Initiative in Efrat ermöglicht Begegnung zwischen Siedler und Pro-Palästinensern

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Foto Christa Case Bryant/The Christian Science Monitor
Foto Christa Case Bryant/The Christian Science Monitor
Lesezeit: 7 Minuten

Selbst die eifrigen Unterstützer Israels wissen nur wenig – wenn überhaupt – von den Hunderten pro-palästinensischen Aktivistengruppen, die das ganze Jahr über am Flughafen Ben-Gurion ankommen oder von Jordanien aus über die Allenby-Brücke ins Land einreisen. Ich habe Einblick in diese Aktivitäten, weil ich mich mit einigen dieser Gruppen treffe – auch wenn diejenigen, mit denen ich zusammenkomme, nur die Spitze des Eisbergs darstellen.

 

von Ardie Geldman

Als Gründer von „iTalkIsrael“, einer Fürsprache- und Think-Tank-Initiative für Israel,spreche ich jedes Jahr mit rund 500 ausländischen Besuchern in Israel und den Palästinensischen Autonomiegebieten. Ort dieser Begegnungen, die durchschnittlich zwei- bis dreimal in der Woche stattfinden, ist meine knapp 12.000 Einwohner zählende Heimatstadt Efrat. Efrat liegt in den Bergen Judäas, rund eine Viertelstunde südlich von Jerusalem.  Es erstreckt sich entlang des israelischen Highway 60, auf Seite der israelisch-jordanischen Waffenstillstandslinie von 1949, die nicht an Israel übertragen wurde. Die überwiegende Mehrheit dieser Besucher führt an, Efrat liege im „besetzten Palästina“. Andere beschränken sich darauf, diese Region als „Westjordanland“ zu bezeichnen – eine Bezugnahme auf das Westufer des Flusses Jordan. Westjordanland ist der Name, den man diesem Gebiet nach seiner illegalen Annexion durch das Königreich Jordanien im Jahr 1949 verlieh. Wenn sich die Besuchergruppen darauf beziehen, erkennen sie dieses Land jedoch nicht als einen Teil Israels an. Sie verleugnen die israelische Verwaltung dieser Region, die durch den Sieg Israels gegen die jordanische Aggression im Sechstagekrieg im Juni 1967 zustande kam.

Diese Delegationen kommen hauptsächlich aus den USA. Für gewöhnlich gehören ihre Mitglieder dem christlichen Glauben an, wenngleich sie eindeutig keine christlichen Zionisten sind. Die kleinere Anzahl von Europäern, mit denen ich mich treffe, kommt im Namen von Organisationen für soziale Gerechtigkeit oder Menschenrechtsorganisationen und ist meist konfessionslos.

Besuch einer „illegalen Siedlung“

Warum kommen diese Menschen nach Efrat? Sie kommen, weil sie neugierig darauf sind, eine „illegale Siedlung“ zu besuchen und die Gelegenheit zu haben, einen „illegalen Siedler“ kennenzulernen. Einige kommen, um aus erster Hand Informationen zu Siedlungen zu erhalten, die sie dann, wenn sie wieder zuhause sind, für ihren pro-palästinensischen Aktivismus nutzen können. Andere kommen, um den Siedler, mit dem sie sich treffen, zu konfrontieren und dieses bedauernswerte Individuum zu einem unfreiwilligen Sprecher für die knapp Fünfhunderttausend Juden zu machen, die jenseits der Grünen Linie von 1949 leben. Sie wollen von ihm wissen, was er über das durch die „Besatzung“ verursachte Leiden der Palästinenser denkt. Und letztlich kommen sie auch einfach deshalb, weil es möglich ist. Obwohl das israelische Amt für auswärtige Angelegenheiten seit Oktober 2017 ein Einreiseverbot über rund 20 ausländische NROs, deren Aktivitäten als gefährlich für die Sicherheit des Landes eingestuft wurden, verhängt hat, gewährt die Regierung eines Landes, das sie für einen Faschistenstaat halten, Hunderten anderen, die in die Region kommen, um ihre Solidarität mit den Palästinensern auszudrücken und sogar offene Feindseligkeit gegenüber Israel zu zeigen, Bewegungs- und Meinungsfreiheit.

Der Kontext, den die palästinensischen Gastgeber ihren Besuchern vorenthalten

Palästinensische Sprecher liefern den Besuchern generell keine Hintergrundinformationen zu den umstrittenen Orten, an die sie diese Menschen bringen, insbesondere nicht zu der berühmt-berüchtigten „Mauer“ bei Bethlehem oder der geteilten „Shuhada-Strasse“ in Hebron. Erstere ist die extrem erfolgreiche, wenngleich nicht unumstrittene Sicherheitsbarriere Israels, die, in Kombination mit einer verbesserten geheimdienstlichen Tätigkeit, verantwortlich dafür ist, dass die Anzahl palästinensischer Selbstmordattentäter, die nach Israel gelangen, praktisch auf Null gesunken ist. In Letzterer war die Zahl der Todesopfer im Zeitraum von 2000–2004 auf rund 1.600 angestiegen. Und bevor sie zwischen Israelis und Palästinensern geteilt wurde, war die Shuhada-Strasse Schauplatz zahlloser Terroranschläge.

Keiner der palästinensischen Sprecher erwähnt gegenüber den Besuchern, dass die treibende Kraft hinter all den Sicherheitsmassnahmen Israels die Notwendigkeit ist, seine Bürger vor Terrorismus zu schützen. Hinzu kommt, dass sie selbst die schwersten Terrorakte gegen Israelis als „Widerstand“ bezeichnen.

Die Akzeptanz eines fehlerhaften Narrativs

Die Akzeptanz des palästinensischen Narrativs innerhalb vieler angesehener Kreise basiert auf der Naivität der Menschen und ihrer Unvertrautheit mit der Geschichte des Nahen Ostens, insbesondere mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt. Diese Kombination von Arglosigkeit und Ignoranz ermöglicht den palästinensischen Sprechern, Israel als den übermächtigen und bösartigen Goliath darzustellen und die Palästinenser als den schwachen und unschuldigen kleinen David. Diese falsche Charakterisierung hilft den Palästinensern und ihren Unterstützern, Lügen und Halbwahrheiten zu verbreiten, wovon letztere häufig leichter geglaubt werden, da sie ein gewisses Mass an Wahrheit enthalten. Diese Strategie hat sich als besonders erfolgreich erwiesen, seit sie dem Erzterroristen und PLO-Führer Yassir Arafat und seinen Gefolgsleuten Anfang der 1970er Jahre, am Höhepunkt des Kalten Krieges, von den Propagandachefs Russlands, Rumäniens und Nordvietnams erstmals vermittelt wurde. Den palästinensischen Sprechern wurde beigebracht, dass der Grossteil ihrer Zuhörerschaft nie nach Beweisen fragen wird, denn die Unterdrückten lügen nicht. Die sorgfältig ausgesuchten Schauplätze palästinensischen Lebens, die man Besuchern präsentiert, verleihen dem, was man ihnen bereits erzählt hat, weitere Glaubwürdigkeit.

Die Unwirksamkeit von Vorträgen …

Nachdem ich über viele Jahre hinweg mit Menschen gesprochen habe, die, wenn sie nach Efrat kommen, das palästinensische Narrativ bereits angenommen haben, bin ich zu der Erkenntnis gelangt, dass meine relativ kurzen Vorträge vor solchen Gruppen, so aufrichtig und leidenschaftlich sie auch sein mögen, kaum eine Meinungsänderung bei den Zuhörern bewirkt haben. Tage und Nächte in palästinensischen Häusern verbringen, die Mahlzeiten mit den Familien teilen, palästinensische Flüchtlingslager, Schulen und Krankenhäuser besuchen und den Bauern bei der Oliven- oder Traubenernte helfen – all das sind von den Palästinensern benutzte Methoden, um die Herzen der Menschen zu gewinnen. Von da an wird praktisch alles, was ein palästinensischer Sprecher Besuchern über den israelisch-palästinensischen Konflikt erzählt, als Wahrheit akzeptiert. Es sind keine weiteren Beweise erforderlich. Die Unterdrückten lügen nicht.

… und die Wirkung des Lebens in der Gemeinschaft

Ausgehend von dieser Erkenntnis entwickelte iTalkIsrael vor einigen Jahren ein über ein verlängertes Wochenende reichendes pädagogisches Programm. Bislang wurde dieses Programm erfolgreich in das Nahost-Auslandssemester-Programm von vier christlich-amerikanischen Hochschulen in Amman, Kairo und Istanbul aufgenommen. Drei bis vier Tage in Efrat sind allerdings nichts im Vergleich zu den bis zu dreiwöchigen Aufenthalten, die einige dieser Programme auf das Zusammenleben mit Palästinensern verwenden. Dennoch stellt dieses Programm ein aussagekräftiges Gegengewicht dar. Beweis dafür sind die überwältigend positiven Antworten aus mehr als 500 bislang von den Teilnehmern des Programms zurückgegebenen Fragebögen.

Gemeinsamer Schabbat in Efrat mit jüdischen Familien 

Der erste Teil des Programms besteht aus einer Besichtigung der Umgebung und Vorträgen von Einwohnern von Efrat und Gusch Etzion. Die fachkundigen Vorträge behandeln eine Vielzahl von Themen wie etwa die jüdische Religion, jüdische und israelische Geschichte, die Israelischen Streitkräfte, Archäologie und sogar die jüdische Küche. Es ist jedoch der zweite Teil des Programms, die Aufenthalte an Schabbat bei Familien aus Efrat, die regelmässig das höchste Lob dieser christlichen Studenten hervorrufen. Die Familien aus Efrat tun nichts weiter, als ihre Häuser für diese Studenten zu öffnen, die diese Gastfreundschaft in einer offenen und unverfälschten Umgebung geniessen. Am Beeindruckendsten für diese Studenten ist die Erfahrung, einen traditionellen Schabbat mitzuerleben – vierundzwanzig Stunden, die ausschliesslich dem Gebet und dem religiösen Studium sowie der Familie und der Gemeinschaft gewidmet sind und, wie viele der christlichen Studenten betonen, das prächtige Festmahl zu Ehren des heiligen Tages. Krönender Abschluss des Ganzen ist für die Gruppe ein offener Dialog am Samstagabend mit englischsprachigen israelischen Einheimischen im selben Alter – inklusive All-you-can-eat-Pizza. Die Erfahrung in den privaten Haushalten konfrontiert die besuchenden Studenten mit dem Menschsein ihrer Gastgeber und der Gemeinschaft von Efrat, das sie miteinander verbindet und unterhöhlt die verleumderischen Geschichten über „Siedler“, die sie für gewöhnlich zu hören bekommen.

Anerkennung für das Erreichen von Gefühlen jenseits der Vernunft

Vor langer Zeit wurde den Palästinensern beigebracht, dass sie die Unterstützung der Menschen nur gewinnen können, wenn sie deren Herzen gewinnen; ihre Köpfe würden mühelos folgen.  Mit dieser Methode stärken und gewinnen die Palästinenser nach wie vor Unterstützer, die Israel und die Palästinensischen Autonomiegebiete besuchen. Während die Israelis dazu neigen – vermutlich aufgrund ihrer kulturellen DNA –, kontroverse Themen eher kognitiv anzugehen und sich an Fakten zu halten, gewinnt das palästinensische Narrativ zunehmend Boden, indem es an die menschlichen Emotionen appelliert. Je frühzeitiger sich auch Israel diese Herangehensweise zu eigen macht, desto schneller wird es bei den Menschen und Nationen ein grösseres Verständnis für seine Position gewinnen.

Ardie Geldman ist Gründer von iTalkIsrael und lebt in Efrat.