Die saudische Thronfolgeregelung auf dem Prüfstand

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H.R.H. Prince Naif bin Abd al-Aziz Second Deputy Premier and Minister of Interior

Der Tod des saudischen Kronprinzen Sultan Bin Abd al-Aziz Al Saud kam zwar nicht unerwartet, aber er wird die undurchsichtige politische Struktur des Königreiches in einer besonders herausfordernden Zeit auf die Probe stellen.

Theoretisch wird der 2006 von König Abdullah gegründete Familienrat den nächsten Kronprinzen wählen. Obwohl der fiktive Zweck die Formalisierung des Thronfolgesystems ist, hatte seine Schaffung einen wichtigen politischen Kontext, der sehr bekannt, aber nicht öffentlich verkündet wurde; Abdullahs Absicht war, die sogenannten Saudairi –Sieben zu überflügeln, die wichtigste Gruppe von Vollbrüdern der mehr als dreissig Söhne Ibn Sauds, dem Gründer des Königreiches, die die Regierung in den letzten vierzig Jahren beherrschten.

Abdullah hatte lange Zeit geglaubt, dass die Saudairis seine Fähigkeit und Seniorität innerhalb der königlichen Familie in Frage stellen. Als Fahd 1982 König wurde, wollte  Sultan zum Kronprinz ernannt werden; andere Prinzen haben ihn jedoch herausgefordert und Abdullah unterstützt. Schliesslich musste er sich mit dem Posten des zweiten Vize-Premierministers begnügen und wurde als „Kronprinz-Anwärter“ wahrgenommen. 1992 verkündete König Fahd das Grundgesetz der Regierung, das auch besagte, dass „der König den Erben wählt und ihn entlässt [aus seinen Pflichten] durch königliches Dekret.“ Abdullah verstand diese Bestimmung als Gefahr für sein Anrecht auf den Thron.

Tatsächlich habe die Saudiris viele Initiativen von Abdullah geblockt und gestatteten ihm nur kurze Zeit, 1996 den Regentitel zu tragen, nachdem Fahd 1995 einen Schlaganfall erlitten hatte. Als er nach Fahds Tod 2005 zum König gewählt worden war, rächte sich Abdullah, indem er Nayet versagte, zweiter Vize-Premierminister zu werden, mit der Begründung, dass der unbestimmte Gesundheitszustand des Prinzen diese Entscheidung rechtfertige. 2009 hat er jedoch nachgegeben und Nayet auf diesen Posten berufen.

Nominell gestatten es das Gesetz des Familienrates und seine Zusammensetzung (d.h. die Halbbrüder des Königs und die ältesten Söhne der verstorbenen Halbbrüder) Abdullah, rivalisierende Kandidaten zum Kronprinzen zu ernennen, nach einer geheimen Beratung einer Art der Wahl. Es ist fast sicher, dass Nayet auf seine Wahl bestehen wird. Er verfügt über jahrelange administrative Erfahrung und nun, da es ihm gesundheitlich besser geht, scheint er besser in Form als seine älteren Rivalen.

Angesichts Abdullahs eigener gesundheitlicher Schwäche – er ist achtundachtzig und hatte Anfang Monat eines weitere Rückenoperation – erscheint Nayef bereits als Herrscher im Alltag und zukünftige König. Ein auffallender Hardliner bei sozialen Themen, wie beispielsweise das Frauenwahlrecht und Autofahren für Frauen, was Abdullah andererseits unterstützt, scheint Nayef mit dem König über die Gefahren übereinzustimmen, die vom Iran und der saudischen schiitischen Minderheit ausgehen.

Die formelle Erhebung Nayefs sollte innerhalb der nächsten Tage deutlich werden. Zusätzlich zur Ankündigung eines neuen Verteidigungsministers – wohl eher Sultans Bruder Abdulrahman als sein Sohn Khaled – wird es auch gut zu anderen wichtigen Ministerialernennungen kommen. Doch die offiziellen Pressemitteilungen erzählen bestimmt nicht die ganze Geschichte, oder gar die wahre. So nennt beispielsweise die Todesnachricht von Prinz Sultan, die von der staatlichen saudischen Nachrichtenagentur veröffentlicht wurde, 1931 als sein Geburtsjahr. In einer Mitteilung von 2005 jedoch wurde dieses mit 1930 angegeben. Und die meisten Analysten glauben,  dass sein echtes Geburtsjahr 1924 war.

 

Simon Henderson is the Baker fellow and director of the Gulf and Energy Policy Program at The Washington Institute.

Auszug aus der Originalversion: Sultan’s Death Tests Saudi Succession Mechanisms By Simon Henderson © The Washington Institute for Near East Policy, Policy Alert, October 24, 2011