowohl Abbas als auch Netanyahu wahrscheinlich Wege einschlagen, die mit dem aktuellen US-Vorgehen im Konflikt stehen.
Originalversion: Israeli-Palestinian Divergence on Display by Robert S. Danin © Council on Foreign Relations, September 27, 2012. Deutsche Übersetzung © Audiatur-Online.
Rede von Mahmud Abbas (engl.)
Rede von Benjamin Netanyahu (engl.)