Eigentor für Kühner

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"Marsch für Sarsak" in Bethlehem. Foto WAFA
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Wenn sich der Leser und die Leserin auf eins verlassen können, dann ist es Claudia Kühners Beständigkeit. Im Tages-Anzeiger erscheint ihr Name beinahe ausschliesslich in Artikeln, in denen es um Israel geht und auch nur in solchen, in denen sie das Land entweder kritisieren oder eine Schwäche hervorheben kann. Bei einer Suchabfrage auf der Website des Tages-Anzeigers erhält man die Schlagzeilen „Soziale Proteste ausser Kontrolle“, „Israels Empörte machen ihrem Ärger Luft“, „Israel wird nervös“ oder „Die ignorierte Realität“ und das sind nur ihre vier aktuellsten Beiträge. Man kann Kühner vieles vorwerfen, aber Unbeständigkeit in ihrer bösartigen Kritik an Israel gehört sicherlich nicht dazu.

Somit war ihr Beitrag vom 20. Juni über den palästinensischen Fussballspieler Mahmud al-Sarsak aka israelischer Häftling aka Hungerstreikender keine wirkliche Überraschung und nur beispielhaft für ihren einseitigen journalistischen Stil. Mit keinem Wort erklärt sie, warum al-Sarsak im Gefängnis sass, stattdessen gab es eine Tirade – wieder einmal und auch nicht überraschend – gegen die israelische Politik. Ihre Bemühungen, die Meinung zu verfestigen, dass die einzige Schuld der Palästinenser in israelischen Gefängnissen ihre Suche nach Freiheit sei, belohnt der Tages-Anzeiger mit der Dreistigkeit, den Artikel mit dem Titel „Ein Fussballer kämpft für die Freiheit“ zu veröffentlichen; doch wofür al-Sarsak – abgesehen von seiner Freiheit – sonst noch kämpft, bleibt in Kühners Berichterstattung auffällig aussen vor.

Um ihr Bilderbuch-Thema des Unschuldigen gegen den grossen, bösen Wolf zu untermauern, beginnt Kühner ihren Beitrag sogar als Märchen: „Es war im Juli 2009, als der Fussballer Mahmoud al-Sarsak vom Gazastreifen in die Westbank reisen wollte, um in Nablus zur palästinensischen Nationalmannschaft zu stossen“. Neben Fussballturnieren geht al-Sarsak in Wirklichkeit einer weiteren Nebenbeschäftigung nach und zwar für den in Gaza ansässigen Palästinensischen Islamischen Dschihad (PIJ). Laut dem Israel Democracy Institute haben viele Richter, von Bezirksgerichten bis zum israelischen Obersten Gerichtshof, basierend auf regulären Geheimdienstberichten ihre Besorgnis geäussert, dass al-Sarsak nach seiner Freilassung schnell wieder mit seinen alten Kameraden verkehren werde. Seine Inhaftierung wurde sechs Mal verlängert, jeweils von einem anderen Richter.

Wie immer schafft Kühner es nicht, auch nur mit einer israelischen Behörde oder Amt zu sprechen, die mit der Inhaftierung Sarsaks involviert ist. Kein einziges Wort ist der anderen Seite gewidmet und die einzigen Israelis, die sie sich bequemt zu zitieren, sind Aktivisten, die für al-Sarsaks Freilassung kämpfen; mit anderen Worten handelseinige Personen.

Statt die Fakten im Fall Sarsak zu benennen, zieht es Kühner vor (fairerweise muss gesagt werden, dass sie nicht die einzige ist), diese Geschichte ausschliesslich über den Fussball zu machen und die Verschwörungstheorie nachzuplappern, dass es im al-Sarsak Fall nicht um seine Mitgliedschaft in einer Terrororganisation gehe, sondern um Israels versteckte Agenda, den palästinensischen Fussball zu zerstören, weil er die Macht habe, Gaza mit dem Westjordanland zu versöhnen. (Mit Sicherheit hat der palästinensische Fussball allerdings nicht die Macht, Israel und Palästina zu versöhnen, weil der Vorsitzende des palästinensischen Fussballverbandes Jibril Rajoub – auf den Kühner verweist – unerbittlich und offen gegen jegliche Form der Normalisierung mit Israel wettert, darunter auch Freundschaftsspiele gegen die israelische Nationalmannschaft).

Offensichtlich begreift Kühner nicht die Vielseitigkeit der Menschen und dass sie typischerweise mehr als ein Interesse im Leben haben könnten; oder sie erliegt ihrem eigenen Trugschluss durch Auslassung; oder aber sie glaubt einfach, dass Fussballer nicht über die geistige Fähigkeit verfügen, anderen Interessen nachzugehen. Wie immer der Fall auch liegen mag schliesst die Hingabe an eine Aktivität, auch wenn es Fussball ist, andere Interessensgebiete nicht aus. Nur weil jemand ein Fussballspieler ist, heisst das nicht, dass er kein Terrorist sein kann.

Ihre Bemühungen, Israel in Verruf zu bringen, hat Kühner zu einer Art  Kirchenpredigerin gemacht, die auf das „Amen“ ihrer Schäfchen spekuliert. Ihre Artikel sind Beweis für fehlende Nuancen, Einsichten oder Analysen eines in Wirklichkeit äusserst komplexen Konflikts. Indem sie diesen auf eine vereinfachte Dichotomie des gut gegen böse, schwach gegen stark eingrenzt, erweist Kühner dem Thema einen schlechten Dienst. Als Ideologin verliert Kühner an Glaubwürdigkeit, die notwendig ist, um eine breite Leserschaft zu erreichen, und noch viel wichtiger, um als ernsthafte Beobachterin des arabisch-israelischen Konflikts wahrgenommen zu werden und stellt sich somit selbst ins Abseits. Vielleicht ist die fehlende Glaubwürdigkeit auf die Tatsache zurückzuführen, dass sie sich im Grunde zu einer Kolumnistin gewandelt hat, angeblich aber Nachrichtenjournalistin ist, ohne dass wir etwas von ihrer neuen Position mitbekommen haben.

Es ist wahrlich einfach, legitime Kritik gegen Israel zu erheben, beispielsweise etwa die Inhaftierung ohne formelle Anklage wie im Fall al-Sarsak. Doch wenn man mit Kritik die Situation verbessern möchte, muss sie durchdacht, gut recherchiert und konstruktiv sein – drei Kriterien, die Kühner nicht erfüllt. Anstelle von objektivem Journalismus setzt Kühner im besten Fall auf Meinungen, und im schlimmsten Fall auf Verschwörungstheorien. Es will erscheinen, dass ihr durch ihr einziges Ziel, eine anti-israelische Stimmung zu zementieren, und einer einseitigen Berichterstattung, die Fähigkeit abhandengekommen ist, Meinungen ändern zu können. Sie ist an dem Punkt angekommen, wo sie nur noch offene Türen einrennt, ungeachtet davon, ob bestimmte Punkte in ihren Beiträgen auch nur einen Kern Wahrheit beinhalten.

Ironischerweise hat sie ihre äusserste Zuverlässigkeit, eine Israel-Basherin zu sein, zu einer unzuverlässigen Quelle gemacht.

Shana Goldberg © Audiatur-Online