Schurkensöhne

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Foto: © istock/Joel Carillet
Schurkensöhne

Bashir al-Assad, Gamal Mubarak und Seif al-Islam haben einiges gemeinsam. Zunächst einmal wurden sie von ihren Väter darauf vorbereitet, in Syrien und Ägypten beziehungsweise Libyen die Herrschaft zu übernehmen. Zweitens wurden sie als Reformer angekündigt, als Männer, die dazu beitragen, ihre Länder wirtschaftlich und politisch ins 21. Jahrhundert zu bringen. Und drittens hat jeder von ihnen ein schonungsloses und gewalttätiges Vorgehen befürwortet, als die Proteste ihre Länder trafen. Im Fall Syriens setzte Assad, der bereits an der Macht war, die brutale Politik seines Vaters fort. In Ägypten konnte Gamals Empfehlung, die Unruhen mit Gewalt zu unterdrücken, das Militär nicht überzeugen; jetzt wartet er im Gefängnis auf eine Anklage wegen Aufhetzung von Polizeikräften und Anstiftung von Schlägern, die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz Ende Januar und Anfang Februar angreifen und töten sollten. Und Seif in Libyen brachte sein blutiges Vorgehen eine Anklage des Internationalen Strafgerichtshofes ein wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, darunter Mord, Bombardierung und Erschiessung von Demonstranten im Februar.

Interessanterweise haben alle drei in Grossbritannien gelebt und dort entweder gearbeitet oder studiert. Bashir zog 1992 nach London und wurde an der Augenklink Western Eye Hospital ausgebildet. Der urbane Gamal arbeitete als Investment-Banker im Londoner Büro der Bank of America. Und Seif hat einen Doktortitel der London School of Economics (die Verfasserschaft seiner Dissertation ist momentan Gegenstand einer Untersuchung).

Seif al-Islam, Foto:http://www.flickr.com/photos/brqnetwork/5510824784/

Viele Beobachter nahmen einfach an,diese drei Männer würden westliche Werte und eine fortschrittliche Haltung mit nach Hause bringen, da sie, lässig unter westliche Jetsetter gemischt, nicht nur bilingual, sondern auch bi-kulturell waren. Doch wenn irgendetwas, so haben sie ein Gefühl von Überlegenheit und eine Anspruchshaltung verinnerlicht, nicht aber ein Bewusstsein für Gleichheit unter Bürgern. Ihre privilegierten Erfahrungen im Westen scheinen eher zu Geringschätzung und Herablassung ihren Landsleuten gegenüber geführt haben. Sie haben gelernt, welche Gabel beim Dinner im Palast die richtige ist; doch genauso haben sie sich mit einer AK-47 wohl gefühlt und dem Blutvergiessen und Tod, die diese mit sich bringt.

Dies ist nicht grundsätzlich gegen Kulturaustausch gerichtet und soll nicht den Eindruck erwecken, dass eine westliche Ausbildung den Eliten der arabischen Gesellschaft schadet. Beim Blick auf Kronprinz Salman bin Hamad bin Isa al-Khalifa aus Bahrain zeigt sich: Der in den USA und Grossbritannien ausgebildete Prinz hat offenkundig den Dialog und die Zusammenarbeit mit der Opposition gesucht, nachdem Demonstrationen auf dem Pearl-Platz in Manama ausbrachen. Allerdings hat Salman den internen Machtkampf in Bahrain verloren und wurde von Mitgliedern der Herrscherfamilie zur Seite gedrängt, die die Proteste mit brutaler Kraft und Gewalt erstickt haben. Dennoch versucht er, genau wie König Abdallah von Jordanien – der in Dalton und Sandhust ausgebildet wurde –, grundsätzliche Reformen im Königreich einzuführen. Im Fall von Jordanien bleibt abzuwarten, ob diese Reformen noch rechtzeitig kommen und ob sie ausreichen werden.

In dieser Zeit dramatischer Veränderung in der arabischen Welt, wo wir uns mit aufrichtigen Demokraten zusammentun und diese unterstützen möchten, sollten wir uns nicht unbedingt automatisch nur Menschen zuwenden, die westlich gekleidet sind oder westliche Sprachen mit knackigem Akzent sprechen. Einige der fortschrittlichsten Menschen, die ich im Nahen Osten kennengelernt habe, sprechen kein Englisch und haben ihr Land nie verlassen. Aber sie sind offen für liberale, universelle Werte wie etwa die Gleichheit von Frauen und Männern und die Gleichberechtigung von Minderheiten. Diese Haltung haben sie aus dem Zusammenhang ihrer eigenen Kulturen und Gesellschaften heraus entwickelt. Damit Demokratie im Nahen Osten die Oberhand behält, muss sie in der Region verwurzelt sein; ausserhalb genügt nicht. Die Erfahrungen, die der Westen mit Bashir al-Assad, Gamal Mubarak und Seif al-Islam gemacht hat, können ein warnendes Beispiel dafür sein, dass der Schein trügen kann; nur weil jemand wie ein liberaler Reformer aussieht, muss er noch lange keiner sein. Unsere zuverlässigsten Partner sind nicht unbedingt diejenigen, die so aussehen oder reden wie wir.

 

From CFR.org. Translated and republished with permission. For more analysis and blog posts on the Middle East and foreign policy, visit CFR.org.

Originalversion: The Rogue Sons by Robert M. Danin © Council on Foreign Relations, December 6, 2011. Deutsche Übersetzung © Audiatur-Online.