Frage an Johan Galtungs Verteidiger

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Johan Galtung. Foto International Students’ Committee. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons.
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Johan Galtung, der als „Vater der Friedensforschung“ bekannt geworden war, ist in letzter Zeit durch seine vehemente anti-israelische Kritik als auch teilweise antisemitischen Äusserungen (Audiatur-Online berichtete) in die Schlagzeilen geraten. Viele seiner Behauptungen, wie beispielsweise dass es nicht auszuschliessen sei, dass der Mossad hinter dem Massaker von Utøya stecke (das Datum fiel auf jenes des Attentates auf das King David-Hotel in Jerusalem) oder dass Juden 96% der US-Medien kontrollierten, führten zu Protesten gegen seine Zusammenarbeit mit der World Peace Academy WPA in Basel. Galtung war zwar massgeblich an deren Gründung beteiligt, doch nun trennte sich das WPA von Galtung, was für einige Schlagzeilen sogar im Ausland sorgte.

Anfänglich erklärte Remo Gysin, alt Nationalrat und Mitglied des akademischen Beirats der WPA noch, man habe sich die Trennung mit Galtung nicht leicht gemacht, da man eigentlich gut mit ihm zusammengearbeitet habe. Wenn jedoch die Akzeptanz der Institution von aussen in Frage gestellt werde, könne es vorkommen, dass man sich von jemandem trennen müsse, der dies verursacht habe. Seitens der Universität Basel wolle man sich nicht in das Programm der WPA einmischen, die Diskussion um Galtungs umstrittene Äusserungen zeigte aber, dass eine Trennung vernünftig und sehr sinnvoll sei.[i] Ueli Mäder, ebenfalls von der Uni Basel, liess verlauten, die Aussagen Galtungs seien „nichts anderes als überaus irritierend und sträflich“, doch er glaube, Galtung sei kein Antisemit.

Zwei Wochen später äusserte sich dann auch Dietrich Fischer, Direktor der WPA, in der Basler Tageswoche. Es habe „furchtbare, ungerechte Druckversuche“ von Seiten gewisser Organisationen und der Uni Basel gegeben, erklärte er. Ihm sei von Seiten der Uni und der Basler Regierung klargemacht worden, dass man Galtung fallen lassen müsse. Ein Vorwurf der von der Uni Basel wiederum abgestritten wurde. Einigkeit herrschte lediglich darin, dass Galtung kein Antisemit sei.

Auf Nachfrage von Tachles heisst es dann aus der World Peace Academy, man habe „unterschiedliche Vorstellungen über die beste Unterrichtsmethode“ und könne diese Differenzen nicht überbrücken. Auch seien gewisse „unsorgfältige und verletzende Äusserungen“ insbesondere für Juden sensibel, wobei ein Teil der Zitate zudem „falsch“ sei, doch die WPA habe keinen Grund „an der Integrität bezüglich seiner positiven Gesinnung gegenüber dem jüdischen Volk und dem Staat Israel zu zweifeln.“[ii]

Hat sich wohl je ein Verteidiger Galtungs die Mühe gemacht, seine Homepage Transcend International „A Peace Development Environment Network“zu besuchen? Gerade Dietrich Fischer, der gleichfalls Direktor der „Transcend University Press“ ist, sollte die Webseite eigentlich kennen. Die Beiträge im Transcend Media Service lassen zumindest keine Fragen zur Positionierung von Transcend zu Israel offen und eine positive Gesinnung sucht man vergeblich.

Warum würde sonst beispielsweise der Beitrag von Sharmine Narwani mit dem programmatischen Titel „Excuse me, but Israel has no right to exist“ dort veröffentlicht? Als Quelle wird „The Sandbox“ angegeben, tatsächlich aber wurde der Artikel ursprünglich auf der englischsprachigen Homepage der libanesischen Zeitung Al Akhbar veröffentlicht, die bekanntermassen der Hisbollah nahe steht.[iii] Zuletzt wird auch noch zur Unterstützung von BDS aufgerufen und zum Boykott sämtlicher israelischer Produkte. Äussert sich dadurch etwa die „positive Gesinnung von Galtung gegenüber Israel“ oder soll damit etwa Dialog und Verständnis, der Kern von Galtungs Friedensforschung also, gefördert werden? Ebenfalls regelmässig zu Wort kommt übrigens auch Gilad Atzmon, der sich selbst gerne als „proud self-hating Jew“ bezeichnet (Audiatur-Online berichtete).

Natürlich schreibt Galtung auch selbst. In einem Editorial von 2009, „Dialectics of History: Germany-Israel“, setzt Galtung Israel mehrfach explizit mit Nazi-Deutschland gleich.[iv] Das hat wenig mit Dialektik zu tun, umso mehr aber mit purer Israelfeindschaft. Nach der gängigen EU-Arbeitsdefinition ist der „Vergleich der aktuellen Politik Israels mit der der Nazis“ darüber hinaus sogar als Antisemitismus zu verstehen. Galtung nennt explizit die Operation Gegossenes Blei (2008/2009), die er mit der Liquidierung des Warschauer Ghettos gleichsetzt, „a true copy of the Nazi German attack on the Warsaw ghetto“ in seinen eigenen Worten. Eine weitere „true copy of Nazi Germany“ sei der sogenannte „loyality oath“(Treueeid) des Netanyahu-Lieberman „Regimes“. Um seiner positiven Gesinnung gegenüber Israel und den Juden noch mehr Gewicht zu verleihen, setzt Galtung nicht nur Israel mit Nazi-Deutschland gleich, sondern behauptet zudem, die Juden hielten sich selber für überdurchschnittlich intelligent.

Es sind gerade solche Äusserungen, die hellhörig machen sollten. Sie sind für Galtung weder einmalig, noch neu. Wie Martin Krauss in der Jüdischen Allgemeinen schreibt, wurde Galtung bereits im Jahr 1987 von der Zeitschrift „links“ mit Antisemitismus-Vorwürfen konfrontiert. Galtung hatte damals die „Strategic Defense Initiative“, ein militärisches US-Weltraumprojekt zur Abwehr von Interkontinental-Raketen, als „Technik des Alten Testaments“ bezeichnet, da die Raketen wie der „Finger Gottes“ wirkten. Ausserdem betonte Galtung in diesem Zusammenhang anscheinend, dass 70 Prozent der am Projekt beteiligten Wissenschaftler Juden seien.[v]

Angesichts dieser erdrückenden Faktenlage bleibt die Frage offen, wie Galtungs Verteidiger ihre Behauptung, er habe eine positive Gesinnung gegenüber dem Staat Israel und dem jüdischen Volk, belegen wollen.



[i] Wacker, Gaudenz: Basler Friedensinstitut entlässt Johan Galtung, drs.ch, 08. August 2012 (aufgerufen am 04. September 2012)

[ii][ii] Wendenburg, Valerie: World Peace Academy suspendiert Galtung, tachles, 17.August 2012 (aufgerufen am 04. September 2012)

[iii] Narwani, Sharmine: Excuse Me, But Israel Has No Right To Exist, english.al-akhbar.com, 17. Mai 2012 (aufgerufen am 04. September 2012)

[iv] Galtung, Johan: Dialectics of History: Germany-Israel, Transcend Media Service, 1. Juni 2012 (aufgerufen am 04. September 2012)

[v] Krauss, Martin: Die Protokolle des Weisen von Zion, Jüdische Allgemeine, 30. August 2012 (aufgerufen am 04. September 2012)

Über Michel Wyss

Michel Wyss ist freischaffender Analyst bei der Audiatur-Stiftung und beschäftigt sich hauptsächlich mit Sicherheitspolitik im Nahen Osten. Er absolviert derzeit ein MA-Studium in Government mit Fokus auf Internationale Sicherheit am Interdisciplinary Center in Herzliya, Israel und ist als Research Assistant beim International Institute for Counterterrorism (ICT) tätig.

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2 Kommentare

  1. Jeder Antisemit wird zwangsläufig Kritik an Israel äußern. Aber nicht jeder der Kritik an Israel äußert ist zwangsläufig ein Antisemit. Und überhaupt Herr Wyss, scheinen Sie in dieser Diskussion den Punkt völlig verpasst zu haben: Es geht nicht darum Johan Galtung zu verteidigen. Es geht darum, den Mittleren Osten zu entschärfen und mit den Millionen dort Auswege aus der Gewalt und dem anhaltenden Misstrauen zu finden. Ihrer präpolarisierte Ferndiagnose einer “puren Israelfeindschaft” vermag ich nichts abzugewinnen. Ich habe den Artikel von Galtung durchaus gelesen. Auf Ihre Anregung hin. Was soll diese Aufregung? Glauben Sie wir haben alle vergessen was zwischen November 2008 und Juni 2009 da unten los war? Nicht alle haben vergessen, dass die Operation Cast Lead leider neben 13 Israelischen Toten auch 1166 (IDF) bzw. 1385 Palästinenser davon 138 (IDF) bzw. 425 Kindern und Frauen das Leben gekostet hat. Ein vorhersehbar unverhältnismäßiges “Ergebnis”. Wenn sich nun ein Friedensforscher, der seit 50 Jahren dafür plädiert, dass die Gewalt nur eine politische Sackgasse sein kann, über diesen rein numerisch völlig unverhältnismäßigen Blutzoll im schärfsten Ton aufregt, wollen Sie dass sich Ihre Leser wundern? Worüber genau? Wenden Sie Ihren Blick weg von den ad hominem Angriffen und besinnen Sie sich auf das worum es hier geht: Israel und seine Nachbarstaaten zu mehr Reziprozität und aufgeklärter Interdependenz zu verhelfen. Sowohl die Juden als auch die Araber in der Region haben genug gelitten.

  2. Antisemitismus ist schlimm. Die Sorte Rufmord, die Sie hier betreiben ebenfalls. Nicht jeder, der Israel kritisiert, ist zwangsläufig ein Antisemit. Vielleicht macht dieser Allgemeinplatz auch bei Ihnen irgendwann mal Klick. Bis dahin jagen Sie ruhig weiter Günter Grass, Desmond Tutu, Judith Butler, Johan Galtung und Noam Chomskys vor sich her. Wenn Sie meinen damit Israel einen Gefallen zu tun, nur zu.

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