Elio di Rupo – Belgiens neuer Premierminister

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Elio di Rupo
Elio di Rupo

„In Belgien haben wir ein komplexes politisches System, das zu analysieren schwierig ist: In dem Bundesstaat herrschen Spannungen zwischen den zwei grossen Bevölkerungsgruppen, den Flamen, die Niederländisch sprechen,  und den französischsprachigen Wallonen. Nach den letzten Parlamentswahlen hat es 540 Tage gedauert, bis nun der wallonische Sozialist Elio di Rupo zum Premierminister einer grossen Regierungskoalition ernannt wurde, die sich aus sechs Parteien zusammensetzt. Wie er zukünftig eventuell handeln wird, ist durch eine Analyse der Israel gegenüber feindlich eingestellten Haltung, die er und seine Partei seit Jahren vertritt, womöglich einfacher zu verstehen.“

Von 2003 bis Ende 2007 war Jehudi Kinar israelischer Botschafter in Belgien und Luxemburg. Davor war er auf Auslandsstationen in den Niederlanden, Deutschland, den USA und Kanada. Kinar berichtet von seinen Erfahrungen mit belgischen Politikern, die auch in der neuen Regierung vertreten sind.

„Die Partei der Sozialisten (PS) ist derzeit die regierende Partei in Wallonien.  Di Rupo war eine schwere Enttäuschung für mich, doch eigentlich hätte ich es besser wissen sollen. Als Ministerpräsident der wallonischen Region besuchte er 1999 Israel und bemerkte danach, er habe ‚nicht gewusst, dass es arme Juden gibt.‘ Bei unserem ersten Zusammentreffen bemängelte ich, dass das flämische Parlament kommerzielle und kulturelle Abkommen mit Israel unterhalte, ähnliche Vereinbarungen jedoch vom wallonischen und Brüsseler Parlament abgelehnt würden – während es gleichzeitig wallonische Abkommen mit Libyen und Kuba gab. Di Rupo sagte, dass er dieses nach seiner Wahl korrigieren würde; doch er hat nichts unternommen.“

„Auch mit den Sozialisten hatten wir einige schlechte Erfahrungen gemacht. 2001 wurde eine politisch motivierte Anklage gegen den israelischen Ministerpräsidenten Ariel Sharon und die Generäle Rafael Eitan und Amos Yaron wegen angeblicher Verstrickung in die Tötung von Palästinensern durch christliche Milizen im libanesischen Flüchtlingslager Sabra und Shatilla erhoben. Wir haben diesen Fall vor dem Bezirksgericht gewonnen. 2003 dann erliessen die flämischen Sozialisten, die Grünen und die CDH – eine wallonische, ehemals christdemokratische Partei – eine seltene und rückwirkende Änderung des Gesetzes im Senat, welches die Strafverfolgung nicht-belgischer Staatsbürger für Verbrechen erlaubt, die im Ausland verübt werden.“

„Nach der Entführung von Gilad Shalit 2006 behauptete di Rupo in einer Presseerklärung, Israel würde diesen Vorfall als Vorwand nutzen, um einen Krieg gegen den Libanon anzuzetteln. Die israelische Botschaft reagierte, indem sie darauf hinwies, dass die PS die Raketenangriffe aus Gaza auf die Bürger der Stadt Sderot an keiner Stelle verurteilt habe. Später erklärte di Rupo, dass er an seiner politischen Linie gegenüber Israel festhalten würde –  ‚trotz des arroganten Briefes des israelischen Botschafters‘. Es gehörte offenbar auch zum Markenzeichen der PS, auf  Briefe des israelischen Botschafters nicht zu antworten.“

Laurette Onkelinx

„Eine weitere wichtige Figur in der Partei ist Laurette Onkelinx, damalige Vize-Premierministerin und Justizministerin. Wir haben uns ein paar Mal getroffen. Sie hat mir versprochen, mit di Rupo zu sprechen, da sie nicht glauben konnte, dass mein Schreiben nicht beantwortet worden war. Onkelinx ging von einer technischen Panne aus. Nachdem wir weiterhin keine Antwort von di Rupo erhielten, schrieb ich ihr einen Brief, den sie jedoch nicht bestätigte. In der neuen Regierung wird sie Ministerin für soziale Angelegenheiten und Gesundheit und erneut stellvertretende Premierministerin werden.“

„Dann ist da André Flahaut, der ehemalige Verteidigungsminister; er war ein besonders problematischer Fall. Als Präsident der Abgeordnetenkammer wird er weiter in der Regierung bleiben. Für Treffen stand Flahaut zwar stets zur Verfügung, doch seine Statements waren von deutlichem antiisraelischem Ressentiment geprägt. Die Treffen mit ihm waren wichtig, weil belgische Soldaten in UNIFIL-Einheiten im Libanon stationiert waren. Wie viele andere Politiker verschiedener Parteien war Flahaut von antiisraelischen Beratern umgeben. Viele hatten enge Berater mit muslimischem Hintergrund.“

„Ein Fall besonderer Art ist Philippe Moureaux, der ehemalige stellvertretende Premierminister, jetzt Bürgermeister von St. Jans-Molenbeek. Jahrelang hat er die israelische Botschaft regelmässig aufgefordert, Ausreisevisa für palästinensische Kinder aus Bethlehem und Ramallah auszustellen, damit sie ihre Ferien in Belgien verbringen könnten. Als ich Moureaux fragte, warum er denn nicht einen gemeinsamen Besuch dieser Kinder zusammen mit jüdischen Kindern aus Sderot organisiere, reagierte er nicht. Als er im Jahr darauf seine Anfrage wieder einreichte, wiederholten wir unsere Frage und erhielten erneut keine Antwort. Im Juni 2010 ehelichte der nicht mehr ganz so junge (nämlich 72jährige) Bürgermeister eine Frau mit muslimischem Hintergrund, Latifa Benaicha.“

„Aber der wohl extremste antiisraelische Politiker in der PS ist Senator Pierre Galand. Er hat viele antiisraelische Gesuche im Senat eingereicht; er ist Vorsitzender vieler antiisraelischer Organisationen wie beispielsweise des Belgisch-Palästinensische Verbands und des Lay Action Center. Von 1967 – 1996 war Galand Generalsekretär von OXFAM Belgien. Und Veronique De Keyser, europäische PS-Abgeordnete, sagte einmal, dass sie den israelischen Botschafter gerne erwürgen würde. Viele dachten, sie hätte mich damit gemeint – doch ich kann mit Sicherheit sagen, dass sie als Abgeordnete des Europa-Parlaments meinen Kollegen meinte, der israelischer Botschafter an der EU ist.“

„Wer weiss“, meint Kinar abschliessend, „vielleicht geschieht ja ein Wunder,  und Einstellungen und Verhalten der wallonischen Sozialisten bessern sich, jetzt, da sie in der Regierung sind. Glücklicherweise haben einige Minister der anderen Koalitionsparteien eine positive Einstellung zu Israel.“

Dr. Manfred Gerstenfeld ist Vorsitzender des Aufsichtsrates des Jerusalem Center for Public Affairs.