Liebes HEKS,
Vor zwei Wochen sind Sie von Ihrer Palästina/Israel-Reise zurückgekehrt. Laut Reiseprogramm waren Treffen mit verschiedenen NGOs und Bürgergruppen geplant, die im Westjordanland und in israelische-arabischen Gemeinden tätig sind. Die HEKS-Reise stand unter dem Motto „Den Mauern trotzen – Friedensförderung in Palästina/Israel“, doch laut Programmbeschrieb konzentrierte sich die Reise einzig und allein auf einen einseitigen Dialog, der nur solche Gruppen – ob nun jüdisch oder arabisch – von der israelischen Seite zuliess[1], die höchstwahrscheinlich mit dem HEKS-Denkansatz übereinstimmen.
Im Programmheft heisst es, dass HEKS mit Partnerorganisationen zum Flüchtlingsrecht und „zur Sensibilisierung der israelischen Bevölkerung zu Menschenrechtsverletzungen in den besetzen Gebieten“ zusammenarbeitet. Ist es nicht ein wenig bevormundend, als europäische Organisationen eine fremde Gesellschaft über ihre eigenen Kulturen und Nachbarn informieren und erziehen zu wollen und das, in dem man auf die Arbeit einer israelische Alibiorganisation aufspringt? Diesem Ansatz haftet ein Beigeschmack von Kolonialismus an, was nicht einer gewissen Ironie entbehrt, versuchen doch Organisationen wie die Ihrige in aller Regelmässigkeit Israel als Kolonialstaat zu brandmarken.
Doch von der Semantik einmal abgesehen, sind wir eher über Ihre Zusammenstellung der „Partnerorganisationen“ in Palästina/Israel besorgt. Nachdem wir einiges über diese nachgelesen haben, erachten wir einige davon als eher problematisch für Ihre Mission „Friedensförderung“. EAPPI zum Beispiel tritt für illegale Aktivitäten ein, um „die Besatzung zu beenden“. Eine andere Partnerorganisation (Zochrot) ermutigt zur Wehrdienstverweigerung, ADRID verwendet eine antisemitische Sprache in ihrem Manifest und BADIL[2] hatte 2011 antisemitische Bilder auf ihre Webseite eingestellt, was sie Schweizer Fördergelder kostete. Eine weitere Partnerorganisation hat ferner mit Ittijah kollaboriert, einer palästinensischen NGO-Dachorganisation, die sich weigerte, einen Anti-Terror-Artikel in ihr Förderungsabkommen zu integrieren.
Daher drängt sich unausweichlich die Frage auf, wie tiefgründig Sie Ihre Partnerorganisationen und deren Motivation hinterfragen? Machen Sie sich mit den Aktivitäten und Positionen hinter den offiziellen Leitbildern dieser NGOs vertraut? Und wenn Kontroversen auftauchen, zeigen Sie sich ahnungslos oder ist es Ihnen schlicht egal? Ahnungslosigkeit ist jedoch nur schwerlich zu akzeptieren, bedenkt man, dass die antisemitische Neigungen von BADIL erst kürzlich in der Schweiz bekannt wurden. Wir können uns nicht des beunruhigenden Eindrucks erwehren, dass HEKS- zumindest in einigen Fällen – sehr wohl ausreichende Kenntnisse von seinen Partnerorganisationen hat, sich aber trotz offensichtlichen Problematiken für eine weitere Zusammenarbeit entschied. Heiligt der Zweck die Mittel? Zudem hat Ihre Reise nicht einen einzigen Partner miteinbezogen, der auf dem Gebiet Koexistenz tätig ist. Sie hätten aus einem breiten Angebot an qualitativ hochwertigen Organisationen auswählen können, wenn Sie es denn nur gewollt hätten.
In Hinsicht dieses einseitigen Ansatzes geben wir zu, etwas verwirrt zu sein, was Ihre Zielsetzung der Förderung eines – wie Sie es nennen – „fairen Friedens“ anbelangt und wie man diesen erreicht: Offenbar wollen Sie eigentlich nicht alle relevanten Parteien miteinzubeziehen und entscheiden sich stattdessen nur für solche Partner, die dem Staat Israel entgegenwirken. So stand am 10. September ein Treffen mit Vertretern von Zochrot und BADIL auf dem Programm, um zu erfahren, wie eine praktische Lösung für die palästinensischen Flüchtlinge aussehen könnte. Kann man sich wirklich „eine konkrete Lösung“ vorstellen, ohne die andere Seite miteinzubeziehen? Es ist äussert unwahrscheinlich, dass irgendeine Lösung, ob nun praktisch oder konkret, durch einen einseitigen Dialog erreicht werden kann. Man kann sich nur wundern ob des „praktischen“ Zwecks eines solchen Treffens[3].
Zeitgleich mit Ihrer Reise fanden die grössten Demonstrationen in der palästinensischen Geschichte statt und sicherlich die grösste, die zudem ihre eigene Führung angriff. Es ist weit bekannt, dass die von der
Palästinensische Autonomiebehörde gesteuerten Wirtschaft ruiniert ist. Hat HEKS diese historische Gelegenheit genutzt und einige ihrer Diskussionspunkte auf aktuelle Fragen verlagert, mit denen die palästinensische Gesellschaft konfrontiert wird? Oder hat sich Ihre Arbeit wie geplant auf das erschöpfte Palästina/Israel Paradigma konzentriert?
Reisen, wie von Ihnen angeboten, geben uns zu denken über die prinzipiellen Gründe und Motive solcher Hilfsaktionen in Palästina. Sollen sie Palästinensern helfen, eigenständig zu werden, oder das „Israel ist schuld“-Modell unterstützen, das Palästinenser an der lebenserhaltenden Maschinerie der Auslandshilfe hält, ohne wirklich etwas an ihrer Situation zu verbessern? Im letzteren Fall wäre Ihr Einsatz gesichert.
Ihre Audiatur-Redaktion
[1] Im Reiseprogramm ist für den 11. September eine Begegnung mit Vertretern einer „israelischen Siedlung“ angekündigt. Da keine weiteren Details genannt werden, z.B. Name der Siedlung, ist es schwierig, die Motivation dieser „Vertreter“ zu ermitteln.
[2] Badil erhielt Schweizer Entwicklungsgelder via NGO Development Center (NDC).
[3] Besonders sinnlos wird diese Diskussion durch den Umstand, dass Badils Forderung nach dem klassischen „Rückkehrrecht” (palästinensische Flüchtlinge kehren in die Häuser ihrer Vorväter auf dem Staatsgebiet des heutigen Israel zurück) eine haltlose Position für den Staat Israel ist.
Dazu ist aber eine beträchtliche Portion Kreativität von Nöten. Defacto sind die Palästinenser, die einzige Flüchtlingsgruppe, deren Status vererbbar ist. Das gilt nicht für Syrier, Sudanesen, you name it.. Auf diese Problematik wurde bis heute keine Antwort gefunden. Statt das palästinensische Flüchtlingsproblem zu lesen, wurde es verlängert.
Der Status als Flüchtlinge kann nicht über Generationen hinweg gelten, schreibt E.S. Nun – das ist eine Aussage, die antisemitisch verstanden werden kann, dass die heutigen Israeli kein Anrecht darauf haben, im heutigen Israel zu sein, da sie Dutzende/Hunderte von Generationen nicht vor Ort waren.
Sie waren nicht schon immer hier. Sie waren zwischendurch mal knapp 2000 Jahre nicht da. Und trotzdem glauben Sie, dass die „anderen“ keine Flüchtlinge mehr sind, weil 54 Jahre vergangen sind. Will man das Recht nun gegeneinander aufwiegen, mit ungewissem Ausgang, oder endlich Frieden miteinander finden?
Die zwei Minuten, die man benötigt, um das Programm dieser HEKS Reise zu lesen reichen aus, um einen kritischen Menschen dahingehend zu überzeugen, dass weder Pluralismus, noch Ausgewogenheit die Hintergründe für diese ganz spezielle Studienfahrt sind.
Im Gegenteil, es wurde nicht an Möglichkeiten gespart, die billigend in Kauf genommenen und gerne unterstützten Vorurteile zu unterfüttern.
Wer Frieden erreichen will, der muss sich mit beiden Seiten auseinandersetzen, auch wenn es weh tut.
Der muss versuchen zu verstehen, warum junge Israelis stolz sind, ihr Land – unser Land! – mit der Waffe zu verteidigen. Der muss auch verstehen, warum diese Herausforderung für einige junge Menschen zu groß ist, und sie daran scheitern. Dass sie den Tod dem Versagen vorziehen. Dass sie starben, weil Verweigerung für sie keine Option war.
Der muss versuchen, zu verstehen, warum ein fairer Friede nicht nur die eine Seite, die sich lauter vermarktet, vertritt, sondern auch die andere, die leise sagt: ja, aber wir waren doch schon immer hier……
Der muss versuchen zu verstehen, dass der Status als Flüchtling nicht über Generationen hinweg gelten kann, schon gar nicht nur als Geldquelle und schon überhaupt nicht als exklusives Recht. Auch unsere Vorfahren mussten fliehen, von ihnen spricht niemand.
Der muss verstehen, dass die Palästinenser keine unmündigen Kinder sind.
Sie haben ihre Regierung(en) gewählt, Israel nun für deren Versagen zu beschuldigen, das liegt wohl außerhalb aller Vorstellungen.
HEKS täte gut daran, die Augen endlich zu öffnen.
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