Säbelrasseln in Ankara

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Auf direkte Anweisung aus dem Büro von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sind die Radaranlagen türkischer F-16 Kampfflugzeuge umgerüstet worden, um automatisch israelische Kampfjets als „Feinde“ zu erkennen. Ankaras „Star Gazete“ und „Zaman today“ haben am Montag und Dienstag berichtet, dass die türkische Military Electronics Industry (ASELSAN) ein neues „Freund-Feind Erkennungssystem“ für Radare der F-16 Kampfjets entwickelt hätten, um das ursprünglich eingebaute amerikanische System zu ersetzen. Die amerikanischen Radare erkennen israelische Flugzeuge und Schiffe automatisch als „Freunde“. Alle moderne Luftwaffen verwenden solche Systeme, um irrtümlichen Beschuss zu verhindern.

Zaman berichtet weiter, dass die amerikanischen Freund-Feind-Systeme von den Türken nicht geändert werden konnten. Deshalb hätten die Türken ein eigenes System entwickelt, um auch israelische Ziele als „Feinde“ zu erkennen. Angeblich haben die Amerikaner den Israelis ein „offenes“ System geliefert, mit der Möglichkeit, die Listen der Freunde oder Feinde zu ändern. Ebenso heisst es da, dass die Amerikaner den Israelis für die Türkei bestimmte Systeme vor ihrer Auslieferung gezeigt hätten.

Diese Nachricht kommt nur einen Tag, nachdem Erdogan in einem Interview mit Al Dschesira (Video-Clip) erklärt hat, dass der israelische Sturm auf die Mavi Marmara im Mai vorigen Jahres und die Tötung von neun bewaffneten türkischen „Friedensaktivisten“ durch israelische Kommandosoldaten für die Türkei ein „Kriegsgrund“ gewesen sei. Der arabisch-sprachige Sender Al Dschesira hatte nach Angaben der Zeitung Jedijot Achronot diesen Abschnitt „zensiert“. Doch das Büro Erdogans habe die Aussagen des Ministerpräsidenten vor seiner Abreise zu einem offiziellen Besuch in Kairo als Mitschrift des Interviews veröffentlicht.

Mit grosser Sorge wurde in Israel am Montag auch eine Meldung der liberalen türkischen Zeitung „Sabah“ aufgenommen, wonach die Türkei im östlichen Mittelmeer drei Kriegsschiffe stationieren wolle, um „zivile Hilfsschiffe mit Kurs auf Gaza vor Angriffen zu beschützen“. Erdogan habe nach Angaben der Zeitung die türkische Marine angewiesen, sich israelischen Kriegsschiffen in internationalen Gewässern bis auf hundert Meter zu nähern und deren Waffen zu „neutralisieren“.
Schon in der vergangenen Woche hatte Erdogan damit gedroht, Schiffe mit Hilfsgütern auf dem Weg nach Gaza von türkischen Kriegsschiffen begleiten zu lassen.

Die Türkei fordert von Israel die Aufhebung einer Seeblockade des Gazastreifens. Die UNO hat in einem Report bestätigt, dass die israelische Seeblockade international Recht entspreche und Israel erlaube, Schiffe mit Kurs auf Gaza auch in internationalen Gewässern zu stoppen, umzuleiten und zu durchsuchen. Israel ist gemäss den Vorgaben der mit den Palästinensern unterzeichneten Osloer Verträge dazu verpflichtet, Waffenschmuggeln in den Gazastreifen auch auf dem Seeweg zu unterbinden.
In einem Interview mit der ägyptischen Zeitung Fahmi Hawidi habe Erdogan zudem gesagt, dass der israelische Militärattaché an der Botschaft in Ankara sich weigere, die Türkei zu verlassen. „Wir werden einen diplomatischen Weg finden, ihn zur Abreise zu  veranlassen“, wird da Erdogan zitiert.

(C) Ulrich W. Sahm

2 Kommentare

  1. Im Januar 2011 hat die amerikanische Firma Noble Energy im Auftrag der israelischen Regierung neue Gasvorräte von rund 450 Milliarden Kubikmetern vor der Küste geortet. Rechnet man das neu entdeckte Reservoir zu den Lagern, die bereits 2009 lokalisiert wurden, kann Israel mit fast 700 Milliarden Kubikmeter Gas rechnen. Solche Mengen würden Israel fast über Nacht zu einem Energie-Exporteur machen.
    Wahrscheinlich sind die israelischen Vorräte Teil des gigantischen Levant-Beckens, das nach Schätzungen bis zu 3,5 Billionen Kubikmeter Erdgas enthält und das sich unter dem Meeresboden vor der Küste Israels nach Norden zieht, in die Gewässer Libanons und Syriens und bis in die südlichsten Teile der Türkei hinein. Der Westen des Levant-Beckens liegt unter den Hoheitsgewässern von Zypern. Die dortige Regierung schätzt, dass in unmittelbarer Nachbarschaft zu den israelischen Vorräten rund 280 Milliarden Kubikmeter Gas schlummern. Um Streit über den Schatz zu vermeiden, schlossen Zyprer und Israelis im Dezember 2010 ein Abkommen über die Festlegung der bilateralen Seegrenze.
    Für Ankara ist die zyprisch-israelische Verständigung ein Alarmzeichen. Das Abkommen ignoriere die Rechte der türkischen Zyprer, kritisierte die türkische Regierung und bestellte den israelischen Botschafter in Ankara ins Außenministerium ein. International ist zwar die griechisch- zyprische Regierung die Vertreterin der Insel, doch die türkische Seite will es nicht hinnehmen, dass die Griechen ihren Alleinvertretungsanspruch für so weitreichende Entscheidungen wie die Ausbeutung der Gasvorräte nutzen. Aus Sicht der Türkei sei das zyprisch-israelische Grenzabkommen jedenfalls „null und nichtig“, zürnte die Regierung in Ankara.
    Mit ihrem Engagement in internationalen Gas- und Ölprojekten hat die strategisch günstig gelegene Türkei versucht, sich als Drehscheibe für die Energieversorgung des Westens zu etablieren. Dies ist umso wichtiger, weil die Nato und die EU eine Alternative zu den russischen Versorgungslinien benötigt werden. Nun schicken sich Zypern gemeinsam mit Israel an, diese Rolle zu übernehmen. Im aufgeheizten politischen Klima bleibt es nicht immer bei diplomatischen Wortgefechten. Schon vor zwei Jahren monierten die Zyprer bei den Vereinten Nationen, die türkische Kriegsmarine habe norwegische Spezialschiffe zur Untersuchung von Rohstoffvorräten aus den Gewässern um Zypern vertrieben. „Niemand wird es hinnehmen, dass sich ein anderer seine Rechte an den Rohstoffen unter den Nagel reißt“, sagte Göknel. Persönlich glaube ich, dass das marine Muskelspiel der Türkei schon 2 Jahre dauert und dass Gazah als medialer Vorwand aufgebaut wird. Der Verbleib der Türkei in der Nato dürfte ferner negative Auswirkungen auf deren Freiheitsgrade in diesem Dossier haben. Weswegen auch ein Rausschmiss eventuell in Kauf genommen wird. Für die EU hingegen kann es kaum von Vorteil sein, eine zu starke und extrem gut gerüstete Türkei zu züchten. Eine eventuelle Erdgaspipeline von Israel nach Zypern und auch die Vorkommen vor Zypern hätten zudem einen positiven Einfluss auf griechische und EU Finanzen. Es fragt sich daher, welche Rolle die EU in diesem nun mehrjährigen Muskelspiel mit der Türkei hatte. Audiatur könnte sich daher mit dieser handfesten Petro-Thematik beschäftigen, die seit je her die meisten Kriege verursacht haben.

  2. Ganz ehrlich, was glauben die Türken, was passiert wenn die paar Millionen Palästinenser ihren Staat bekommen?

    Die gehen einfach mit dem Beispiel voran, und wenn die 15-20 Millionen Kurden erkennen dass ein eigener Statt möglich ist, werden die sicher eines Tages auch nach Ihrer Unabhängigkeit neu streben. Vielleicht erleben wir nie einen unabhängigen Kurdistan, aber wer kann schon sagen was in der nächsten Generation vor sich geht?

    Es ist doch Fakt, dass die Türkei genug eigene Probleme an ihrer Ostgrenze hat und nun mit antiisraelischem Populismus hofft, ihre Inlandspolitik positiv zu beeinflussen sowie den arabischen Frühling mitzugestalten.

    Israel hat seinen Verbündeten (Türkei) verloren und auch die verschlechterte Beziehung mit Ägypten wird ihm bestimmt eine bittere Pille sein. Aber wenn man sich die letzten 50 Jahre anschaut, wird man erkennen dass die Israelis es ja irgendwie gewohnt sind im nahen Osten isoliert zu sein.

    Ich selbst bin nicht von der Partie, weder Kurde, Türke oder Jude. Aber ich bekomme wirklich Gänsehaut, wenn ich mir die türkische Wandlung vom Verbündeten zum Feind ansehe. Der nahe Osten ist ohnehin schon instabil. Und plötzlich wächst die Saat des Hasses. Ja es mag sein dass dies die Saat Israels ist, aber Türkei züchtet sie hoch! Und falls der arabische Frühling zum israelischen Herbst wird, so befürchte ich wird es auch zum türkischen Winter.

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