Al-Qaida tritt in den Kampf gegen das syrische Regime ein

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Seit dem Beginn der syrischen Revolte gegen das Assad-Regime ist kein bedeutendes Oppositionsorgan als potenzielle Alternative für das alawitische Regime entstanden. Der Kampf um Syrien ist in einen konfessionellen Konflikt übergegangen, der von extremen Salafisten und anderen islamistischen Splitterorganisationen in einem sorgfältig abgestimmten Aufstand, koordiniert und befeuert von Al-Qaida-Funktionären, angeführt wird.

Tatsächlich könnte der Syrische Nationalrat, die wichtigste Oppositionspartei, sich durchaus in einem Prozess der Auflösung befinden. Sein Vorsitzender im Exil, Burhan Ghalioun, trat am 24. Mai von seiner selbsternannten Position zurück, nachdem er erkannt hatte, dass er durch die Ausweitung seiner Autorität über die Freie Syrische Armee (FSA), die bis vor Kurzem der hauptsächliche kämpfende Arm der Rebellion war, speziellen Problemen gegenüberstand.

Die FSA ist nicht mehr die alleinige Kraft im Kampf gegen Assad. Wie in Ägypten ist es den Muslimbrüdern auch in Syrien gelungen, sich die Revolution eigen zu machen und schliesslich zu ihrem Rückgrat zu werden. Mithilfe ihres globalen Netzwerkes ermöglichen die Muslimbrüder es muslimischen Kämpfern aus der ganzen Welt, den Reihen im Kampf gegen Assad beizutreten. Als Resultat hat die FSA ihre Reihen mit Kämpfern, deren „Lebensläufe“ Schlachtfelder wie Afghanistan, Pakistan, Irak und Libyen miteinschliessen, aufgestockt. Dieser Zustrom hat solch ein Ausmass erreicht, dass Russland im März erklärte, Assad kämpfe gegen von der Al-Qaida unterstützte „Terroristen“, darunter mindestens 15.000 ausländische Kämpfer. In der Tat hielt der Al-Qaida-Führer Ayman al-Zawahiri im Februar Muslime dazu an, den syrischen Rebellen zur Hilfe zu kommen.

Beweise für die Rekrutierung radikaler Muslime gegen das syrische Regime verbreiten sich immer weiter und spiegeln die mögliche Entwicklung Syriens zu einem Magneten für muslimische Kämpfer wieder, die einst in Irak und Afghanistan nach Dschihad und Märtyrertum suchten.

Im Mai erklärte Assad in seinem ersten Interview nach fast sechs Monaten, sein Land habe ausländische Söldner gefangengenommen, die auf Seiten der Opposition kämpften. Anfang Mai hatte Syrien eine Liste mit 26 Namen von festgenommenen Ausländern an die Vereinten Nationen geschickt und behauptet, die meisten von ihnen seien Mitglieder von Al-Qaida.

Der UN-Generalsekretär erklärte am 16. Mai, er glaube, dass militante Islamisten von Al-Qaida hinter zwei am 10. Mai in Syrien mit Autobomben verübten tödlichen Selbstmordanschlägen steckten.

Andere bewaffnete Gruppen, rekrutiert aus den Reihen der sunnitischen Radikalen, sind entlang der Grenze zur Türkei, dem Libanon, Irak und Jordanien entstanden, um in Syrien Dschihad gegen „das häretische Ba’ath-Regime“ zu führen.

Die Syrier behaupten auch, dass Libyen und die Türkei mit anderen Staaten kooperierten, um Terrorgruppen in Syrien tödliche Waffen zu schicken. Ihr Beweis ist ein in Libanon beschlagnahmtes Schiff, das für die syrischen Rebellen bestimmt und mit 150 Tonnen Waffen und Munition beladen war, die höchstwahrscheinlich aus Libyen stammten.

Darüber hinaus hatte nach iranischen Quellen Abd al-Hakim Balhadsch, der berüchtigte Al-Qaida-Kommandeur der Region Tripolis in Libyen und Mitglied der Übergangsregierung, in der Türkei Verhandlungen mit syrischen Rebellen über die Lieferung von Waffen und Munition geführt.

Die schrittweise Transformation der syrischen Opposition in eine von, mit Al-Qaida koordinierten, extremistischen Muslimen geführte Bewegung leistet der Opposition einen schlechten Dienst. Die Mehrheit der Syrer identifiziert sich nicht mit diesen Radikalen. Im Gegenteil, je mehr die Opposition die Maske von Al-Qaida trägt, desto stärker wird der Zusammenhalt in den Reihen um Assad, der Entschlossenheit gezeigt hat, die Rebellen um den Preis, ein international Geächteter zu werden, zu bekämpfen. Der Zerfall der Opposition spielt in seine Hände, genau wie die Tatsache, dass sein Krieg gegen Al-Qaida geführt wird.

Im Libanon, das als Syriens Hinterhof gilt, ist nach syrischen Angaben die Stadt Tripoli im Norden des Landes zu einem Stützpunkt für die bewaffneten Rebellen geworden. Damaskus hat einen Brief an die UN geschickt, in dem es die Libanesen beschuldigt, Al-Qaida und die Muslimbruderschaft dabei zu unterstützen, sich entlang der Grenze zu Syrien zu etablieren, und in dem es die Türkei und Libyen dafür kritisiert, dass sie die syrischen Rebellen mit Waffen versorgen. Der Brief erklärte auch, dass von libanesischen Salafisten und der Zukunftsbewegung, geleitet vom Sohn des ermordeten Politikers Rafik al-Hariri, geführte Wohltätigkeitsorganisationen benutzt würden, um Terroristen im Libanon einen sicheren Hafen zur Verfügung zu stellen.

Die Ereignisse im Libanon bieten eine einzigartige Perspektive. In der Tat sind die Strassenkämpfe, die dort im Mai zwischen Alawiten und Sunniten ausbrachen, ein Spiegelbild der Ausweitung des Krieges zwischen zwei Allianzen, mit Syrien, Iran und Hisbollah auf der einen und eine von Saudi-Arabien und seinen Verbündeten geführte Allianz, einschliesslich ihrer fundamentalistischen salafistischen und muslimischen Truppen, auf der anderen Seite. Darüber hinaus ist der Kampf um die Zukunft Syriens symptomatisch für die Wiederbelebung des Kalten Krieges zwischen dem Westen, mit den USA, Grossbritannien, Frankreich und Türkei hinter den Truppen gegen Assad, und Russland, das standhaft zum alawitischen Regime hält.

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Oberst a. D. Dr. Jacques Neriah, spezieller Analyst für den Nahen Osten am Jerusalem Center for Public Affairs, war aussenpolitischer Berater des israelischen Ministerpräsidenten Jitzchak Rabin und stellvertretender Leiter für Informationsbeurteilung im Nachrichtendienst der israelischen Streitkräfte.

Kurzfassung der Originalversion: Al-Qaeda and the Jihadists Join the Battle against the Syrian Regime by Jacques Neriah © Jerusalem Center for Public Affairs, May 28, 2012.