Wie Böll den Frieden in Nahost sichern will

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Berlin, Mitte, Schumannstrasse 8, Heinrich-Boell-Stiftung. Foto Beek100 Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons.
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Die Böllstiftung hat israelische, palästinensische und deutsche Experten gebeten, sich Gedanken über internationale „Friedenstruppen“ nach Zustandekommen einer „Zwei-Staatenlösung“ in Nahost zu machen. Ob diese vermeintlich alternativlose Lösung jemals zustande kommt angesichts der zahllosen Hindernisse und Widerstände bei allen Beteiligten, weiss niemand. Gleichwohl beflügelt die „Zwei-Staatenlösung“ die Fantasie vieler Menschen.

In keiner anderen Region der Welt tummeln sich jetzt schon so viele internationale Organisationen und Truppen wie in und um Israel: UNDOF, UNIFIL, UNTSO, UNMO, MFO, EUPOL COPPS, EUBAM Rafahund weitere. Jede überwacht irgendwas: Frieden, einen Waffenstillstand oder die Einhaltung der Menschenrechte.

Die United Nations Disengagement Observer Force (UNDOF) wurde im Mai 1974 geschaffen, um das Entflechtungsabkommen zwischen Israel und Syrien auf den Golanhöhen zu überwachen. Die schlimmsten Erzfeinde, Israel und Syrien, trennt seit fast 40 Jahren die ruhigste Grenze in Nahost. Ärger und Tote gab es, als Assad vor einem Jahr hunderte Zivilisten zur Grenze schickte, um „Israel zu stürmen“. Die UNDOF-Soldaten erklärten sich für „nicht zuständig“. Zivilisten gehören nicht zu ihrem Mandat. Die Ruhe hält dennoch an, weil weder Israel noch Syrien einen frontalen Krieg wollen. In der UNDOF dienen 1046 Soldaten zum Preis von 50 Millionen Dollar pro Jahr.

Die United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL) sitzt seit 1978 im Südlibanon. Die UNO-Truppe sollte einen israelischen Rückzug überwachen und Grenzverletzungen verhindern. Das hinderte weder die PLO noch die Hisbollah daran, Israel mit Raketen zu beschiessen. 1982 marschierte Israel erneut ein.

Die UNIFIL-Soldaten räumten ganz schnell ihre Wachhütten, um nicht von Panzern überrollt zu werden. Mit ihren leichten Waffen zur Selbstverteidigung hätten sie sich der israelischen Armee nicht in den Weg stellen können. 1996 benutzte die Hisbollah die Nähe eines UNIFIL-Lagers als „Schutzschild“, um Raketen auf Israel abzuschiessen. Die Israelis schossen zurück und töteten über 100 Flüchtlinge in dem UNO-Lager bei Kana. Die UNIFIL war unfähig, die Hisbollah auf Distanz zu halten. Nach dem Zweiten Libanonkrieg im Sommer 2006 erhielt die UNIFIL ein „robustes Mandat“. Sogar die Bundesmarine ist beteiligt, Waffenschmuggel in Richtung Libanon zu verhindern. Die Hisbollah hat dennoch mit mutmasslich 40,000 geschmuggelten Raketen aufgerüstet und unterhält im grenznahen Territorium der UNIFIL in den Felsen geschlagene militärische Bunker. Gelegentlich fliegen hier mit gewaltigen Explosionen Häuser in die Luft. Das sind peinliche Beweise für die Unfähigkeit der UNIFIL, die Hisbollah fern zu halten.

Die 12,138 Soldaten der UNIFIL kommen aus verschiedenen Länder Europas, Asiens, Südamerikas, Afrikas und sogar des Nahen Ostens. Sie kosten über eine halbe Milliarde US-Dollar im Jahr.

Nur selten hört man von einem Relikt des israelischen Unabhängigkeitskrieges von 1948. Bei der United Nations Truce Supervision Organization (UNTSO) dienen 151 Soldaten zum Preis von 70 Millionen Dollar pro Jahr. Gemäss ihrer Selbstdarstellung helfen sie „Stabilität in den Nahen Osten zu bringen“. Doch seit 1948 hat es ein Dutzend Kriege gegeben, die sie alle nicht verhindern konnten. Im Sinai existiert noch die niemals aufgelöste Truppe der United Nations Military Observers (UNMO), bestehend aus vier Männern. Da die UNO den Frieden zwischen Israel und Ägypten nicht anerkannt hat, haben die Vereinten Nationen nicht registriert, dass alte von ihr gezogene Waffenstillstandslinien längst hinfällig geworden sind.

Ohne internationale Friedenstruppe geht es trotz oder wegen Frieden auch im Sinai nicht. Im Rahmen des Friedensvertrags zwischen Israel und Ägypten wurde 1982 die Errichtung der Multinational Force and Observers (MFO) beschlossen. 1656 Soldaten aus 12 Nationen, darunter der Tschechei und den Fidschi-Inseln, wachen darüber, dass Ägypten kein Militär mit schweren Waffen in den entmilitarisierten Sinai verlegt.

Die Europäer schicken eigene Uniformierte nach Nahost. Polizeioffiziere der EURO Copps (zu Deutsch: Euro-Bullen) bilden die zivile Polizei in den palästinensischen Autonomiegebieten aus. EUBAM Rafah wurde am 24. November 2005 zum Grenzübergang zwischen Ägypten und dem Gazastreifen geschickt. „Die regelmässige Öffnung des Rafah Grenzübergangs ist eine vitale Angelegenheit für jegliches künftige Abkommen zum Gazastreifen. Gemäss dem Abkommen von 2005 soll die EU als neutrale Partei Israels Sicherheitsbedürfnisse hüten und die Bewegungsfreiheit für 1,5 Millionen Palästinensern im Gazastreifen sicherstellen.“ So steht es bis heute in der Selbstdarstellung dieser „vitalen“ Friedenstruppe. Die hehren Ziele als Hüter israelischer Sicherheitsbedürfnisse konnte sie freilich nur bis zum 9. Juni 2007 befolgen. Die Hamas hatte geputscht und die EUBAM Friedenshüter zogen sich Hals über Kopf in die Sicherheit Israels zurück.

Das Grenzabkommen zwischen Israel, der palästinensischen Autonomiebehörde, Ägypten und der EU war ausser Kraft gesetzt. Gleichwohl ist EUBAM Rafah bis heute mit 13 „Beobachtern“ aus 12 EU-Nationen in der israelischen Stadt Aschkelon präsent und wartet dort bei vollem Gehalt auf ihren erneuten Einsatz oder auf den Messias…
Das Grenzabkommen war eine Vorbedingung Israels für den vollständigen Rückzug aus dem Gazastreifen. Gemäss den Osloer Verträgen ist Israel verpflichtet, alle Aussengrenzen der besetzten Gebiete zu überwachen. Deshalb musste ein Kontrollmechanismus erfunden werden, damit Israel per Fernlenkung die Ein- oder Ausreise nach Gaza kontrollieren könne. Die Europäer verpflichteten sich, das Funktionieren dieses Mechanismus zu garantieren. Gleichwohl waren die Friedenstruppen schnell wieder verschwunden, sowie die Lage für zu brenzlig geworden war.

Ob die von der Böllstiftung erdachte Friedenstruppe für den künftigen palästinensischen Staat mehr taugt, darf bezweifelt werden.