Iran: Regionale Vorherrschaft bei türkischer Konkurrenz?

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© Fars

Für den Iran stellen die Erschütterungen im Nahen Osten eine Chance dar, die politisch-religiöse Landschaft in der Region gründlich zu verändern. Die iranische Führung behauptet, dass die Protestbewegung in der arabischen Welt ihre Inspiration aus der islamischen Revolution im Iran beziehe; dort wird auch der Ausdruck „Islamisches Erwachen“ statt „Arabischer Frühling“ verwendet – das bringt sowohl die Politik des Irans als auch seine Bestrebungen in der Region zum Vorschein.

Die von Ayatollah Khomeini festgelegte politische Doktrin des Iran diktiert, definiert und formt nach wie vor die Ziele der Islamischen Revolution. Zu ihnen gehört auch, diese Revolution zu exportieren. Auch die feindliche Einstellung Israel gegenüber und die ständig wiederholten Forderungen seiner Vernichtung sind wesentliche Bestandteile dieser Grundsätze. Weitreichend und systematisch wurde die Khomeini-Doktrin während des Al-Quds-Tages eingesetzt; er hat seinen Zweck darin, das Engagement des Iran für die Sache der Palästinenser zum Ausdruck zu bringen. In diesem Jahr fand er vor dem Hintergrund des Umbruches in der arabischen Welt statt.

Der iranische Standpunkt legt den Sturz der moderaten, „verwestlichten“ arabischen Herrscher als Beweis für eine „göttliche Intervention“ bei den Ereignissen im Nahen Osten aus. Weiter sieht der Iran die Wahrheit von Chomeinis Weg und Doktrin bestärkt durch die Tatsache, dass die Mehrheit der Feinde des Irans – unter anderen Saddam Hussein und die Taliban – gestürzt sind. Inzwischen ist die Hisbollah zur herrschenden Kraft im Libanon geworden und die islamischen Gruppen in der arabischen Welt werden immer stärker.

Angesichts des schwächer werdenden Einflusses der Supermächte in der Region entfaltet der Iran ein wachsendes Selbstbewusstsein. Es findet seinen Ausdruck in der Verhärtung seiner Positionen und im Konfrontationskurs mit dem Westen in fast allen wichtigen Themen der Region. Dazu gehören der heftige Wiederstand des Iran gegen eine Zwei-Staaten-Lösung für Israel und die Palästinenser und seine Unterstützung für die Hisbollah.

Islamische Verteidigungslinien

In seiner Ansprache zum Al-Quds-Tag versuchte Chamenei, den Umbruch im Nahen Osten und die palästinensische Frage in einer einzigen, systematischen Doktrin zu verbinden und das anhaltende Engagement des Iran für die Sache der Palästinenser zum Ausdruck zu bringen. Aussagen ranghoher iranischer Beamten decken sich völlig mit seiner Rede. Im Libanon und in Palästina wird die iranische Sache verteidigt, so ihre Argumentation. Wenn nun Israel gezwungen ist, sich ständig mit Bedrohungen an seinen nördlichen und südlichen Grenzen auseinanderzusetzen, so die iranische Überlegung, wird ein israelischer Angriff auf den Iran unwahrscheinlicher, Israel im Inneren geschwächt (da Im Hinterland Schaden verursacht wird) und seine Legitimität auf der internationalen Bühne beeinträchtigt.

Präsident Ahmadinedjad wiederholte in seiner Hetzrede am Al-Quds-Tag sein Standardrepertoire von der Leugnung des Holocausts und der angeblich zentralen Rolle, die Israel bei Kolonisation und Ausbeutung spielt. Zu den Bemühungen der Palästinenser um die Anerkennung eines eigenen Staates machte Ahmadinedjad deutlich: „Formale Anerkennung des palästinischen Staates ist nicht das endgültige Ziel. Es ist lediglich ein erster Schritt hin zur Befreiung ganz Palästinas.“

Indem er die Revolution forciert und sein Streben nach regionaler islamischer Vorherrschaft mit der Leugnung von Israels Existenzrecht in Verbindung bringt, zeigt der Iran erfolgreich eine aktivistische Herangehensweise an arabische Probleme und speziell die der Palästinenser und damit auch einen starken Kontrast zu der von den arabischen Herrschern gezeigten Schwäche. Ahmadinedjad hat die Parolen der ursprünglichen Revolution clever neu vermarktet und den Iran als stabilen und widerstandsfähigen Akteur mit einer systematischen und kohärenten ideologischen, politischen und religiösen Doktrin positioniert, die eine alternative Betrachtungsweise einer neuen Weltordnung bietet.

Der Kampf gegen Israel und den „globalen Zionismus“ ist fast der einzige gemeinsame Nenner, der Iran mit dem Grossteil der sunnitisch-arabischen Welt verbindet. Er ermöglicht es dem Iran, arabisch-persische und sunnitisch-schiitische Unterschiede zu überbrücken. Da die Einschränkungen der arabischen Führer für iranische Initiativen islamischen Oppositionsgruppen gegenüber entfallen, kann der Iran direkte Verbindungen mit diversen islamischen Parteien der Region in verschiedenen Ländern etablieren und die antiisraelische Dynamik damit verstärken. Dennoch darf bezweifelt werden, ob es dem schiitischen Iran angesichts der von Saudi-Arabien unter Sunniten geschürten grundlegenden Furcht vor dem „schiitischen Dämon“ gelingen wird, sich in eine akzeptierte Führungsmacht im Nahen Osten zu verwandeln. Darüber hinaus könnte die fortdauernde iranische Unterstützung des Regimes von Bashir al-Assad in Syrien diejenigen weiter befremden, die die Revolution in der arabischen Welt getragen haben.

Eine andere Herausforderung des Iran hat die Gestalt eines alten Rivalen, der Türkei, die mit dem Iran in Konkurrenz um die Führung tritt und die die gleichen aggressiven Botschaften in Richtung Israel sendet. Die Türkei hatte in ihrem Wettstreit mit dem Iran dabei eine Reihe von Erfolgen zu verzeichnen, unter anderem die nach Gaza gesendete Flottille. Anfangs reagierte der Iran gegenüber der Türkei noch mit Zurückhaltung, inzwischen hat sich der Ton verschärft. Der Iran beschuldigt die Türkei, einen „liberalen Islam“ zu fördern und mit dem Westen zu kooperieren. Im Kampf um die Herzen der „freien Araber“ sind verstärkte Spannungen zwischen den beiden zu erwarten.

Während die Botschaft zur Demokratisierung nun im gesamten Nahen Osten geteilt wird, ist die Region auch zum Schauplatz von Auseinandersetzungen zwischen dem Westen, dem revolutionären iranischen Islam und dem islamischen Modell der Türkei geworden.

OTL a.D. Michael Segall, Jerusalem Center for Public Affairs

Originalversion: Iran Sees New Opportunity for Regional Domination Despite Turkish Competition by Lt. Col. (ret.) Michael Segall, © Jerusalem Center for Public Affairs, September 15, 2011

1 Kommentar

  1. Zwischen der Türkei und Iran findet ein Schachspiel statt, welches auf verschiedenen Ebenen angesetzt ist. Mit der Besetzung Zyperns und den oeffentlich ausgetragenen und wachsenden Petro-Ansprüchen der Türkei offizialisiert diese "Ihre Zukunft" als Erdöl/Erdgaslieferant und als zweiter Pipe-Line-Betreiber nach Russland. Damit wird die Türkei zum Konkurrenten Irans. Die Erdgasfelder vor Israel, Zypern, Libanon und Gazah sind derart reich, dass Iran einiges an Gewicht zu verlieren hat.

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