Israel und seine Diaspora: ein Modell

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Foto Ziko van Dijk. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons.
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Die jüdische Diaspora ist eine der grössten Bereicherungen für Israel. Durch sie sind Einwanderer, politische Unterstützung, Volontäre, Berater, Investitionen, Darlehen, Spenden, Technologien, Geschäftskontakte und Tourismus ins Land gekommen. Sie bereichert die Kultur und unterstützt Sportaktivitäten und Sportzentren. Die Liste von Zuwendungen aus der Diaspora ist lang, sie könnte mit Beispielen aus vielen Bereichern ergänzt werden.

Täglich könnten Israelis sich dieser Beiträge bewusst sein, würden sie nur ihre Augen öffnen. Wie viele Israelis, die am Azrieli Center in Tel Aviv vorbeifahren, wissen, dass sie ihn einer Investition aus der Diaspora verdanken? Noch besser ist deren Einfluss in Jerusalem zu sehen. Das Hadassah-Krankenhaus, das Sherover-Theater und das Gebäude des Obersten Gerichtshofes zum Beispiel sind nur einige der Schenkungen aus der Diaspora, ebenso viele Gebäude und Teile der Kollektion des Israel-Museums. Die Hilfsleistungen von Juden im Ausland an die Hauptstadt Israels sind fast grenzenlos.

Auch viele andere Nationen profitieren von der Hilfe ihrer eigenen Diaspora-Gemeinden, hauptsächlich in Form von Geldüberweisungen der Emigranten. Doch bisher hat kein anderes Land einen so weitreichenden Gewinn daraus ziehen können wie Israel. Die Chinesen kommen ihm wahrscheinlich am nächsten.

Die Beziehung zwischen Israel und seiner Diaspora könnte als Modell verstanden werden, für das bei anderen Nationen Werbung gemacht werden könnte – es zu kopieren, könnte ein wertvoller Gewinn für sie sein.

Darauf habe ich bereits in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre mit Artikeln aufmerksam gemacht; allerdings gab es kaum Reaktionen darauf.[1] Die Zeit für diese Idee war damals offenbar noch nicht gekommen; und seither ist zu viel Zeit vergangen. Bei einem Treffen des stellvertretenden israelischen Aussenministers Danny Ayalon mit seinem griechischen Amtskollegen Anfang des Jahres beschlossen beide, eine Konferenz zu eben diesem Thema abzuhalten – welcher Gewinn aus  Diaspora-Beziehung gezogen werden könne. Diese Konferenz war für nächsten Monat in Saloniki vorgesehen gewesen, wurde aber wegen der griechischen Regierungskrise verschoben.

Unbemerkt von der Öffentlichkeit hat das American Joint Distribution Committee in Israel seit einigen Jahren an Konzepten gearbeitet, wie ausgehend vom israelischen Modell Beziehungen zwischen Diaspora und Heimatland entwickelt werden können. Das gilt vornehmlich für Länder mit relativ niedrigem Bruttosozialprodukt. Für den kommenden Monat ist zu diesem Thema eine Konferenz in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Public Diplomacy (Information) und Diaspora-Beziehungen und dem Aussenministerium angesetzt.

Viele Methoden in der Diaspora-Israel Beziehung wurden in Israel entwickelt, man könnte sie „Rituale“ nennen. So kann ein wichtiger Geldgeber etwa erwarten, dass das Objekt seiner Spende seinen Namen trägt; auch Einweihungszeremonien sollte es geben.

Viele israelische Einrichtungen betreiben Fundraising, doch ein so variantenreiches Programm wie der Jewish National Fund JNF / Keren Kayemeth Leisrael KKL haben nur wenige: dort gibt es etwa das Baumzertifikat, Einweihungszeremonien im Wald mit speziellen Gebeten, das Anbringen von Namensplaketten, die Veröffentlichung der Spendernamen in der Tageszeitung und vieles mehr.

Gerade angesichts der sich verschlechternden Weltwirtschaft heute könnten viele Länder einen Gewinn daraus ziehen, die Beziehung zu ihrer Diaspora-Gemeinde zu verbessern. So ist in Israel diese Beziehung ungeplant gewachsen und könnte ausgebaut werden. Viele andere Länder könnten mit einer systematischen Beurteilung ihrer Lage ganz von vorne anfangen: Wie gross ist die Diaspora-Gemeinde und in welchen Ländern lebt sie? Wer sind besonders interessante Emigranten, Vermögende, die investieren oder spenden könnten, oder solche, die über wertvolles Wissen und Kenntnisse verfügen?

Vielleicht mag in manchen Ländern, wie zum Beispiel Italien, die Verbindung der Emigranten zum Heimatland ihrer Grosseltern nicht besonders intensiv sein und auch nur wenige Italienisch sprechen. Doch bestimmt gibt es eine besondere Nähe zu der Stadt, aus der ihre Vorfahren stammen. Das genauer zu untersuchten, könnte sich lohnen, da viele Migranten aus den ärmsten Regionen eines Landes kamen.

Zu einem solchen integrierten Ansatz zur Förderung der Beziehung zwischen Heimat und Diaspora gehören auch kulturelle Faktoren. In Italien und Griechenland, wo ich einige Pilotprojekte für grössere Firmen durchführte, haben einige bekannte Ortsansässige dagegen protestiert, sie meinten: „Das wird hier nicht funktionieren“.

Einmal in diesem Bereich engagiert, werden weitere ähnliche Projekte möglich. Als ich den Vorsitzenden einer grossen griechischen Zementfabrik zu Umwelt- und Sozialangelegenheiten beraten habe, machte ich den Vorschlag, einige Ideen des JNF zu übernehmen und anzupassen. Die Höfe der Zementfirmen, die seinen Zement kauften, waren für gewöhnlich sehr verschmutzt. Die Zementfabrik bot an, Teile der Höfe mit Jungbäumen zu bepflanzen, wofür sie auch aufkommen würde. Das hatte zur Folge, dass alle Anlagen von ihren Besitzern gereinigt wurden. Die Bepflanzungsfeierlichkeiten gelangten in verschiedenen Städten zu grosser Bekanntheit, und auch Regierungsräte und Bürgermeister kamen, um den ersten Jungbaum zu pflanzen. Der Baum mit meiner Namensplakette im Hof einer Zementfabrik nahe der Provinzstadt Kardista ist wohl weiter am Wachsen.

Systematisch aufgebaute Programme zur Verbesserung der Beziehung zwischen Heimatland und der Diaspora im Ausland wäre für Israel keine kostspielige Angelegenheit. Länder, die sich die Ressourcen ihrer eigenen Diaspora-Gemeinde besser zu Nutze machen können, würden am meisten davon profitieren. Israel würde durch den nützlichen Beratungsservice, den es zur Verfügung stellen könnte, zweierlei gewinnen: neue internationale Freunde und gute Publicitiy für sich selbst.

Dr. Manfred Gerstenfeld ist Aufsichtsratsvorsitzender des Jerusalem Center for Public Affairs.

[1] Manfred Gerstenfeld, “Israel-Jewish Diaspora Experience as a Model for Other State-Diaspora Relationships,” in Daniel Elazar and Morton Weinfeld (ed.), Still Moving, (New Brunswick, NJ: Transaction Publishers, 2000), 299-310.