Nicht immer erhalten Veranstaltungen in der Israelitischen Gemeinde Basel, der IGB, einen solch regen Zuspruch: Am Samstag, 11. Februar 2012 wurde ein Abend mit Musik, Essen und Wissenswertem über die iberoromanische Sprache Ladino ein voller Erfolg. Tatsächlich hätten gerne noch Dutzende Interessierte mehr an diesem besonderen Anlass teilgenommen; doch der Abend war schon seit Wochen restlos ausgebucht. Viviane Heymann und Nava Rueff, die zusammen mit verschiedenen Organisationen wie dem Restaurant Topas und der Bildungskommission der IGB für das gute Gelingen verantwortlich waren, zeigten sich denn auch hocherfreut über die enorm grosse Resonanz.
Quasi als Hors d’Ouevre des Abends waren die sanften Klänge von Gesang und Laute, die der Atmosphäre einen Hauch Romantik verliehen und im weiteren Verlauf mit iberoromanischer Musik und Texten zum entspannten Zuhören einluden. Die drei Studenten der Musikakademie Basel, alle aus Israel stammend, zogen das Publikum mit ihren ausdruckstarken Stimmen und mit Liedern von der Liebe, der Brit Mila Abrahams und einem idealen Israel in Bann. Doron Schleifer präsentierte die Lieder mit grosser Intensität im Falsett löste bei den Anwesenden auf grosse Begeisterung aus.
Ladino: Sprache gesungener Erinnerung
Dr. Beatrice Schmid ist Professorin für iberoromanische Linguistik und Vorsitzende des Instituts für Iberoromanistik an der Uni Basel und widmet sich der Erforschung und Dokumentation der judeo-spanischen Schriftsprache Ladino. Die Popularität dieser Sprache in der Literatur und vor allem auch der Musik zeigt sich bei einem Klick im Internet: 38 Millionen Eintragungen findet etwa die Suchmaschine Google. Professorin Schmid bezeichnet sie in ihren Ausführungen als Sprache der Erinnerung, die heute fast nur noch gesungen wird. Sie verbreitete sie sich über die Zentren der Zuflucht der 1492 aus Spanien und später auch aus Portugal vertriebenen Juden, den Sefarden – neben Amsterdam waren das die heutige Türkei (und dort die Osmanen), Griechenland und einige Balkanländer. In der Türkei erscheint noch immer die in Ladino verfasste Monatszeitung „El Amaneser“ („Morgenröte“) – eine Publikation, die an einst über 300 Presseerzeugnisse der vergangenen 150 Jahre erinnert. Das erste in hebräischer Sprache gedruckte Buch, eine Bibel, erschien bereits 1493 in Konstantinopel. Die Öffnung des Osmanischen Reiches nach Westen im 19. Jahrhundert brachte dann den interkulturellen Austausch und damit auch den Einfluss westlicher Lebensweisen. In vielen Städten wurden mit Hilfe französisch-jüdischer Organisationen Schulen gegründet, an denen ausser der französischen Sprache auch französisches Savoir vivre gelernt wurde. Der Zerfall des Osmanischen Reiches und die Bildung von Nationalstaaten führten im 20. Jahrhundert dann zum Niedergang des Ladino: Zur etwa gleichen Zeit hörte die Sprachgemeinschaft an den verschiedenen Orten auf zu existieren. Später tat die Schoa in Zentren wie Saloniki ihr Übriges. Im ersten Band seiner autobiographischen Trilogie „Die gerettete Zunge“ erinnert sich der Schriftsteller Elias Canetti: „Meine Eltern untereinander sprachen deutsch, wovon ich nichts verstehen durfte. Zu uns Kindern sprachen sie spanisch, allerdings ein altertümliches Spanisch, ich hörte es auch später oft und habe es nie verlernt.“
Heute gehört das Ladino in eine virtuelle Gemeinschaft – die Ladinokomunita; hier lebt die Sprache in der Kommunikation wieder auf.
Diese spannenden und von Musik begleiteten Ausführungen waren an dem Abend in der IGB mit einem traditionellen Essen verbunden, wie es vielleicht noch heute da und dort in der sefardischen Küche zubereitet wird: Es gab Borekas mit Spinat, Kartoffeln und Zwiebeln, Weinblätter mit Spinat, grillierte Auberginen und Fleischrouladen mit Auberginen und zum Dessert Pudding und Baklavas. Der Abend dürfte den Besuchern buchstäblich in süssester Erinnerung bleiben.
Schlomoh Gysin
Weitere Informationen:
http://pages.unibas.ch/sefaradi/
http://sephardiccenter.wordpress.com/2011/03/23/new-ladino-radio-broadcast/