„Palästinensischer Theologe“ demontiert „Palästinensische Theologie“

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Mitri Raheb

Seit gut zwei Jahrzenten sind Teile der christlichen Welt durch die Schriften selbst ernannter „palästinensischer christlicher Theologen“ unterhalten worden. Da ihre klügsten Köpfe evangelische Pfarrer sind, spielen sie eine eher untergeordnete Rolle unter den Katholiken und Orthodoxen, die dem Heiligen Land die Treue halten; doch in liberalen protestantischen Kreisen im Ausland sind sie merkwürdig beliebt, besonders bei Kirchenfunktionären.

Nun hat einer von ihnen, der lutherische Pastor Mitri Raheb von Bethlehem, die Bemühungen der „Palästinensischen Theologie“ gerade zunichte gemacht, sich als unbedeutendes Revival der europäischen Theologie des 19. Jahrhunderts zu positionieren  – indem er die Rassentheorien dieser Zeit aufwärmte.

Neben ihren Erfolgen an protestantischen Universitäten im Ausland haben Raheb und sein anglikanischer Amtskollege, Naim Ateek, in Jerusalem und Bethlehem Bildungseinrichtungen eröffnet. Kürzlich erhielt Raheb von der Palästinensischen Autonomiebehörde die Genehmigung, Bachelor– und Master–Abschlüsse zu erteilen.

Als Aushängeschild der „palästinensischen Theologie“, der es vor allem um eine theologische Untermauerung der politischen palästinensischen Ziele geht, war Rahebs Widerrufung seiner bisherigen theologischen Linie ein Schock.

Auf der internationalen Konferenz „Christus am Checkpoint“ in Bethlehem im Jahr 2010 kündigte Raheb eine „neue Art des Denkens“ an, nachdem auch die palästinensischen Theologen „nach dem Rhythmus der europäischen Theologie des 19. Jahrhunderts getanzt“ hatten.

Das hat Raheb ganz richtig erkannt; seine dann folgenden Bemerkungen allerdings lassen an seinen wissenschaftlichen Qualifikationen zweifeln. So ist eine seiner ersten Annahmen im Rahmen des „neuen Denkens“ zum Beispiel, dass „die Bibel nirgendwo anders als in Palästina hätte geschrieben werden können“. Nun machen biblische Bücher wie Esther und die Offenbarung ausdrücklich klar, dass sie ausserhalb des Landes Israel (in Persien bzw. Griechenland) abgefasst wurden. Weiss Raheb so wenig von seiner Bibel?

Seine zweite These, „dass das palästinensische und Teile des jüdischen Volkes die Nachfolger der Völker dieses Landes“ sind, während „Israel das Rom der Bibel, nicht das Volk des Landes“ repräsentiere, greift zurück auf Ansätze im 19. Jahrhunderts, die jüdische Herkunft Jesu zu verschleiern.

„Wenn wir einen DNA-Vergleich machen würden zwischen David aus Bethlehem, Jesus, geboren in Bethlehem, und mir, Mitri, der ich sozusagen auf der gegenüberliegenden Strassenseite geboren wurde“, sagt Raheb, „ich bin mir sicher, die DNA würde eine gemeinsame Spur zeigen. Aber Sie finden nichts, wenn Sie den Vergleich zwischen König David, Jesus und Benjamin Netanjahu machen – weil Netanjahu aus Osteuropa stammt, wo seine Vorfahren im Mittelalter zum Judentum konvertiert sind.“

Evangelisch-Lutherische Weihnachtskirche in Bethlehem

Nicht nur zeigt Raheb sich hier schamlos rassistisch, er hat auch nicht den geringsten Beweis, um seine Behauptungen zu stützen. Über Netanjahus Abstammung weiss er nichts, und er selbst könnte genauso von griechischen Pilgern oder europäischen Kreuzfahrern abstammen. Darüber hinaus haben genetische Untersuchungen gezeigt, dass europäische Juden eine engere genetische Verwandtschaft mit Juden des Nahen Ostens als mit nichtjüdischen Europäern aufweisen.

Das Leitmotiv der genannten „Christus am Checkpoint“–Konferenz war, dass die heutigen israelischen Checkpoints Josef und Maria daran hindern würden, nach Bethlehem zu gelangen. Heute würde ein jüdisches Paar, das sein erstes Kind erwartet und versucht, sich in Bethlehem niederzulassen, natürlich wegen illegalen Siedelns verurteilt werden. Und Maria hätte Glück, wenn sie lange genug leben würde, um ihr Kind überhaupt zur Welt zu bringen.

Aber auch hier weiss Raheb den Ausweg. Wie schon Jassir Arafat zu sagen pflegte, waren Jesus und Maria keine Juden, sondern Palästinenser. Kein Problem also. „Da ich ja gerade gegenüber vom Geburtsort Jesu zur Welt kam“, fügt Raheb hinzu, „sage ich gerne, dass eine meiner Ur-ur-Uromas wahrscheinlich auf den kleinen Jesus aufgepasst hat.“ Auch hier zeigt Raheb Unkenntnis oder gar Missachtung seiner Bibel; Matthäus berichtet, dass die Heilige Familie kurz nach der Geburt Jesu aus Bethlehem nach Ägypten geflohen ist. Wenn also jemand auf den kleinen Jesus aufpasste, waren es Juden aus Alexandrien oder Kopten.

Dem „neuen Denken“ Rahebs liegt vor allem eine Absicht zugrunde: zu zeigen, dass die Bibel bei der Rede vom auserwählten Volk die heutigen Palästinenser und insbesondere die palästinensisch-arabischen Christen meint. Bei aufmerksamer Lektüre der „palästinensischen Theologie“ von Raheb, Ateek und ihresgleichen wird deutlich, dass diese Behauptung über die Auserwähltheit der Palästinenser bei gleichzeitigem Ausschluss Israels den ganzen Sinn und Zweck der Übung bildet. Rahebs Konferenz-Rede besteht  vor allem in dem Eingeständnis, dass all ihr früheres Geschwätz keiner ernsthaften Prüfung standhält. Sein kindischer Versuch, ein neues Geschwafel zu beginnen, bestätigt dies nur.

Nicht, dass dies die Lobhudelei Rahebs und Ateeks unter ihren Bewunderern verringern würde, da sie offenbar nicht für ihre intellektuelle Integrität, sondern für ihre Dienste bei der Delegitimierung des heutigen Israel und des heutigen jüdischen Volkes bewundert werden. Trotz seiner mit Nachdruck betonten Zurückweisung der Theologie des 19. Jahrhunderts, verpackt Raheb deren alte Behauptung neu, dass die Kirche das „Neue Israel“ ist, das an die Stelle des jüdischen Volkes getreten ist, und dass die Bibel allein den Christen gehört; wenn es nach Raheb geht: ausschliesslich den palästinensischen Christen.

Auf diese Weise erfährt Raheb gewöhnlich gespannte Aufmerksamkeit. In Deutschland beispielsweise wurde ihm im Jahr 2008 der Aachener Friedenspreis verliehen, und auf dem Ökumenischen Kirchentag im Mai 2010 in München wurde er, zwei Monate nach seiner Rede in Bethlehem, freundlich empfangen.

Wir können bei allem dankbar sein für das Schauspiel von Rahebs Auftritt in Bethlehem. Einerseits wanderte dabei die ganze frühere „palästinensische Theologie“ in den Müll. Andererseits wurde deutlich, dass jede vernünftige Universität sein „neues Denken“ mit „durchgefallen“ beurteilen würde, wenn es von einem nichtpalästinensischen Studenten vorgebracht würde. „Palästinensische Theologie“ mag noch immer ihre Bewunderer haben, aber sie starren auf einen kleinen Kaiser ohne Kleider.

Kurzfassung der Originalversion: “Palestinian Theologian” Trashes “Palestinian Theology” by Malcolm Lowe © Hudson New York, November 10, 2011. All rights reserved.