Wieder vermasselt: die israelische Regierung und ihre PR

0
Günter Grass beim Blauen Sofa. Lizenziert unter CC BY 2.0 über Wikimedia Commons.
Lesezeit: 3 Minuten

Es ist schwer, sich eine banalere Geschichte vorzustellen – und doch ist es Israel und seinen weniger schlauen Verteidigern gelungen, die klassische Schlagzeile „Hund beisst Mann“ in „Mann jault hysterisch auf und macht aus einer Maus einen Elefanten“ zu verwandeln. Für diejenigen, die nicht aufgepasst haben: Günter Grass, ein deutscher Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger, der aus irgendeinem Grund als das moralische Gewissen einer Generation angesehen wird (hat offenbar was mit der Ablehnung der Nazis zu tun – allerdings kein grosses Kunststück in den 1960ern, von denen wir reden), hat kürzlich ein Gedicht geschrieben, in dem er einige kritische Bemerkungen über jedermanns liebsten ethnisch-chauvinistischen Staat machte (Jewdar meint das nicht negativ – er ist unser liebster ethnisch-chauvinistischer Staat). Eigentlich hätte dies kaum mehr als ein Aufflackern auf irgendwelchen Radarschirmen verursachen sollen – aus mehreren Gründen:

  1. Es ist ein Gedicht, um Himmels willen. Jetzt ernsthaft: wer zum Teufel interessiert sich für Poesie? Obendrein handelt es sich um die Art beschissener Dichtung, die sich nicht reimt, die voller banaler, abgedroschener Verse ist („gealtert und mit letzter Tinte“, ach ja? Sollen wir wirklich glauben, Herr Grass wird nichts mehr schreiben, nun, da seine letzte Tinte verbraucht ist?) und die weniger als Gedicht daherkommt denn als Prosa, zerlegt in ungelenke Satzfragmente. So betrachtet, haben wir damit – abgesehen von ein paar Zeilen über seine persönlichen Gefühle als Deutscher, der Israel kritisiert – hauptsächlich eine Reihe politischer Vorschläge (wie die Forderung, dass israelische und iranische Nuklearanlagen von einer internationalen Behörde kontrolliert werden sollen). Das Ding liest sich wie eine von William Shatner vorgetragene Kolumne (probieren Sie‘s, versuchen Sie es zu lesen wie Captain Kirk, Sie werden sehen, was wir meinen.) Es ist nicht die Ode an eine griechische Urne.
  2. Es ist von Günter Grass. Okay, ein Literaturnobelpreisträger –  aber was von seinem Schreiben zuletzt für Aufmerksamkeit gesorgt hat, war die erste Teillieferung seiner Memoiren, in der er zugab, in der Waffen-SS gewesen zu sein.
  3. Er war in der Waffen-SS. Nun, Jewdar hat genug Ahnung von Geschichte, um diese Tatsache weder für wichtig zu halten noch einem 17-jährigen Kind die Schuld dafür zu geben, in der Waffen-SS gedient zu haben. Allerdings könnte man annehmen, dass diese Tatsache doch einige Gegenargumente gegen übertriebene, aber eher bedeutungslose Kritik an Israel liefert. Wie wäre es, einfach zu sagen: „Veteran der Waffen-SS kritisiert Israel“? Übertrieben, aber eher bedeutungslos, und dabei dankbar, da es die Sache auf den Punkt bringt.
  4. Die Kritik war übertrieben, aber eher bedeutungslos. Gewiss, es ist schwierig, in den ziemlich banalen Forderungen nach internationaler nuklearer Aufsicht Antisemitismus zu erkennen, und Anschuldigungen in diese Richtung scheinen ein bisschen zu viel des Guten.

Er will also nicht, dass Deutschland U-Boote an Israel liefert, die für einen nuklearen Angriff gegen den Iran verwendet werden könnten, und er sagt, „die Atommacht Israel gefährdet den ohnehin brüchigen Weltfrieden“. Man könnte dagegen halten,  es sei „die Möchtegernatommacht Iran, die den ohnehin brüchigen Weltfrieden gefährdet, indem sie die Atommacht Israel bedroht“, doch wer sind wir, uns mit Günter Grass anzulegen, dieser grossen intellektuellen Leuchte, diesem Sprachrohr der Moral?

Also, wie die Überschrift dieses Stücks schon sagt, wäre dies alles nicht der Rede wert  – wenn  die israelische Regierung nicht ein paar Tage später ein Einreiseverbot nach Israel für Grass verkündet hätte. Mit anderen Worten: nachdem er dem negativen Vergleich ausgesetzt wurde, die Redefreiheit nach Art eines autokratischen Theokraten zu bestrafen, bestraft der Innenminister von Schas die Redefreiheit, und zwar auf dümmstmögliche Weise: indem er einem Schriftsteller die Einreise verweigert, der sowieso nicht vorhatte, nach Israel zu kommen.

Jetzt werden natürlich Israels weniger schlaue Verteidiger zweifellos zornig werden und darauf hinweisen, dass der Iran Todesurteile gegen Schriftsteller fällt, während Israel ihnen lediglich die Einreise verbiete. Doch wenn ihre Verteidigung an diesem Punkt angelangt ist, nicht so schlimm zu sein wie der Iran – haben sie da nicht bereits verloren?

Originalversion: Israeli Government Screws Up PR Again by Jewdar © Heeb Magazine, April 10, 2012