Der nächste bitte

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Hama Al-Assy Platz, Syrien
Al-Assy Square Hama, Syrien

Diese Woche nahm mit Jemens Präsident Abdallah Saleh der vierte arabische Diktator in diesem Jahr seinen Hut. Es sieht zunehmend so aus, als könnte Syriens Präsident Bashir al-Assad zum nächsten arabischen Ex-Potentat werden. Die Arabische Liga schien während ihres Gipfels in Kairo am Donnerstag dazu übergegangen zu sein, den Sturz Assads vorzubereiten.

Während die Innenstadt Kairos diese Woche im Chaos von Massenprotesten gegen die herrschende Militärjunta zu versinken drohte, beriet die Arabische Liga am Donnerstag in sicherer Entfernung vom zentralen Tahrirplatz in einem Vorort über weitere Schritte gegen Syrien. Vor mehr als einer Woche hatte sie Syriens Präsident Bashir al-Assad ein klares Ultimatum gestellt: Er solle seine Truppen aus den Städten abziehen, Reformen einleiten, um die blutigen Unruhen in seinem Land zu beenden, und arabische Beobachter ins Land lassen. Seit Mitte März demonstrieren dort Hunderttausende für mehr Freiheit, doch Assad reagierte bisher mit leeren Versprechen und roher Gewalt. Mindestens 4000 Menschen sollen laut einer konservativen Schätzung der Liga dabei getötet, mehr als 30.000 willkürlich verhaftet und gefoltert worden sein.

Das Ultimatum der Liga lief vergangenen Samstag ab, doch seither verschärften sich die Kämpfe in Syrien nur. In den Stunden, in denen die Liga über wirtschaftliche Sanktionen gegen Syrien beriet, durchpflügten Panzerketten die Felder rund um die Stadt Rastan, auch aus Homs kamen Berichte über schwere Gefechte. Seit Dienstag sollen laut Angaben der syrischen Opposition mehr als 40 Menschen getötet worden sein.

Doch nun scheint ein Wendepunkt erreicht. Monatelang herrschte in Syrien ein Patt: Assad widerstand dem Druck von aussen und innen und setzte auf Gewalt, die Bevölkerung demonstrierte dennoch täglich gegen ihren Herrscher. Mehrere Entwicklungen scheinen nun das Blatt gegen Assad zu wenden. Assad ist fast völlig isoliert, ähnlich wie einst Libyens Diktator Muammar Gaddafi, kurz bevor die NATO im libyschen Bürgerkrieg eingriff. Vergangene Woche stimmten 18 von 22 Mitgliedstaaten der Arabischen Liga gegen ihn. Im UN-Menschenrechtsrat votierten 122 Staaten gegen sein Vorgehen.

Erstmals berieten seine Nachbarn über die Verhängung wirtschaftlicher Sanktionen gegen Damaskus. Lauscht man den Aussagen arabischer Diplomaten, ist Assad bereits Geschichte. Rief die Liga ihn bisher zu Reformen auf, wandten sie sich nun über seinen Kopf hinweg direkt an die syrische Armee mit der Aufforderung, das Blutvergiessen im Land einzustellen. Man arbeite daran, „die syrische Opposition um eine Vision für die Zukunft Syriens zu einen“, sagte Khaled al-Habasi, ein Berater des Generalsekretärs der Liga Nabil al-Arabi. Auch Frankreichs Aussenminister Alain Juppe bezeichnete den „Syrischen Nationalkongress“ (SNC), ein Dachverband mehrerer Oppositionsgruppen, als „einen legitimen Partner, mit dem wir arbeiten wollen.“

Dabei stellte Juppe erstmals ein Eingreifen in Syrien Aussicht, wenn auch vorsichtig: „Wenn es möglich ist, eine humanitäre Dimension einer sicheren Zone zu haben, um Zivilisten zu schützen, dann ist das eine Frage die von der EU und von der Arabischen Liga untersucht werden sollte“, sagte Juppe nach einem Treffen mit einem Vertreter des SNC. Während der SNC ein offenes militärisches Eingreifen ablehnt, befürwortet er die Einrichtung einer solchen „humanitären Pufferzone“. Sprecher der schätzungsweise 15.000 syrischen Deserteure, die sich lose der in der Türkei basierten „Freien Syrischen Armee“ angeschlossen haben, sagten bereits aus, dass sie eine solche Zone nutzen könnten, um effektivere Angriffe gegen Assads Truppen zu starten.

Laut türkischen Medienberichten bereitet Ankara sich bereits seit Wochen darauf vor, just solch eine Pufferzone einzurichten, um eine Flüchtlingswelle zu verhindern. Rund 10.000 Syrer flüchteten vor der Gewalt in ihrem Heimatland bereits in die Türkei, weitere könnten folgen. Die Spannung an der Grenze hat neue Höhen erreicht. Auf beiden Seiten wurden Truppen verstärkt. Immer öfter und schärfer warnt Ankara Damaskus vor dem Versuch, mit der Beherbergung kurdischer Separatisten Druck auf die Türkei ausüben zu wollen, oder syrische Dissidenten auf türkischem Staatsgebiet zu behelligen.

Einzig der Iran und die libanesische Hisbollahmiliz stehen noch zu Assad. Dem gehen langsam die Devisenreserven aus, die er benötigt, um seine Klientel an der Stange zu halten. Zum ersten Mal seit im September Sanktionen gegen Syriens Erdölexporte verhängt wurden, kaufte der Iran, einer der grössten Energieexporteure der Welt, jetzt 80.000 Tonnen syrisches Öl. Teheran will seinem Verbündeten so finanziell unter die Arme greifen.

© Gil Yaron