Ägyptens Salafisten – was kommt?

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Ägyptens salafistische Islamisten sind ein Abschiedsgeschenk des von den USA unterstützten Mubarak-Regimes. Mubarak hatte die Salafisten zum einen als Gegengewicht zur politischer gesinnten Muslimbruderschaft herangezüchtet, aber auch, um bessere Beziehungen zu Saudi-Arabien zu fördern. Kein Wunder also, dass die Salafistenführer in den ersten Tagen des ägyptischen Aufstandes gegen Mubarak der grundsätzlichen saudisch-wahhabitischen Linie folgten, dass Proteste der Bevölkerung „unislamisch“ seien und dazu beitrügen, Fitna und Zwietracht zu verbreiten.

Als säkulare und liberale arabische Aktivisten das Regime dann stürzten, machten salafistische Führer wie Mohamed Hassan eine neue Rechnung auf. Was eben noch unislamisch gewesen war, wurde nahezu über Nacht plötzlich völlig islamisch. Die Fitna politischen Protests wurde Wajib, eine religiöse Verpflichtung, sich an der Politik zu beteiligen – um die salafistische Auffassung von der Scharia zu unterstützen.

Es war die Legalisierung der salafistischen Satelliten-TV-Kanäle, Moscheen, Buchläden und Studienversammlungen und der Einfluss von Studentenvereinen und gelehrten Geistlichen, die dazu beitrugen, dass die salafistische Al-Nour-Partei (Partei des Lichts) sich beinahe 30 Prozent der Stimmen für das Unterhaus des ägyptischen Parlaments sicherte.

Die gleiche Energie wurde dem Präsidentschaftskandidaten Hazem Abu Ismail zuteil, dessen Kandidatur vor Gericht verhandelt wird, und in jüngster Zeit auch Safwat Hegazy, der als Kandidat von der radikaleren al-Dschama’a al-islamiyya gefördert wurde. Was auch immer die Nachteile von Abu Ismail und Hegazy – und es sind viele –: sie haben unfreiwillig zur Mobilisierung ihrer vielen Anhänger für die demokratische Politik beigetragen. Wenn nun beide Männer nicht mehr im Rennen sind, was geschieht dann mit ihrer politischen Basis?

Zweifellos werden einige für Khairat al-Shater von der Muslimbruderschaft stimmen. Dessen ist Shater sich bewusst, wenn er von „islamischen Referenzen“ für sein „Wiederbelebungsprojekt“ schwadroniert und offen die Scharia als Quelle für die Gesetzgebung vorschlägt. In Wirklichkeit, vermute ich, werden wir sehen, dass Shater einmal an der Macht mehr darauf bedacht sein wird, die Märkte als die Moscheen der Salafisten zu beschwichtigen. Doch die Salafisten, die Shater unterstützen, sind nicht das Problem.

Die eigentliche Gefahr besteht darin, dass sich viele jugendliche Salafisten in den Moscheen und Universitäten in Alexandria und anderswo vom Präsidentschaftsrennen und damit vom zentralen Blutkreislauf der ägyptischen Politik in den kommenden Jahren regelrecht abgeschnitten fühlen werden. Über eine Verschwörung gegen die Salafisten hat es bereits viel Gerede gegeben, was dazu führte, dass die amerikanischen Verbindungen von Abu Ismails Mutter offengelegt wurden. Die Kraft von Verschwörungstheorien liegt darin, dass sie nicht untermauert werden müssen – wenn die Salafisten die Idee für wahr halten, dass eine Verschwörung aus Tel Aviv, Washington und Kairo sie von der Macht abzuhalten sucht, dann genügt das, um Missstände hervorzurufen.

Führer von al-Dschama’a al-islamiyya, die der Gewalt abgeschworen hatten, hatten wiederholt gesagt, dass die neuen Freiheiten Ägyptens ihnen erlauben würden, in den politischen Mainstream einzustimmen und politische Gewalt daher überflüssig machten. Wenn nun die Salafisten nicht länger einen eigenen Kandidaten haben und vom Präsidentschaftsrennen ausgeschlossen sind, werden einige von ihnen wieder zur Gewalt greifen? Und wenn nicht zur Gewalt, dann womöglich zu grösserem Abstand bis hin zur Feindschaft dem Präsidenten, dem Zentralstaat und seinen Anhängern gegenüber? Noch ist es nicht absehbar, aber das Risiko zunehmender Missstände, die Separatismus und Konfrontation unter den Salafisten befeuern, darf nicht unterschätzt werden. Die kommenden Monate in Ägypten werden für alle Betroffenen hart sein.

Originalversion: Where Next for Egypt’s Salafis? by Ed Husain © Council on Foreign Relations, April 10, 2012. Deutsche Übersetzung © Audiatur-Online.