Ein Ende des Terrors aus dem Gazastreifen ist unrealistisch

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Hamas Gründer Mahmoud al-Zahar an einer Kundgebung in Gaza. Foto Facebook / Radio Midan
Hamas Gründer Mahmoud al-Zahar an einer Kundgebung in Gaza. Foto Facebook / Radio Midan
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Da ein Ende des Terrors aus dem Gazastreifen unrealistisch ist, hat Israel klugerweise eine Strategie der Zermürbung eingeschlagen. Falls es in naher Zukunft zu einem grösseren Einsatz von Bodentruppen kommt, sollte die Eroberung des gesamten Gazastreifens jedoch nicht das Ziel sein.

 

von Prof. Efraim Inbar

Der grosse Wunsch, dem Terrorismus aus dem Gazastreifen ein für alle Mal ein Ende zu setzen, ist zwar verständlich, jedoch unrealistisch. Jenseits der Grenze befindet sich eine grosse Bevölkerungsgruppe, welche die Juden hasst und in der Vergangenheit immer wieder Terroranschläge gegen Israel verübt hat, selbst als der Gazastreifen unter der Herrschaft Israels stand. Ausserdem würde die Eroberung des Gazastreifens eine komplexe Militäroperation erfordern, die durchaus mit viel Blutvergiessen einhergehen könnte. Danach läge die Betreuung der Bewohner des Gazastreifens in Israels Verantwortung – was nicht zu empfehlen ist. Der Hamas-Herrschaft ein Ende zu setzen, würde ebenso wenig die Beliebtheit der Hamas bei den Palästinensern beenden und wäre auch den Interessen Israels nicht dienlich. Die Hamas-Herrschaft schwächt die dem Frieden gegenüber ablehnend eingestellte palästinensische Nationalbewegung. Die Kluft zwischen dem Gazastreifen und dem Westjordanland beweist, dass die palästinensische Nationalbewegung nicht in der Lage ist, einen Staat zu gründen und dass sie keinen Partner für den Frieden darstellt.

Die Hamas-Organisation ist sich der strategischen Logik Israels bewusst und fürchtet nicht, dass Israel einen gross angelegten Krieg anstrebt, um ihrer Herrschaft über den Gazastreifen ein Ende zu setzen. Dies hat zur Folge, dass die Hamas, wenn sie in Geldnot gerät (wie 2014 und erst kürzlich in diesem Jahr der Fall), die Messlatte ihrer Gewalt gegen Israel anhebt, in der Hoffnung damit Israel und die internationale Gemeinschaft davon zu überzeugen, finanzielle Unterstützung in den Gazastreifen zu schicken. Ein Teil des Geldes ginge dann direkt in die Schatzkammer der Organisation und der Rest würde verwendet, um sich auf den Strassen des Streifens politisches Schweigen zu erkaufen. Damit es nicht aussieht, als würde man der Erpressung der Terrororganisation nachgeben, wird der Geldtransfer euphemistisch „humanitäre Unterstützung“ genannt.

Es ist eine wohlbekannte und auf zahlreichen internationalen Studien basierende Tatsache, dass kein direkter Zusammenhang zwischen Lebensstandard (Armut) und terroristischen Aktivitäten besteht. So zum Beispiel fand die palästinensische Terrorwelle, die im Jahr 2000 begann, zu einem Zeitpunkt statt, als der Lebensstandard der Palästinenser im Westjordanland und dem Gazastreifen höher war als je zuvor. In ähnlicher Weise praktiziert die Hamas ihren Terrorismus gegen Israel nicht etwa aufgrund des niedrigen Lebensstandards der Bewohner des Gazastreifens, sondern wegen ihrer extremistischen Ideologie, welche für die Eliminierung des jüdischen Staats plädiert. Das Timing der terroristischen Aktivitäten wird ausserdem von den politischen und wirtschaftlichen Umständen, mit denen sich die Hamas konfrontiert sieht, beeinflusst.

Aus diesem Grund muss sich Israel von dem naiven Glauben verabschieden, dass die Verbesserung des Lebensstandards der Palästinenser im Gazastreifen den Terrorismus verringern wird. Tatsächlich ist vermutlich das genaue Gegenteil der Fall. Das Leiden der Bewohner des Gazastreifens mag sie möglicherweise mit der Zeit dazu veranlassen, gegen die Hamas zu rebellieren. Es macht keinen Sinn, die Hamas-Herrschaft akzeptabler zu machen.

Dennoch entbindet Israels mangelnde Bereitschaft, die Hamas-Herrschaft zu beenden, es nicht davon, diese radikale islamische Organisation zu bekämpfen, insbesondere, um die Fähigkeit des Feindes, Israel Schaden zuzufügen, zu minimieren. Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass es sehr schwierig ist, das Verhalten extremistischer islamischer Organisationen zu beeinflussen, da sie bereit sind, jeden noch so hohen Preis zu zahlen, um ihre einmal gesteckten Ziele zu erreichen. Aus diesem Grund ist alles, was Israel hoffen kann durch die Anwendung von Gewalt zu erreichen, zeitweilige Abschreckung.

Als Folge dieser Faktoren war Israel so klug, eine beharrliche militärische Strategie der Zermürbung oder des „Rasenmähens“ anzunehmen, die in erster Linie dazu gedacht ist, die Ressourcen des Feindes zu schädigen. Israel wendet erst dann Gewalt an, um feindliche Ressourcen zu zerstören, wenn es eine Reihe von Angriffen abgewehrt hat. Dabei zeigt es bei seinen Angriffen ein hohes Mass an Zurückhaltung, um internationale Legitimität zu erlangen. Die Hoffnung ist, dass die wenigen grossen Operationen, die von Zeit zu Zeit stattfinden, eine ausreichend starke vorübergehende Abschreckung schaffen, um grössere Erholungspausen von der Gewalt der Hamas zu ermöglichen.

Es ist durchaus möglich, dass die fortgesetzte Gewalt der Hamas schon bald eine grossräumige militärische Bodenoperation seitens Israel auslösen wird, um eine erneute zeitweilige Abschreckung zu erreichen. Hoffentlich wird das Ziel einer solchen Operation jedoch nicht die Eroberung des gesamten Gazastreifens sein.

Professor Efraim Inbar ist Vorsitzender des Jerusalem Institute for Strategic Studies und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Middle East Forum.