WPA Basel hofiert den „Friedensforscher“ Johan Galtung

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Bereits zum zweiten Mal innert einer Woche wird der norwegische Begründer der sogenannten Friedensforschung Johan Galtung heute Abend im Rahmen der Basler Friedensakademie ein öffentliches Referat halten. Doch seine Auftritte sind alles andere als unumstritten, fiel doch Galtung vor allem durch wirre Äusserungen auf. So schrieb er etwa in der norwegischen Zeitschrift Humanist von einer Verbindung zwischen dem Utøya-Attentäter  Anders Breivik und dem Mossad. Es sei nicht auszuschliessen, dass Breivik vom Mossad Anweisungen erhalten habe.

Daraus entwickelte sich eine Debatte mit dem Journalisten John Færseth, der Galtung für seine Äusserungen angriff. Wer Galtungs Behauptung der Mossad-Breivik-Connection für irre hält, erfährt mehr über seinen Irrsinn in einem weiteren Beitrag von ihm. [i] Darin schlägt Galtung nicht bloss vor, die Protokolle der Weisen von Zion zu lesen (bei deren Lektüre er unweigerlich an Goldman-Sachs denken müsse). Er behauptet zudem noch allen Ernstes, dass sechs jüdische Unternehmen 96% der weltweiten Medien kontrollieren würden. Unglaublich, aber Galtung verlinkt seine These zu einem ominösen Blog, der seine Informationen wiederum aus einem Dokument namens „Who rules America?“ bezieht. Dies stammt von der amerikanischen Neonazi-Organisation The National Alliance.  Nochmals: Galtung will eine jüdische Dominanz der Medien offenlegen und bedient sich dafür an Zahlen und Fakten aus Neonazi-Kreisen.  Vorwürfe, er argumentiere antisemitisch, tut Galtung als „Nonsens“ ab.

In einem Interview mit der Haaretz meinte Galtung dann, es sei unwahrscheinlich, dass der Mossad hinter dem Attentat stecke, aber ohne Beweise sei es nicht legitim, diese Hypothese zu verwerfen.[ii] Anders gesagt, solange nicht die Unschuld des Mossad bewiesen würde, bleibt er ein potentieller Täter. Doch damit nicht genug, Galtung spricht auch vom „schrecklichen Auschwitz“, das aber zwei Seiten gehabt hätte. Es sei nicht unproblematisch, dass die Juden Schlüsselposition in einer Gesellschaft eingenommen hatten, die den Versailler Vertrag als tiefe Schmach empfand. Das rechtfertige zwar niemals die schrecklichen Verbrechen, aber das sie zu Antisemitismus führen würde, sei vorhersehbar gewesen. Galtungs irrer Weltanschauung zufolge sind also die Juden am Antisemitismus schuld.

Laut Dietrich Fischer, dem Leiter der Friedensakademie, gehe es Galtung darum, Antisemitismus zu verhindern. Er habe lediglich eine „Erklärung für die Gewalt an den Juden“ gesucht, wie Fischer gegenüber der Basler Zeitung erklärte.  Wie problematisch aber ein solches Erklärungsmodell bereits an sich ist, schien Fischer nicht aufzufallen. Es ist allerdings nicht weiter verwunderlich, dass Fischer es sich nicht nehmen lässt, Galtung zu verteidigen. Schliesslich ist Fischer der Co-Direktor von TRANSCEND, „einem globalen Friedens- und Entwicklungsnetzwerk“, welches 1995 gegründet wurde- von niemand anderem als Johan Galtung. Transcend ist daher auch eine der Partnerorganisationen, mit der Fischers Friedensakademie zusammenarbeitet. Auch Fischer vertritt interessante Ansichten. Zum Thema Zwangsheirat fällt ihm als Lösung etwa „Verständnis“ und „Dialog“ ein, anprangern nütze nichts. Ein Hohn für jede Frau, die mit diesem Schicksal konfrontiert wird.[iii]

Überhaupt scheint die Friedensforschung ein Sammelbecken für allerlei wunderliche Gestalten zu sein. So etwa auch Daniele Ganser, der den 11. September weiter untersuchen will und glaubt, dass es in Wahrheit um einen Krieg um das Erdöl gehe. Das sei auch der Grund für den drohenden Angriff gegen den Iran wie er kürzlich in einer Talksendung verkündete. Ganser ist sich auch nicht zu schade, um sich von den Verschwörungstheoretikern von der Online-Plattform info8 einspannen zu lassen. Oder auch Albert Stahel, Strategieexperte an der ETH und Uni Zürich, der gerne mal den Pressesprecher der Hisbollah auf einen Schwatz trifft, passt in dieses Schema.

Allen ist gemein, dass sie insbesondere an den USA und dem Westen nichts Gutes finden. Verglichen mit Galtung sind ihre Äusserungen aber geradezu harmlos. Galtung nämlich hatte schon vor Jahren die Vernichtung Washingtons vorgeschwebt, als Vergeltung für Amerikas Arroganz. Dafür kann er umso besser mit Despoten, seien es die UdSSR, Kuba oder aber China unter Mao Zedong. Über letzteres meinte Galtung gar, „es sei unendlich befreiend, wenn man es aus einer Perspektive betrachtet, welche die liberale Theorie nie verstanden hatte.“

Offenbar ist Galtung in Basel ein gerngesehener Gast, für den September sind nämlich bereits zwei weitere Veranstaltungen mit ihm angekündigt.

 


[i] McGonagall: Johan Galtung and his anti-Semitic rant in Humanist, israelwhat.com, 27.04.2012 (aufgerufen am 08.05.2012)

[ii] Aderet, Ofer: Pioneer of global peace studies hints at link between Norway massacre and Mossad, haaretz.com, 30.04.2012 (aufgerufen am 08.05.2012)

[iii] Walthard, Peter: Der Professor und die „Protokolle“, Basler Zeitung, 06.05.2012

Über Michel Wyss

Michel Wyss ist freischaffender Analyst bei der Audiatur-Stiftung und beschäftigt sich hauptsächlich mit Sicherheitspolitik im Nahen Osten. Er absolviert derzeit ein MA-Studium in Government mit Fokus auf Internationale Sicherheit am Interdisciplinary Center in Herzliya, Israel und ist als Research Assistant beim International Institute for Counterterrorism (ICT) tätig.

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1 Kommentar

  1. Schon in den 80er Jahren, so 1984 mit seinem Buch "Hitlerism, Stalinism, Reaganism", galt dem Friedensforscher Galtung die Atombombe als "monotheistisch" – was ihm mit den Verweis auf bedeutende Nuklearforscher, die Juden waren, als belegt galt. Zwar waren und sind (!) derartige Denkfiguren – man möchte sagen "subkutan" – der deutschen Friedensbewegung immanent, doch den Beiträgen Galtungs war das brodelnde Gemenge aus Antiamerikanismus und Antisemitismus schon seinerzeit auf den ersten Lektüreblick abzulesen.
    Kurz: Es war Unterfutter für den Nihilismus, der im Namen des Friedens Judenfeindschaft etabliert. Die Geschichte der Friedensbewegung ist noch nicht geschrieben!
    Karl H. Klein-Rusteberg
    Geschäftsführer
    Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit e.V. in Essen/Deutschland

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