Junge Anwälte in Israel gegen den Terrorismus

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Im „Legal Forum for Israel“ sind 400 Anwälte, zumeist pro bono, damit befasst, „die Interessen des israelischen Volkes“ zu vertreten. Dabei suchen sie im israelischen Justizsystem wirkungsstarke Massnahmen gegen Terroristen und ihre Rädelsführer durchzusetzen. Die Aufgabe ist schwierig.

 

Im Interview mit Yvette Schwerdt erläutert der Rechtsanwalt Yotam Eyal, Vertreter des Legal Forums for Israel, warum das so ist.

 

Wofür steht das Legal Forum for Israel?

Ziel unserer Organisation ist es, die Unausgewogenheit im israelischen Justizsystem, im Interesse des israelischen Volkes und der israelischen Nation, zu nivellieren.

Das israelische Justizsystem ist nicht ausgewogen? Wie meinen Sie das?

Im Unterschied zu vielen anderen Ländern gab es in Israel nie eine kodifizierte Verfassung. Im Laufe der Jahre hat sich das Gericht also sehr viele Freiheiten herausgenommen und diverse Gesetze, die im Parlament verabschiedet worden sind, nach eigenem Gutdünken abgelehnt. Allein im letzten Jahr hat der oberste Gerichtshof sieben solche Gesetze verworfen. Weil das israelische Gericht zuweilen anderer Gesinnung ist als die Regierung entsteht ein Konflikt zwischen Legislative und Gerichtshof – ein Konflikt, dem man jetzt mit neuen Massnahmen, besonders auch mit der sogenannten Überschreibungsklausel, beikommen will.  [Anm. der Redaktion: Die Überschreibungsklausel würde es der Regierung ermöglichen, die vom Oberste Gerichtshof annullierten Gesetze, mit einer einfachen Mehrheit der Abgeordneten, wieder in Kraft zu setzen. Gesetzannullierungen würden die Stimmen von neun der fünfzehn obersten Richter erfordern. Befürworter der Klausel argumentieren, dass die Bevölkerung über ihre gewählten Vertreter – sprich, dass die Regierung und nicht das Gericht — entscheiden sollte, welche Gesetze verabschiedet werden und welche nicht.]

Wie wirkt sich dieser Konflikt auf Ihre Arbeit aus?

Wir konzentrieren uns auf diverse Problembereiche, allen voran den Terrorismus, die politische Hetze und die Flüchtlingsfrage und suchen legale Lösungen zu finden und durchzusetzen.

Wie machen Sie das beispielsweise im Bezug auf den Terrorismus?

In diesem Bereich arbeiten wir an Gesetzen zur Strafverschärfung. Wir plädieren beispielsweise für die Zerstörung der Häuser überführter Terroristen – eine nachweisbar-effektive Strafe, die das Gericht aber nur sehr ungern erteilt. [Anm. der Redaktion: Laut der Studie, “Counter-Suicide-Terrorism: Evidence from House Demolitions,” die von der Northwestern University gemeinsam mit der Hebrew University of Jerusalem durchgeführt und im Journal of Politics veröffentlicht wurde, haben die Hausdemolierungen tatsächlich zu “einem sofortigen und deutlichen Rückgang von Selbstmordattentaten geführt.”] Zudem haben wir auch eine Watchdog-Funktion und schreiten ein, wenn wir Unstimmigkeiten erkennen.

Können Sie uns ein Beispiel nennen?

Vor einiger Zeit wurde in Gush Etzion ein Israeli namens Avraham Chasan von einem Terroristen überfahren und getötet. Der Täter wurde gefasst. Ursprünglich sollte er lediglich des Totschlags angeklagt werden. Wir konnten aber erwirken, dass er sich schliesslich für vorsätzlichen Mord verantworten musste.

Ihre Organisation hat kürzlich gefordert, Muhammad Ahmad Hussein, den Mufti von Jerusalem vor Gericht zu stellen. Welchen Zweck verfolgen Sie damit?

Der gegenwärtige Mufti, Muhammad Ahmad Hussein — ein würdiger Nachfolger von Mohammad Amin al-Husayni, der mit den Nazis kollaborierte — ist offiziell Einwohner Israels. Er hat also, bis auf das Wahlrecht, die gleichen Rechte und Pflichten wie ein israelischer Staatsbürger. Er bekommt Sozialversicherung, zahlt Steuern und kann sich im ganzen Land völlig frei bewegen. Wir, vom Legal Forum, haben nun herausgefunden, dass er kürzlich Ehrengast bei einem Kongress im Libanon war. Dort wurde ihm, auch aufgrund seines Widerstands gegen Israel, ein Preis verliehen. Bei dieser Gelegenheit hat Muhammad Ahmad Hussein gleich mehrere Gesetze gebrochen. Er fuhr, unerlaubt, in ein feindliches Land und traf sich dort mit Vertretern von Hisbollah und Hamas. Dafür haben wir etliche Beweise und Fotos. Klar ist: Wer unerlaubt in ein Feindesland fährt und mit Vertretern von Terrororganisationen konferiert, macht sich des Landesverrats schuldig.

Ganz überraschend sind die Handlungen dieses Mufti wohl nicht?

Richtig. Der Mufti hetzt schon seit Jahren gegen Israel. Denken sie zum Beispiel an den Terroranschlag im Juli 2017 auf dem Tempelberg, bei dem zwei Soldaten getötet wurden. Damals führte er den Protest gegen die Metalldetektoren an und rief seine Gläubigen zu einem Boykott der heiligen Stätte auf, wohlweislich in Kauf nehmend, dass sich die wütende Menge in der Strasse vor dem Tempelberg versammeln und blutige Ausschreitungen auslösen würde. Zudem gibt er immer wieder antisemitische Kommentare von sich. So forderte er Muslime letztes Jahr in besonders virulenter Weise auf, Juden zu töten.

Er musste sich dafür aber nie vor Gericht verantworten?

Israel scheut davor zurück, gerichtlich gegen Geistliche vorzugehen. Wir, vom Legal Forum, zollen Geistlichen natürlich auch Respekt. Allerdings gibt es eine Grenze, und diese Grenze ist überschritten, wenn Kriminalität ins Spiel kommt. Genau wie man Geistliche belangt, die sich an Kindern vergreifen, so müssen auch jene zur Rechenschaft gezogen werden, die zu Gewalt und Terrorismus aufrufen. Wenn Israel den Mufti also nicht belangt, so fügt sich das Land selbst grossen Schaden zu. Denn der Mufti erzieht seine jungen Anhänger zu Hass und Gewalt. Wie das konkret aussieht, konnte man am Terroranschlag auf dem Tempelberg sehen.

Wie sollte der Mufti, Ihrer Meinung nach, zur Rechenschaft gezogen werden?

Mit einer adäquaten Gefängnisstrafe. Zudem könnte seine Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden. Hier handelt es sich schliesslich um ein Privileg, das Einwohnern zusteht, die sich nicht des Landesverrates schuldig gemacht haben.

Könnten sich solche Strafen nicht auch kontraproduktiv auswirken?

Natürlich. Sie könnte ihn unter Umständen zum Märtyrer machen. Allerdings kann sich unser Staat nicht erlauben, politische Hetze und Anstiftung zum Terrorismus zu tolerieren. Denn lässt Israel das zu, dann werden sich diese Aktivitäten verstärken. Also auch wenn ein Einzelner durch die Strafe Märtyrer-Ansehen erlangt, so wird der künftige Schaden doch begrenzt. Nehmen Sie beispielsweise Scheich Achmed Yassin, ein Geistlicher, der aufgrund seiner terroristischen Aktivitäten lange inhaftiert war. Damit sandte Israel ein klares Signal.  Wer zu Gewalt anstiftet, wer bei uns Zivilisten tötet, der wird geahndet, gleichgültig welchen Status er innehat.

Wie steht das Legal Forum zu palästinensischen Künstlern, die zu Gewalt gegen Israel aufrufen, wie etwa die Dichterin Dareen Tatour?

Im Fall der Dichterin sehen wir das differenzierter. Sehen Sie, von Hetze kann nur gesprochen werden, wenn zu Gewalt gegen Menschen aufgerufen wird, und wenn grosse Wahrscheinlichkeit besteht, dass dieser Aufruf Gehör findet. Wenn also irgendein Verrückter öffentlich aufwiegelt, ist das keine Hetze. Bei jemandem, wie dem Mufti, der grossen Einfluss auf die Gläubigen ausübt, hingegen schon. Bei der Dichterin handelt es sich um einen Grenzfall. Ihr Werk ruft zum Widerstand gegen Israel auf und schwärmt von den palästinensischen Märtyrern. Das ist an und für sich nicht strafbar. Problematisch ist, dass sie ihr Gedicht online vorgetragen und mit Bildern blutiger Attacken gegen Israel untermalt hat. Ob sie damit aber Menschen motiviert, anzugreifen und zu töten, bleibt, auch ob ihres geringen Einflusskreises, fraglich.

In welchen anderen Fällen wird das Legal Forum for Israel tätig?

Wir konzentrieren uns auf politische Hetze in Ostjerusalem. Hier gibt es grosse Probleme in den Schulen.  Manche unterstehen der palästinensischen Autonomiebehörde, andere der UNWRA, und wieder andere dem israelischen Unterrichtsministerium. Die Lernmaterialien der palästinensischen Autonomiebehörde und der UNWRA strotzen vor Hass- und Hetzparolen gegen Israel. Wir, vom Legal Forum for Israel, sind der Meinung, dass Israel nicht genug unternimmt, um diesen unhaltbaren Zustand zu ändern. Ein Beispiel: Kürzlich fand in einer Schule in Ost-Jerusalem eine Ausstellung statt, die „Shahids“ (Märtyrer) verherrlichte und israelische Soldaten als Mörder darstellte. Als die Angelegenheit publik wurde, entliess man den stellvertretenden Schuldirektor, der federführend an dieser Aktion beteiligt war. Wenig später aber fand er eine neue Anstellung – und zwar diesmal nicht nur als Direktor, sondern sogar als Inspektor! In solchen Fällen schreiten wir ein und unternehmen legale Schritte.  Wir sind überzeugt, dass die Vermittlung von Hass und Aggression, Kinder systematisch zu Terroristen erzieht. Dagegen wollen wir vorgehen.

Gehen Sie in Sachen politische Hetze auch gegen radikalisierte Juden vor?

Glücklicherweise gibt es nur sehr wenige Fälle, in denen jüdische Israelis zur Gewalt gegen Araber aufrufen. In den letzten zwei Jahren gab es sieben oder acht Vorfälle, wobei es sich bei der Mehrzahl um Graffitis handelte. Zugegeben, es fanden auch schwerwiegende Verbrechen statt. Ich denke da besonders an den jungen Mohammed Abu Khdeir, der von jüdischen Extremisten grausam umgebracht wurde. Seine Mörder muss man mit aller Härte bestrafen. Ich persönlich – und ich kann hier nur für mich und nicht für das Legal Forum sprechen- finde in diesem Fall die Todesstrafe angebracht. Aber solche Vorkommnisse sind, wie gesagt, äusserst selten. Trotzdem investiert Israel Unsummen, um diese Anschläge zu vereiteln und um jegliche Ausschreitung mit Schärfe zu ahnden. Die israelische Justiz geht häufig sogar strenger gegen jüdische als gegen arabische Täter vor. So wurde beispielsweise eine eigene Polizeiabteilung eingerichtet, die sich ausschliesslich um diese Fälle kümmert. Wichtig ist es auch anzuführen, dass nirgendwo in Israel, natürlich auch nicht in den Siedlungen, politische Hetze betrieben werden darf. In Israel ist man schockiert, wenn Juden Gewalt anwenden. Unsere arabischen Nachbarn hingegen feiern jeden blutigen Angriff, tanzen auf den Strassen und verteilen Bonbons. Das ist der Unterschied.

Was unternehmen Sie gegen den landwirtschaftlichen Terrorismus, dem Israel jetzt zunehmend ausgeliefert ist?

Vor einigen Jahren kam es im Norden immer wieder zu Brandanschlägen auf israelische Felder. Jetzt hat sich der Trend nicht nur auf den Süden ausgeweitet, sondern auch verstärkt. Beinahe täglich versuchen arabische Terroristen israelische Felder, landwirtschaftliche Gebäude und Geräte zu verbrennen. So fliegen sie mit Brennmaterial bestückte Drachen vom Gazastreifen aus über israelische Felder, stecken diese in Brand und verursachen damit Schäden in Millionenhöhe. Mittlerweile haben die Feuerdrachen israelischen Felder entlang der gesamten Grenze in Brand gesetzt und mehr als 300 Hektar Land verwüstet. Es ist schwierig herauszufinden, wer hinter den einzelnen Angriffen steht, weil sie zumeist nachts passieren, in Windeseile gestartet werden können, und dem Terroristen damit Zeit lassen, zu fliehen. Wir, vom Legal Forum, beklagen zudem ein weiteres Problem: Selbst wenn man nämlich den Täter fassen und ihm das Vergehen nachweisen kann, so bekommt er in der Regel lediglich eine minimale Strafe. Das wollten wir schon seit Jahren ändern. Deshalb haben wir, als diese Form des Terrorismus anfing, dafür gesorgt, dass ein eigener Staatsanwalt für den Bereich einbestellt wurde. Er wies beim Gericht nach, dass diese Anschläge eine schärfere Bestrafung rechtfertigen. So gelangt es, die Anzahl der Vorfälle drastisch zu reduzieren. Allerdings schloss der Staatsanwalt seine Tätigkeit nach zwei Jahren ab, und nun mehren sich die Attacken aufs Neue. Wir haben also an die Justizministerin appelliert, einen solchen Staatsanwalt erneut zu bestellen und das Strafmass anzuheben.

Welche Strafen empfinden Sie denn als angebracht?

Wir plädieren stets dafür, dass die Strafe dem Verbrechen angepasst ist. Wenn man jemanden einen empfindlichen, wirtschaftlichen Schaden zufügt, dann muss man sich auf eine ähnlich-empfindliche Strafe einstellen. Das kann ein längerer Freiheitsentzug sein und/oder eine signifikante Geldbusse. Kurz, wir plädieren dafür, dass das Gericht mit der höchstmöglichen Härte, die in diesem Fall angebracht ist, durchgreift. Solche Strafen sind wirkungsvolle Abschreckungsmethoden.

Apropos harte Strafen für Terroristen: Wie stehen Sie eigentlich zu der Todesstrafe, die letztlich wieder heftig diskutiert wird?

Wir befürworten die Todesstrafe für Terroristen. Sehen Sie: Terroristen nehmen in Kauf, dass sie beim Anschlag sterben. Aber wenn sie ihn überleben, dann wollen sie nicht mehr sterben. Dann gehen sie für eine Weile ins Gefängnis, erhalten ein grosszügiges Gehalt von der palästinensischen Autonomiebehörde und finden, nach ihrer Freilassung, dort auch eine gehobene Anstellung. Kurz, ihr Leben verbessert sich. Nun müssen Sie wissen, dass das israelische Militärgericht die Todesstrafe verhängen darf. Es gibt sie. Allerdings erlaubt das Land bislang nicht, dass sie im Fall von Terroristen angewandt wird. Wir haben also die Staatsanwaltschaft aufgefordert, in angebrachten Fällen die Todesstrafe zu verlangen.

Glauben Sie wirklich dass die Todesstrafe radikale Terroristen abschrecken wird?

Sehen Sie, die Terroristen wissen, dass sie nach einiger Zeit im Gefangenenaustausch freikommen werden. Die Täter, die vor einigen Jahren die drei Jugendlichen, Gilad, Naftali und Ejal entführt und ermordet haben, sind kurz zuvor in einem solchen Deal freigelassen worden. Es ist bekannt, dass die Mehrheit der freigelassenen Terroristen Wiederholungstäter werden. Wir denken, dass ein Terrorist wie jener, der in das Haus der Familie Fogel eingedrungen ist, und eine ganze Familie, sprich einen Vater, eine Mutter und drei Kleinkinder kaltblütig abgeschlachtet hat — wir denken, dass ein solcher Terrorist es nicht verdient, weiterzuleben. Gleichzeitig möchte ich betonen, dass diese äusserste Strafe natürlich nur in extremen Fällen angewendet und einstimmig von allen drei anwesenden Richtern befürwortet werden soll.

Wie würde sich, Ihrer Meinung nach, die Verhängung der Todesstrafe auf das Image Israels in der Welt auswirken?

Bei Ländern, die Israel-feindliche Organisationen unterstützen, gäbe es Imageschaden. Länder, etwa die Gelder an die UNRWA schicken, obwohl sie wissen, dass die Organisation Terroristen in Gaza versteckte und sogar einen Terroristen in den eigenen Reihen hatte, der die eingegangenen Geldmittel aus Europa direkt an die Hamas weiterleitete! 

Kann sich Israel einen PR-Schaden erlauben?

Sicher ist ein gutes, internationales Ansehen wichtig. Aber es gibt Dinge bei denen die PR-Wirkung eine Nebenrolle spielen muss. Das Problem ist, dass viele Menschen in Europa nicht verstehen welcher Gewalt und welchem Terror die zivile Bevölkerung in Israel ausgesetzt ist. Wenn es darum geht, das eigene Leben oder das Leben der eigenen Kinder zu verteidigen, dann muss die Meinung der Welt eine Nebenrolle spielen.

Das Legal Forum for Israel arbeitet eng mit anderen Organisationen zusammen.

Ja, wir sind eine Art Hub, die diverse Institutionen synergetisch vereint. Unsere Schwesterorganisation ist das International Legal Forum, das gegen BDS, Antisemitismus und andere weltweit-auftretende Probleme tätig ist. Ausserdem sitzt hier auch Green Now, eine Umweltschutz-Organisation.

Vielen Dank, RA Yotam Eyal, für dieses Gespräch.

Über Yvette Schwerdt

Yvette Schwerdt ist internationale Marketingexpertin und Wirtschaftsjournalistin. Sie schreibt und referiert regelmäßig über neue Trends und Entwicklung in ihrem Fachbereich. Besonders am Herzen liegen ihr auch die Themen Israel, jüdische Geschichte und jüdische Kultur. Yvette ist, aufgrund ihrer mehrsprachigen, multikulturellen Ausbildung und ihrer internationalen Laufbahn, in Israel, Amerika und im deutschsprachigen Raum gleichermaßen zu Hause.

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