Vor den arabischen Umwälzungen des Jahres 2011 wurde der Nahe Osten von einem kalten Krieg dominiert; mit den USA verbündete Staaten der Region traten darin gegen eine selbsternannte „Muqawama-(Widerstands-)Achse“ aus Staaten und Bewegungen an, die vom Iran angeführt wurden. Diese beiden Blöcke existieren noch immer, und beide sind durch das derzeitige Brodeln in der Arabisch sprechenden Welt in unterschiedlicher Weise geschwächt geworden.
Die vom Iran angeführte Widerstandsachse präsentierte sich gerne als die Vertreterin der authentischen muslimischen Kräfte der Region, die sich gegen eine korrupte und verfallende Allianz lokaler mit den USA und Israel verbündeter Kollaborateure stellte. Ganz anders als in ihrem bevorzugten Drehbuch jedoch finden sich nun einige Angehörige dieser Achse belagert und von Kräften bedroht wieder, die der Arabische Frühling entfesselt hat.
Dies war am Anfang nicht abzusehen. Die ersten beiden Opfer des Brodelns von 2011 waren standhafte pro-westliche arabische Führer – Zine el-Abidine Ben Ali in Tunesien und Hosni Mubarak in Ägypten. Die iranische Führung verkündete zu diesem Zeitpunkt das „islamische Erwachen“ in der gesamten Region. Der syrische Präsident Bashir al-Assad erklärte im Januar in einem zukunftsweisenden Interview mit dem Wall Street Journal, dass in Syrien und bei seinen Verbündeten aufgrund ihrer Übereinstimmung mit den tieferen Wünschen der Völker der Region – nämlich der Ablehnung des Westens und Unterstützung der Palästinenser – die gärende Unruhe keinen Nährboden fände.
Die Widerstandsachse erwartete, sich zurücklehnen und den Anblick des sich selbst zerstörenden gegnerischen Blocks geniessen zu können. Ganz so kam es nicht. Derzeit kämpft das syrische Assad-Regime, eine wesentliche Kraft in der iranischen Regionalstrategie, um sein Überleben. Die Iraner hatten gehofft, eine durchgehende Kette solidarischer Staaten von der iranischen Grenze bis zum Mittelmeer aufzubauen, nachdem die USA den Irak verlassen hatten. Für dieses Ziel braucht Iran die etablierte Assad-Diktatur und ist folglich eifrig am Werk, die Unterdrückung durch den syrischen Präsidenten zu unterstützen.
Angehörige sowohl der Quds-Einheit der Revolutionsgarden als auch inländischer iranischer Strafverfolgungsbehörden konnten in Syrien identifiziert werden, als sie dabei waren, den Aufstand zu unterdrücken. Augenzeugen haben von der Anwesenheit iranischer Scharfschützen unter den Truppen, die die Demonstrationen niederschlugen, berichtet, und syrische oppositionelle Quellen behaupten, dass auch mit Iran verbündete schiitische Milizen aus der sadristischen Bewegung im Irak und die libanesische Hisbollah an der gewaltsamen Unterdrückung mitwirken.
Während sie einerseits dazu beiträgt, Assad an der Macht zu halten, schürt diese Beihilfe andererseits auch in der gesamten sunnitisch-arabischen Welt den Hass gegen den Iran und seine Verbündeten. Für den Iran spielt das Verschwinden seines Images als Land des Widerstands in den Augen der Massen sunnitischer Araber eine nicht weniger wichtige Rolle. Die Widerstandsachse scheint sich derzeit energisch und brutal dem Willen eines arabischen Volkes zu widersetzen.
Bisher ist die wichtigste Auswirkung dieses Prozesses der Versuch der Hamas, sich aus der von Iran angeführten Achse herauszuwinden. Als Ableger der Muslimbruderschaft sieht sich die Hamas in der Situation, dass ihre Gastgeber und Sponsoren – Syrien und der Iran – sich in Syrien gemeinsam an einer blutigen Niederschlagung einer Revolution beteiligen, die zumindest teilweise von ihren muslimischen Brüdern angeführt wird. Dies ist für die palästinensische Islamistengruppe ein unhaltbarer Zustand. Die Hamas ist in einem von einem schiitischen Staat angeführten Bündnis, das überwiegend auch aus schiitischen Kräften besteht, immer der sunnitische Sonderfall gewesen. Nun will sie dort ‘raus.
Daher versucht die Hamas, sich umzuorientieren. Als neuer Sponsor läge ein von der Muslimbruderschaft dominiertes Ägypten nahe. Dies ist auch ihre bevorzugte Wahl, wie der von Ägypten unterstützte Versöhnungsprozess und das von Ägypten vermittelte Abkommen zur Befreiung von Gilad Shalit zeigten.
Das Juwel in der Krone Irans – die libanesische Hisbollah – bekommt die Veränderung ebenfalls zu spüren. Immer mehr syrische Flüchtlinge finden ihren Weg über die Grenze in den Libanon. Die von der Hisbollah unterstützte Regierung steht unbeeindruckt hinter dem Assad-Regime, und die Streitkräfte des Libanon greifen syrische Flüchtlinge und Oppositionelle auf. Doch auf einer riesigen Kundgebung der oppositionellen Zukunftsbewegung in der sunnitischen Stadt Tripoli waren Anti-Hisbollah-, Anti-Assad- und Anti-Iran-Plakate zu sehen. Die Herrschaft der Hisbollah über Libanon ist nicht gefährdet, solange Assad an seinem Platz bleibt. Doch unter den nichtschiitischen Libanesen wächst der Unmut, was durchaus Konsequenzen haben könnte, falls der syrische Diktator stürzt.
So wird die Widerstandsachse hin und her geworfen von dem Sturm, der durch die Region fegt. Zählt man zu diesen Beispielen weiter das Versagen hinzu, einen tatsächlichen Fortschritt bei der Stärkung der Meinungsverschiedenheit in Bahrain zu erzielen, oder sie im östlichen Saudi-Arabien voranzutreiben, ist das Ergebnis ein ziemlich düsteres Bild. Iran und seinen Verbündeten, die unter den Schlägen eines verdeckten Krieges leiden, gelingt es nicht, das „islamische Erwachen“ als einen Vorteil zu nutzen. Die Führung des Iran und seine Verbündeten in der Region sind sich dessen bewusst – und sind besorgt.
Einer der wortgewandtesten Sprecher der Widerstandsachse, Ibrahim al-Amin, Herausgeber der pro-Hisbollah Zeitung Al-Akhbar, hat den vom Iran angeführten Block wie folgt beschrieben: er sei derzeit „darauf konzentriert, dem gegen ihn geführten Zermürbungskrieg standzuhalten, gezwungen, sich zu ducken, und Bedrohungen abzuwenden”. Er versicherte dabei aber, dass der Iran sich darauf vorbereite, eine „neue regionale Rolle“ zu übernehmen.
Amin schloss mit charakteristischer Emphase: „Feuer kann nicht von stählernen Wänden oder multinationalen Streitkräften gestoppt werden.“ Die von Iran angeführte Widerstandsachse muss derzeit zu ihrer offensichtlichen Bestürzung erfahren, dass der letztgenannte Punkt in beide Richtungen gilt.
Originalversion: Fire Spreads Both Ways by Jonathan Spyer, IDC Herzliya GLORIA Center, December 4, 2011