Hetze gegen Israel: ein Eigentor von Jibril Rajoub?

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Jibril Rajoub an einer Pressekonferenz in Ramallah. Foto Issam Rimawi/Flash90
Jibril Rajoub an einer Pressekonferenz in Ramallah. Foto Issam Rimawi/Flash90
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Der Weltfussballverband FIFA hat gegen den Präsidenten des palästinensischen Fussballverbands, Jibril Rajoub, ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Rajoub hatte einmal mehr durch feindselige Äusserungen gegenüber Israel von sich reden gemacht und dazu aufgerufen, Trikots von Lionel Messi zu verbrennen, sollte dieser in Jerusalem gegen das israelische Nationalteam spielen. Das fand Widerhall bei der antisemitischen BDS-Bewegung, deren von Drohungen und Einschüchterungen geprägte Aktivitäten dazu führten, dass der argentinische Verband die Partie absagte. Für Rajoub könnte sich das jetzt als Eigentor erweisen.

 

Das hatte sich Jibril Rajoub ganz anders vorgestellt: Offenbar beflügelt von seinem «Erfolg», wenige Tage vor der Weltmeisterschaft in Russland massgeblich zur Absage des Freundschaftsländerspiels zwischen Israel und Argentinien in Jerusalem beigetragen zu haben, hatte der Präsident des palästinensischen Fussballverbands beim Weltfussballverband FIFA den Antrag gestellt, die Statuten zu ändern. Die FIFA, so sein Vorschlag, sollte sich verpflichten, künftig eine stärkere Haltung gegenüber «Menschenrechtsverletzungen» einzunehmen und entsprechende Verstösse von Mitgliedern mit einer Suspendierung oder einem Ausschluss ahnden. Es ist kein Geheimnis, dass Rajoub dabei auf angebliche israelische Vergehen gegen die Palästinenser abstellte. Schon im Frühjahr 2015 hatte der 65-Jährige, der wegen terroristischer Aktivitäten insgesamt 17 Jahre in israelischen Gefängnissen verbracht hatte, den Ausschluss Israels aus der FIFA gefordert. Damit war er jedoch gescheitert. Auch sein jüngstes Anliegen wurde zurückgewiesen: Die Teilnehmer des FIFA-Kongresses, der kurz vor dem Beginn der WM in Russland tagte, lehnten es mit 156 zu 35 Stimmen ab. Mehr noch: Der Weltfussballverband leitete ein Disziplinarverfahren gegen Rajoub ein.

Vorausgegangen war eine Beschwerde des israelischen Fussballverbands (IFA). Denn Rajoub hatte Anfang Juni arabische und muslimische Fussballanhänger dazu aufgerufen, Poster und Trikots des argentinischen Superstars Lionel Messi zu verbrennen, sollte dieser in Jerusalem mit von der Partie sein. Das Spiel sei keines für den Frieden, «sondern ein politisches Match, das die faschistische und rassistische Besatzung verdecken soll», glaubte er. Rajoubs Appell fand den zu erwartenden Widerhall bei der antisemitischen BDS-Bewegung, die einen Boykott, den Kapitalabzug und Sanktionen gegen den jüdischen Staat fordert. In Barcelona, wo sich die argentinische Auswahlmannschaft auf die WM vorbereitete, zogen BDS-Aktivisten zum Trainingslager des Teams und setzten dort tatsächlich Leibchen mit der Rückennummer und dem Namen des beim FC Barcelona spielenden Superstars in Brand. Ausserdem präsentierten sie mit künstlichem Blut verschmierte Fussballhemden, die die angeblichen israelischen Verbrechen an den Palästinensern symbolisieren sollten.

Doch damit nicht genug: Berichten argentinischer Medien sowie Äusserungen eines argentinischen Verbandsfunktionärs zufolge wurden Spieler und ihre Familien massiv bedroht. Darüber hinaus kündigte der palästinensische Verband an, eine «weltweite Kampagne» gegen die Bewerbung Argentiniens zur Durchführung der WM 2030 zu beginnen, sollte das Team in Jerusalem antreten. Der argentinische Fussballverband sagte das Gastspiel in Israel daraufhin ab – ein immenser propagandistischer Coup für Rajoub und die BDS-Bewegung. Mit Drohungen und Einschüchterungen hatten sie es geschafft, die Partie in Jerusalem zu verhindern. Rajoub frohlockte dann auch und verdrehte dabei völlig die Wirklichkeit: «Der Sport hat heute triumphiert, und Israel wurde durch die Absage des Spiels die rote Karte ins Gesicht gehalten.»

Disziplinarverfahren eingeleitet

Sein Vorgehen könnte sich für ihn nun als Eigentor erweisen: Das Disziplinarverfahren gegen Rajoub ergebe sich «aus seinen in den Medien verbreiteten Aussagen», sagte ein FIFA-Sprecher. Der Präsident der IFA, Ofer Eini, begrüsste diesen Schritt. Rajoub habe «alle möglichen roten Linien überschritten, die man sich vorstellen kann», sagte er. Dieses Ritual wiederhole sich jedes Mal, wenn er versuche, bei der FIFA eine Entscheidung gegen Israel herbeizuführen. Tatsächlich hatte Jibril Rajoub, der auch dem palästinensischen Olympischen Komitee vorsteht, bereits in der Vergangenheit mehrmals versucht, Sanktionen gegen israelische Sportverbände zu erwirken. So forderte er beispielsweise im Mai 2012 den Ausschluss Israels aus sämtlichen olympischen Verbänden und Einrichtungen; im Juli desselben Jahres rief er den europäischen Fussballverband UEFA dazu auf, Israel die Ausrichtung der U21-Europameisterschaft im Fussball zu entziehen.

Rajoub ist strikt gegen jegliche Annäherung zwischen den Palästinensern und Israel. «Jede gemeinsame sportliche Aktivität mit dem zionistischen Feind zum Zwecke der Normalisierung ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit», sagte er er im September 2014, als sich israelische und palästinensische Jugendliche zu einem Fussballspiel in Südisrael trafen. Man müsse Israel aber auch auf anderen Ebenen konfrontieren: «Durch eine Eskalation des Widerstands, durch Boykott und Isolation sowie durch den Stopp jeder Form von Normalisierung», auch auf den Gebieten «der Politik, der Hochschulen, des Handels und der Wirtschaft». Die Option eines bewaffneten Aufstandes sei ebenfalls nicht vom Tisch. Ende April 2013 hatte Rajoub in einem Fernsehinterview sogar bedauert, dass die Palästinenser keine Atomwaffen besitzen, andernfalls würden sie sie sofort gegen Israel einsetzen.

Unter Rajoubs Ägide werden zudem immer wieder Klubs, Mannschaften, Wettbewerbe und Stadien nach Terroristen benannt, die Juden und Israelis getötet haben. Aus diesem Grund kündigte der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) im April 2017 eine bereits zugesagte Kooperation mit dem palästinensischen Fussballverband wieder auf. Der Verbandspräsident Alfons Hörmann sagte, die Tatsache, dass palästinensische Fussballspiele «zum Teil in Sportstätten stattfinden, die nach Terroristen benannt sind», sei «für uns im DOSB und für mich als Präsident schlichtweg nicht akzeptabel». Deshalb wolle man daran «weder in irgendeiner Form beteiligt oder gar federführend sein». Zuvor hatte das Simon Wiesenthal Center (SWC) in Los Angeles das geplante Sportprojekt von DOSB und palästinensischem Fussballverband scharf kritisiert. Shimon Samuels, der beim SWC als Direktor für internationale Beziehungen tätig ist, sagte, die «unverhohlene Glorifizierung von Judenmördern» durch die palästinensische Seite rufe Erinnerungen «an die Olympischen Spiele der Nazis 1936 und an die Grausamkeiten während Olympia 1972 in München» wach.

Das Schweigen der Rajoub-Verteidiger

Rajoub veranlasste dennoch keinerlei Änderung dieser Praxis und verfolgte im Übrigen weiterhin seinen Plan, Israel aus der FIFA ausschliessen oder zumindest mit harten Sanktionen belegen zu lassen, beispielsweise wegen der Teilnahme von sechs unterklassigen israelischen Fussballvereinen aus Siedlungen im Westjordanland am israelischen Spielbetrieb. Das ist nach Ansicht von Rajoub nicht zulässig, denn laut FIFA-Statuten dürfe ein Klub nicht auf dem Territorium eines anderen Verbandes spielen, wenn dieser das ablehnt. Der israelische Verband hingegen argumentiert, die Gebiete im Westjordanland, auf denen die Vereine spielen, seien umstritten, nicht besetzt, und die genaue Aufteilung sei eine Angelegenheit, die nicht der FIFA obliege, sondern von Israelis und Palästinensern auf politischer Ebene geklärt werden müsse. Der Weltfussballverband setzte eine Task-Force ein, um zu einer Lösung zu kommen, und gab schliesslich im Oktober 2017 bekannt, dass er nicht gegen den israelischen Verband vorgehen wird – eben weil der Konflikt von der Politik zu behandeln sei.

Unterstützung hatte Rajoub von rund drei Dutzend Schweizer Nationalräten erhalten. Diese hatten sich im Frühjahr 2017 einem Brief des SP-Nationalrates Cédric Wermuth an den FIFA-Präsidenten Gianni Infantino angeschlossen, in dem der Ausschluss der Vereine aus den Siedlungen gefordert worden war. Bereits ein halbes Jahr zuvor hatten mehr als 60 Abgeordnete des Europaparlaments in einem Schreiben an die FIFA die gleiche Konsequenz verlangt. Die NGO «Human Rights Watch» fand überdies, durch das Fussballspielen in israelischen Siedlungen würden «Menschenrechte verletzt, und daran sollte sich die FIFA nicht beteiligen». Wilfried Lemke, der den Posten des «Sonderberaters des UN-Generalsekretärs für Sport im Dienst von Frieden und Entwicklung» bekleidet, meldete sich ebenfalls zu Wort und tat kund, die israelischen Siedlungen seien «illegal», weshalb dort auch keine regulären Fussballspiele ausgetragen werden dürften.

Wann das Ergebnis des Disziplinarverfahrens der FIFA gegen Jibril Rajoub feststehen wird, ist bislang nicht bekannt geworden. Auffällig ist gleichwohl, dass sich Rajoubs bisherige Unterstützer in der Schweizer Politik und dem europäischen Parlament, in Menschenrechtsorganisationen und bei den Vereinten Nationen derzeit schweigsam zeigen. Ob aus Scham, aus Einsicht oder aus einem anderen Grund, ist nicht überliefert. Sie alle täten jedenfalls gut daran, auf grösstmögliche Distanz zu diesem Mann zu gehen, der nichts Gutes im Schilde führt, antisemitisches Gedankengut pflegt und zudem jegliche sportliche Fairness mit Füssen tritt.

Über Alex Feuerherdt

Alex Feuerherdt ist freier Autor und lebt in Köln. Er hält Vorträge zu den Themen Antisemitismus, Israel und Nahost und schreibt regelmässig für verschiedene Medien unter anderem für die «Jüdische Allgemeine» und «Mena-Watch». Zudem ist er der Betreiber des Blogs «Lizas Welt». Gemeinsam mit Florian Markl ist er Autor von »Vereinte Nationen gegen Israel«, erschienen bei Hentrich & Hentrich 2018.

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