In der Schweiz interniert und eigentlich unerwünscht

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Johann Kalousek, Oberhelfenschwil © 2011 Christoph Merian Verlag, Basel

Felix Stössinger, geboren 1889, entstammte einer alten jüdischen Familie in Prag und hiess eigentlich Felix Alfred Stösseles. Wie viele Prager Juden waren die Stösseles dort assimiliert und deutschsprachig orientiert. Die Familie übersiedelte nach Wien dem kulturellen  und wirtschaftlichen Zentrum des damaligen Habsburgerreiches. Stösseles wirkte schon in jungen Jahren als Musikkritiker und machte so schon in jungen Jahren auf sich aufmerksam. 1914 änderte er seinen Namen, nannte sich fortan Felix Stössinger. Das von Simon Erlanger (Mitglied der Bildungskommission der Israelitische Gemeinde Basel) und Peter-Jakob  Kelting herausgegebene Buch beleuchtet ein weiteres düsteres Kapitel Schweizerischer Flüchtlingspolitik während dem Zweiten Weltkrieg.

„Zwischen Tell und Gessler“ betitelte Stössinger sein Manuskript nach seiner Entlassung aus dem Flüchtlingslager in der Schweiz. „Schon der Titel“, so die Herausgeber Simon Erlanger und Peter-Jakob Kelting im Vorwort, „deutet die Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg zwischen den Idealen von Schillers Tell, mit einer Schweiz als Hort der Freiheit, und einer antijüdischen Flüchtlingspolitik, die eher zur Staatsraison eines Landvogts Gessler passte.“

Das Tagebuch beginnt im Sommer 1942 in Nizza, wo die Familie Stössinger versteckt in einer Wohnung lebt. Die Nazis haben mit Unterstützung des Vichy-Regimes inzwischen begonnen, Juden in die Vernichtungslager zu deportieren. Zusammen mit seiner Frau Charlotte und seinem Stiefsohn Hans Michael Freisager gelingt Stössinger nach abenteuerlicher Flucht am Genfersee der Übertritt in die Schweiz. Anhand seines Tagebuches kann nachvollzogen werden, wie gefährlich der Grenzübertritt mit falschen Papieren gewesen sein muss. Die Freude über die geglückte Flucht ist jedoch nur von kurzer Dauer.

Nachdem die Familie in Zürich angekommen war und sich einige Tage erholen konnte, kam der erste Tiefschlag. Hans Michael Freisager, wird von Charlotte und Felix Stössinger getrennt, weil er einen anderen Namen trägt und die Behörden deswegen trotz gegenteiliger Versicherungen glauben, der Junge sei alleine. Er wird mit einem Transport ins Lager ‘Girenbad‘ verbracht, wo er mit Hunderten Leidensgenossen in einer leeren verwahrlosten Fabrik vegetieren muss. Hansi, wie der Junge von seinen Eltern liebevoll genannt wird warnt sie bereits in seinem ersten Brief vor der Illusion, im Lager ein Eigenleben führen zu dürfen. Zitat aus dem Tagebuch: „…denn es gäbe dort nichts als Hunger, Lärm und Kälte.“

Johann Kalousek, Oberhelfenschwil © 2011 Christoph Merian Verlag, Basel

Die Tage der relativen Freiheit in Zürich gingen vorüber und auch die Eheleute mussten sich auf den Weg in das Aufnahmelager ‘Oberhelfenschwil‘ begeben. Obwohl Felix Stössinger vom Kommandanten des Lagers den Auftrag bekam, ein ‘literarisches Tagebuch‘ zu führen, war der Aufenthalt dort geprägt von Lebensmittelknappheit, weil sich Köche und andere Bedienstete ungeniert an den für die Flüchtlinge bestimmten Lebensmitteln ‘bedienten‘. Beklagten sich die Lagerinsassen, wurden die so Bestohlenen bedroht. Man drohte ihnen sogar unverhohlen, sie abzuschieben. Demütigungen und Antisemitismus waren an der Tagesordnung.

Und doch schaffte es Stössinger immer wieder, unter all diesen schwierigen, ja unmenschlichen Bedingungen in seinem Tagebuch auch schöne und poetische Momente festzuhalten. So etwa schreibt er an einem schönen Apriltag im Jahr 1943, “Die Landschaft um mich hatte den Glanz eines hellenistischen Frühlings. Primeln, Butterblumen, Löwenzahn überstrahlten trompetengelb, den Geigenklang der grünen Wiesen, während einige violettblaue Töne wie Oboen der Natursymphonie eine tiefere Bedeutung gaben.“

Das Tagebuch ist eine erschütternde und authentische Beschreibung wie die durch Flucht und Entbehrungen Gezeichneten ihr Dasein in der Schweiz erlebten. Fängt man einmal an zu lesen, fällt es einem schwer es zur Seite zu legen. Ein erschütterndes Dokument der Zeitgeschichte.

Felix Stössinger starb 1954 in Zürich, seine Frau Charlotte 1984. Hans Michael Freisager lebt in Zürich.

Simon Erlanger, Peter-Jakob Kelting (Hg.)
Interniert in Schweizer Flüchtlingslagern
Tagebuch des jüdischen Autors Felix Stössinger 1942/43
544 Seiten, 32 Abbildungen, gebunden

1 Kommentar

  1. die schweiz ist leider nach meine einschetzung antisemitisch und rassistisch.leider in diese angebliche demokratie juden haben angst und sagen wenig bis gahr nichs,wo in selbst in dictatorischen lendern menschen muttig sind.wegen jahrhunderte gewald und pogrome gegen juden sizt leida tiffe angst im knochen tief.ich bin hier sehr enteuscht und moechte weg.

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