Mit der Hamas verhandeln?

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Qassam Website

Kaum war Gilad Shalit – nach über 5 Jahren Geiselhaft notabene – auf dem israelischen Militärflughafen Tel Nof gelandet, waren bereits Politiker aus aller Welt mit einer Menge guter Ratschlägen zur Stelle. Wie andere europäische Aussenminister begrüsste auch das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) in einer Medienmitteilung die Freilassung von Gilad Schilat und gab zugleich seiner  Hoffnung  Ausdruck, „dass dieses Abkommen (gemeint ist der Deal zwischen Israel und der Hamas, Anm. d. Autors), das die Freilassung einiger Hundert palästinensischer Gefangener vorsieht, zur Schaffung von mehr Dialog beitragen wird“. [1]

Solche Positionen sind in Europa sehr beliebt. Wenn Israel doch nur endlich einmal etwas Verhandlungsbereitschaft zeigen würde, herrschte längst Frieden. Zu diesem Schluss kommen neben den bereits erwähnten Politikern auch die Heerscharen von selbst ernannten Nahost-Experten, die jede sich bietende Gelegenheit nutzen, um ihr Wissen und ihre Weisheit an den Leser zu bringen.

Doch worüber gilt es denn eigentlich mit der Hamas zu verhandeln? Wie führt man Dialog mit einem Gegner, der einem stets mit der Vernichtung droht?

So verkündete der Hamas-Führer Mahmoud al-Zahar anfangs Dezember in einer Grussbotschaft zum 24. Jubiläum der Hamas-Gründung, man habe einen „Weg gefunden um den Besatzer von Gaza zu entfernen und werde ihn von ganz Palästina“ entfernen. [2] Anlässlich dieses Jubiläums präsentiert die Hamas auch stolz einige Statistiken: So seien bislang 1‘365 Israelis durch die Organisation ermordet, über 6000 verletzt und über 11‘000 Raketen auf Israel abgefeuert worden. Besonders wichtig war der Hamas die Feststellung, dass über 80 Prozent der israelischen Todesopfer auf ihr Konto gehen würden.

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Palästina-Freunde und Israel-Kritiker liegen da mit Jimmy Carter auf einer Linie; seit 2008 lautet ihr Credo, dass die Hamas Israel durch die Akzeptanz eines palästinensischen Staates in den Grenzen von 1967 bereits indirekt anerkannt hätte. Hamas-intern wird das allerdings ganz anders gesehen: Khaled Mashal, Chef des Hamas-Politbüros und derzeit auf der Suche nach neuen Büroräumlichkeiten, schliesst eine Anerkennung Israels kategorisch aus. Die Hamas werde Israel „niemals anerkennen“ (Anlässlich des Hamas-Jubiläums bekräftigte er dies erneut). [3] Eine Anerkennung eines palästinensischen Staates ist folglich also nur ein weiterer Schritt im „Widerstand“ gegen Israel und nicht etwa dessen Ende. Statements von anderen Hamas-Führern untermauern diese Einschätzung. So sagte etwa Usama Hamdan, Verantwortlicher für die internationalen Beziehungen, am 24. Juli dieses Jahres gegenüber Al-Aqsa-TV:

”Der Konflikt wird niemals ein Ende finden, bevor Israel ein Ende findet…  […] Wir haben klar gesagt, dass wir Israel niemals anerkennen werden, und heute sage ich mehr als das: Israel existiert nicht einmal in unserem politischen oder intellektuellen Wörterbuch.“ Und einen Tag später war von ihm auf der Webseite von al-Amal zu lesen: Die “Befreiung Palästinas” wird nur durch “Widerstand” erreicht werden, und der “Widerstand” wird andauern “bis zur Befreiung des Landes Palästinas vom (Mittel-)Meer bis zum (Jordan-)Fluss.“ [4]

Viele Palästina-Freunde glauben tatsächlich, solche Vernichtungsdrohungen seien „reine Taktik“; sie sind es auch, die darauf bestehen, dass Mahmud Ahmadinedjads Hass-Tiraden bloss falsch übersetzt worden seien. Als ob es an „Marg bar Israel“ („Death to Israel“) etwas falsch zu übersetzen gäbe.

Und auch in Europa scheint man einfach nicht glauben zu wollen, dass die Hamas tatsächlich die Vernichtung Israels anstreben könnte, widerspricht dies doch sämtlicher Vernunft, auf die man doch  so stolz ist. Lieber wird also das längst zum Mantra gewordenen Glaubensbekenntnis wiederholt, dass sich jeder Konflikt durch Verhandlungen friedlich beilegen liesse.

Im Gegensatz dazu kann es sich Israel nicht leisten, zu „hoffen“, dass die Hamas, das, was sie sagt, eigentlich gar nicht so meint. Während die Schweiz mit anderen europäischen Partner weiter auf den Dialog hofft, tut Israel gut daran, jene beim Wort zu nehmen, die sich auf seine Vernichtung eingeschworen haben.

So etwa auch jene Palästinenser, die im Gegenzug zu Gilads Heimkehr aus der israelischen Haft entlassen wurden. Diese erklärten ohne zu zögern, dass sie ihre Taten nicht bereuten und gelobten, den Kampf gegen Israel als bald möglich wieder aufzunehmen. [5] Die Palästinenserin Wafa al-Biss forderte Kinder sogar dazu auf, ihrem Beispiel zu folgen. [6]

Jenseits aller guten Hoffnungen muss  der Verstand eine solche „Chance für den Nahostfriedensprozess“ (Guido Westerwelle) in Frage stellen. Gar nicht erst wissen will man, wie wohl jene „nachhaltige Lösungen“ aussehen sollen, von denen das EDA auf Anfrage spricht. Lösungen, die nur gefunden werden könnten, „wenn der Dialog mit allen massgebenden Akteuren geführt wird.“  Ausser Frage steht, welche „nachhaltige Lösung“ dem „massgeblichen Akteur“  Hamas vorschwebt. Wer mit ihr noch nicht vertraut ist, der möge doch einfach mal die weiterhin gültige Charta der Terrororganisation konsultieren.

Michel Wyss

 

[1] Die Schweiz begrüsst die Freilassung des Soldaten Gilad Shalit, Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten, 18.10.2011 (aufgerufen am 21.12.2011)

[2] “Hamas renewed the history of resistance and Jihad”, Al Quassam (Ezzedeen Al-Quassam Brigades – Information Office), 10.12.2011 (aufgerufen am 21.12.2011)

[3] Gespräche mit Carter: Hamas lehnt Anerkennung Israels ab, Spiegel Online, 21.04.2008 (aufgerufen am 21.12.2011)

[4] Vom Iran unterstützte Hamas beweist erneut ihre Gewaltbereitschaft, The Israel Project, 16.08.2011 (aufgerufen am 21.12.2011)

[5] News of Terrorism and the Israeli-Palestinian Conflict (October 19-25, 2011), The Meir Amit Intelligence and Terrorism Information Center, Oktober 2011 (aufgerufen am 21.12.2011)

[6] Freed female Palestinian terrorist to Gaza children: I hope you will become martyrs, Haaretz.com, 19.10.2011 (aufgerufen am 21.12.2011)