Der Ayatollah der Ablehnung: kompromissbereit?

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Die kürzlich in Istanbul geführten Atomgespräche zwischen den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates zusammen mit Deutschland und dem Iran haben die Welt aufmerksam gemacht auf die möglichen Bedingungen eines Abkommens, wenn sich die Beteiligten wieder treffen – voraussichtlich am 23. Mai in Bagdad. Wie kommt es zu der scheinbar neuen Bereitschaft der iranischen Führung, ein Abkommen zu erreichen?

Wirtschaftliche Sanktionen und politische Isolation haben das iranische Regime natürlich tief getroffen, besonders die Revolutionsgarden, deren Anführer und Handelstätigkeiten von der internationalen Gemeinschaft ins Visier genommen wurden. Doch das sind bei weitem nicht die einzigen Faktoren.

Die iranische Propaganda stellt die Istanbul-Gespräche bereits als Triumpf für die Islamische Republik und als Rückschlag für den Westen dar. Tatsächlich ebnet das Regime den Weg für einen massgeblichen Kompromiss, indem sowohl die iranische Öffentlichkeit und die weltweite Gemeinschaft darauf vorbereitet werden.

Wir erinnern uns, dass der Iran um sein Image genauso besorgt ist wie um seine nuklearen Errungenschaften. Eine erfolgreiche Strategie muss den Iranern die Möglichkeit lassen, die Gespräche mit einem Lächeln auf Lippen abzuschliessen, auch wenn die Islamische Republik die empfindlichsten Teile ihres Atomprogramms aufgibt.

Die USA und ihre Alliierten müssen ihre zweigleisige Strategie beibehalten: sie müssen den politischen Druck und die wirtschaftlichen Sanktionen auf den Iran erhöhen, während sie ernsthafte Verhandlungen fortsetzen. Sie sollten auf Transparenz im iranischen Atomprogramm beharren, während sie eine allmähliche Lockerung der Sanktionen im Gegenzug für nachweisliche Garantien anbieten, dass das iranische Regime die Entwicklung von Nuklearwaffen nicht fortsetzt. Wenn diese Strategie insgesamt zusammenbricht, bleibt ein militärischer Präventivschlag, ob von Israel oder den USA, eine Option.

Unabhängig von ihrem Ausgang haben die neuen Verhandlungen Ayatollah Ali Khamenei, den obersten iranischen Rechtsgelehrten, in eine heikle Situation gebracht. Für den Letztverantwortlichen der iranischen Atompolitik ist ein Kompromiss genauso gefährlich wie das Beharren auf seinem Standpunkt. Es könnte dies die letzte Chance für die iranische Führung sein, ihre Atompolitik zu ändern, eine militärische Auseinandersetzung zu vermeiden und die Wirtschaft des Landes zu retten. Doch Zugeständnisse in der nuklearen Frage könnten auch Khameneis innenpolitisches Monopol untergraben.

Khamenei ist kein lebensmüder Dschihadist. In den 23 Jahren seiner Führung hat er es vermieden, sich an riskanter innen- wie aussenpolitischer Politik zu beteiligen. Doch ist er auch nicht immun gegen Fehleinschätzungen. Beispielsweise bedauert Khamenei es zutiefst, Mahmud Ahmadinejad in den Präsidentschaftswahlen 2005 unterstützt zu haben. Ahmadinejad missachtete seine Befehle, versuchte ihn in der Öffentlichkeit zu diskreditieren, indem er seine Autorität als Oberster Führer herausforderte, und unterlief wichtige Institutionen, darunter die Justiz und das Parlament.

Die beunruhigende Schlussfolgerung daraus: Auch wenn Khamenei eine militärische Konfrontation nicht sucht, könnte er falsch einschätzen, wie sie zu vermeiden ist.

Khamenei hat ausserdem ein tieferes Problem: er ist eben nicht Ayatollah Ruhollah Khomeini, sein Vorgänger. Khomeini war so selbstsicher, seine Autorität so stabil, dass er keine Angst vor Zugeständnissen hatte, wenn er sie zum Wohle des Regimes für notwendig hielt. Khameneis politisches Schicksal ist eng mit der aktuellen Atompolitik verbunden, und es fehlt ihm das Charisma und die notwendige Autorität, die politische und religiöse Elite zu einem Kompromiss zu bewegen.

Für Khamenei ist die nukleare Macht kein Ziel, sondern ein Mittel, den Westen und seine regionalen Verbündeten zu zwingen, die strategischen Interessen des Regimes anzuerkennen. Ausserdem glaubt der Oberste Führer, dass der Westen die Islamische Republik durch einen „weichen“ Angriff auf Kultur und Politik zu untergraben versucht und dass ein Kompromiss beim Atomprogramm unweigerlich zu Zugeständnissen im Bereich der Menschenrechte und Demokratie führen würde und letztendlich zu einem Regimewechsel.

Daher ist ein Schlüsselelement für einen nuklearen Kompromisses die Garantie, dass der Westen die iranischen Führer nicht zu stürzen beabsichtigt. Es könnte sein, dass Khameneis Forderung einer solchen Garantie die finanzielle und politische Unterstützung für Oppositionsgruppen und die Zensur des Internets mit einbezieht.

Die atomare Krise sollte durch Verhandlungen gelöst werden, bevor sich das Fenster schliesst, wie Präsident Barack Obama gesagt hat. Das Problem für Khamenei – und folglich für diejenigen, die mit ihm verhandeln – ist, dass ein Erfolg für den Obersten Führer nur von dürftigem Nutzen ist. Die grösste Hürde für einen erfolgreichen Ausgang ist der Widerspruch, der in seiner Situation selbst liegt: wenn er einen Kompromiss eingeht, muss er sein Gesicht wahren; aber um sein Gesicht zu wahren, darf er keinen Kompromiss eingehen.

Gekürzte Fassung der Originalversion: The Ayatollah of Rejection May Be Contemplating Compromise by Mehdi Khalaji © The Washington Institute, May 12, 2012. All rights reserved.