Keine Kreuzfahrt nach Gaza

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Die "Mavi Marmara". Foto "Free Gaza movement". Lizenziert unter CC BY-SA 2.0 via Wikimedia Commons.
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Im Mai wollte eine internationale „Solidaritäts-Flotte“ erneut versuchen, die israelische Seeblockade vor Gaza zu durchbrechen. Jedoch erlitt die Unternehmung buchstäblich Schiffbruch. Bei genauerer Betrachtung der Organisatoren kommen Zweifel am angeblich humanitären Anliegen auf. Auch die Schweizer Beteiligten bilden dabei keine Ausnahme.

Ursprünglich hätten die Schiffe der zweiten Gaza-Flottille Gaza am 31. Mai 2011 erreichen sollen, also genau ein Jahr nach der ersten. Zwischenzeitlich hatte die türkische „Hilfsorganisation“ IHH (İnsan Hak ve Hürriyetleri ve İnsani Yardım Vakfı, türkisch für: Stiftung für Menschenrechte, Freiheit und Humanitäre Hilfe) verkündet, den Start der zweiten Flottille aufgrund der Parlamentswahlen in der Türkei zu verschieben. Anderen Berichten zufolge hätten aber auch viele Aktivisten ihre Teilnahme nochmals überdacht. Auch seien die Organisatoren vor finanziellen Schwierigkeiten gestanden (1). In einer Pressemitteilung der Organisatoren hiess es, die Flottille werde in der dritten Juni-Woche Kurs Richtung Gaza nehmen. Dann ging auf einmal gar nichts mehr. Zuerst erklärte die IHH, sie werde nun doch nicht an der Flottille teilnehmen und dann verbot die griechische Regierung den Schiffen, die Häfen in Richtigung Gaza zu verlassen. Den Kapitän des amerikanischen Schiffs Audacity of Hope, der trotz fehlender Genehmigung versuchte auszulaufen, nahmen die griechischen Behörden kurzerhand fest (2). Nach diesen Rückschlägen gaben viele Aktivisten entnervt auf und kehrten in ihre Heimatländer zurück.

Gegen den „Belagerungszustand“, für Selbstmordattentate
Was aber sind die eigentlichen Ziele der Flottille und wer genau steckt dahinter? Laut der  Free Gaza Movement soll der „Belagerungszustand von Gaza“ durchbrochen und die internationale Gemeinschaft dazu gebracht werden, „den israelischen Besatzern die fortlaufende Unterstützung“ zu entziehen. „Die historische illegale Aneignung von palästinensischem Land, von Heimstätte und Erbe“ stehe im Zentrum des Nahostkonflikts. Sie habe zur „grössten bestehenden Flüchtlingsgruppe in der Welt“ geführt (4). In Broschüren wie jener der Deutsche Initiative zum Bruch der Gazablockade, ist die Rede von einer „katastrophalen humanitären Lage“, die „Besatzung“ sei „zerstörend und entstellend“. Zum Ziel der Initiative heisst es:

Die Initiative will die Blockade von Gaza durchbrechen und mit Schiffen Hilfsgüter in den Gazastreifen bringen. […]Die Initiative fordert die Einhaltung von Menschenrechten, dem Recht auf Bildung und dem Recht auf ein menschenwürdiges Leben.“ (5)

Soweit, so gut.

Hauptverantwortlich für der Koordinierung der zweiten Gaza-Flottille ist Muhammad Sawalha, ein von England aus operierendes Führungsmitglied der Muslimbruderschaft, der beim Aufbau der Infrastruktur für die operativen Tätigkeiten der Hamas in der West Bank half (6). Im iranischen PressTV trat er auf in der Funktion als Vizevorsitzender der International Campaign to Break the Siege on Gaza (7).  Weitere Verantwortliche für die Flottille sind die bereits erwähnte IHH (zumindest bis zu ihrem Rückzieher), die International Solidarity Movement (ISM), sowie  die European Campaign To End The Siege On Gaza. Die Kampagne entstand 2007 im Rahmen der jährlichen Palästinenser in Europa Konferenz, welche vom Palestine Return Center (PRC) organisiert wird, welches wiederum über enge Verbindungen zur Muslimbruderschaft und zur Hamas verfügt (8). Der Vorsitzende der

Kampagne, Dr. Arafat Shukri, ist zugleich der Geschäftsführer von PRC. Von den 33 Nichtregierungsorganisationen, die sich an der Kampagne beteiligen, verfügen viele über enge Verbindungen zur Union of Good.

Die Union of Good wurde im Oktober 2000, kurz nach dem Ausbruch der Zweiten Intifada gegründet, mit Unterstützung der Hamas-Führung. Sie ist die Dachorganisation von über 50 islamischen Organisationen, deren Zweck die Beschaffung von finanziellen Mitteln für die Palästinenser in den Autonomiegebieten ist (9). Ihr Vorsitzender ist Dr. Yusuf al-Quardawi, ein der wichtigsten Gelehrten des Islams sunnitischer Prägung, der in Europa als „gemässigt“ gilt, obgleich er Selbstmordanschlägen in Israel den religiösen Segen erteilte und Frauen in einer Fatwa dazu ermutigte, sich ebenfalls daran zu beteiligen (10).

Die zweite Gaza-Flottille hätte ursprünglich aus 15 Schiffen bestehen sollen, letztlich waren es gerade mal neun. Auch das „Schweizer Schiff nach Gaza“ der Schweizer „Menschenrechtsorganisation“ Droit Pour Tous kam letztlich auch nicht zustande, nachdem die Verhandlungen um die Miete eines Passagierschiffes unter britischer Flagge scheiterten.

Verbindungen zur Hamas
Nach eigenen Angaben ist Droit Pour Tous eine Nichtregierungsorganisation, die sich gegen „Ungerechtigkeit auf der ganzen Welt“ einsetzt und „alle Formen von Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung“ bekämpft. Insbesondere wolle man aber „das palästinensische Problem“ angehen.

Diesen März machte Droit Pour Tous mit einer Strafanzeige gegen Israels Staatspräsidenten Schimon Peres auf sich aufmerksam. Die NGO forderte die Genfer Staatsanwaltschaft auf, Präsident Peres während seines Besuchs in Genf zu verhaften wegen „Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ während der Operation „Gegossenes Blei“ anzuklagen, bei der über „1450 Palästinenser, die meisten davon Frauen und Kinder, getötet worden seien.“ (11)

Vorsitzender von Droit Pour Tous ist Anwar Al Gharbi, einer der Gründer und Repräsentanten der European Campaign To End The Siege On Gaza. Al Gharbi verfügt über direkte Verbindungen zur Union of Good. Er ist Sekretär der Association de Secour Palestiniens (12). Diese ist gehört wiederum zur Union of Good (13) und steht der Liste von Terrororganisationen des US-Finanzministeriums (14).

Droit Pour Tous arbeitete im Februar dieses Jahres auch mit der in Genf ansässigen Nichtregierungsorganisation North-South 21 zusammen, die mit Gaddafi-Geldern finanziert wird und  enge Verbindungen zu Jean  Ziegler unterhält (15).  Gemeinsam organisierten sie in Genf eine Konferenz zu den „Rechten palästinensischer Gefangener“.

Auf ihrer Homepage hatte Droit Pour Tous für die „9. Konferenz der Palästinenser in Europa“ geworben, die am 7. Mai in Wuppertal, Deutschland stattfand (17). An dieser Konferenz nahmen u.a. ein hochrangiger Vertreter der Hamas,  Dr. Abd al-Aziz Duwaik teil, sowie Scheich Raed Salah, Führer der islamischen Bewegung in Nordisrael. Dieser behauptete in der Vergangenheit, Juden würden Kinderblut zum Brot backen gebrauchen (18). Salah gehört ausserdem dem Aufsichtsrat der Union of Good an (19).

Die Finanzierung von Droit Pour Tous ist öffentlich nicht nachvollziehbar. Jedenfalls rief sie zu Spenden auf, um die Teilnahme des Schweizer Schiffes an der Gaza-Flottille zu ermöglichen.

Über die Identität der Schweizer Passagiere hielt sich Droit Pour Tous bedeckt. Bekannt gegeben wurde einzig die Teilnahme der Nationalräte Josef Zisyadis (PdA/VD), Carlo Sommaruga (SP/GE), Jean-Charles Rielle (SP/GE), sowie des Liedermachers Michel Bühler.

Die sagten dann aber alle aufgrund von „Terminkollisionen“ ab (20). Ein weiter Rückschlag für die Organisationen. Übrigens liegt von der SP bis heute trotz mehrfacher Nachfrage keine Stellungnahme zur geplanten Teilnahme Sommarugas vor.

Bislang ein Debakel
Bisher war die zweite Gaza-Flotte ein Debakel. Einzig dem französischen Schiff Dignité-Al Karama gelang es, Kurs auf Gaza zu nehmen. Inzwischen wurde es aber von der israelischen Marine ohne Schwierigkeiten gestoppt (21). Ob die französischen Aktivisten mit ihrer Behauptung, sie seien die erste Welle, der weitere folgen würden, Recht behalten wird sich zeigen.

Allerdings irritiert die Tatsache, dass die Mehrheit der europäischen Medien weiterhin von „Menschenrechtsaktivisten“  spricht, wenn sie Teilnehmende und Organisatoren der Gaza-Flottille meint. Zweifelsohne mag dies auf einige naive und gutmeinende Passagiere zutreffen. Doch bereits eine oberflächliche Recherche zu den Hauptverantwortlichen würde  sämtliche Zweifel und Missverständnisse über den eigentlichen Zweck der Flottille ausräumen.

(1) http://www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-4061063,00.html

(2) http://www.welt.de/politik/article13464352/Athen-nimmt-einen-Kapitaen-der-Gaza-Flotte-fest.html

(3) http://www.freedomflotilla.eu/de/information/4-members-announcements/179-dignite-al-karama-gaza-within-24-hrs

(4) http://www.freegaza.org/de/unser-ziel-

(5) http://germany-gaza.de/wp-content/uploads/2010/08/Gaza-Initiative-Konzept-PDF.pdf

(6) http://jcpa.org/JCPA/Templates/ShowPage.asp?DRIT=1&DBID=1&LNGID=1&TMID=111&FID=378&PID=0&IID=7745&TTL=Who_Is_Behind_the_Second_Gaza_Flotilla?

(7) http://www.presstv.ir/detail/186331.html

(8) http://www.terrorism-info.org.il/malam_multimedia/English/eng_n/html/ipc_e171.htm

(9) http://www.terrorism-info.org.il/malam_multimedia/html/final/eng/sib/2_05/funds.htm#1

(10) http://www.terrorism-info.org.il/malam_multimedia/html/final/eng/sib/2_05/funds_g.htm

(11) http://www.droitpourtous.ch/index.php?lecture_article=148&language=en&page=20

(12) http://www.moneyhouse.ch/u/v/association_de_secours_palestinien_CH-660.1.796.003-8.htm

(13) http://www.terrorism-info.org.il/malam_multimedia/html/final/eng/sib/2_05/funds_e.htm

(14) http://www.treasury.gov/resource-center/sanctions/Programs/Documents/terror.pdf

(15) http://blog.unwatch.org/index.php/2011/03/20/qaddafi-and-his-un-accredited-ngo-north-south-21/

(17) http://www.droitpourtous.ch/index.php?lecture_article=179&language=fr&page=6

(18) http://en.wikipedia.org/wiki/Raed_Salah & http://www.haaretz.com/news/islamic-movement-head-charged-with-incitement-to-racism-violence-1.238209

(19) http://www.terrorism-info.org.il/malam_multimedia/html/final/eng/sib/2_05/funds_h.htm

(20) http://www.droitpourtous.ch/index.php?lecture_article=192&language=fr&page=102

(21) http://www.jpost.com/VideoArticles/Video/Article.aspx?id=230024

Über Michel Wyss

Michel Wyss ist freischaffender Analyst bei der Audiatur-Stiftung und beschäftigt sich hauptsächlich mit Sicherheitspolitik im Nahen Osten. Er absolviert derzeit ein MA-Studium in Government mit Fokus auf Internationale Sicherheit am Interdisciplinary Center in Herzliya, Israel und ist als Research Assistant beim International Institute for Counterterrorism (ICT) tätig.

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