Evangelische Kirche im Rheinland: Staatsgründung Israels „ein Datum im christlichen Märtyrerkalender“

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Die Kirche aller Nationen (lat. Basilica Agoniae Domini; auch Kirche der Nationen oder Todesangstbasilika) ist ein römisch-katholischer Sakralbau im Garten Getsemani am Fusse des Ölbergs in Jerusalem und gehört zum Lateinischen Patriarchat von Jerusalem. Foto Dan Lundberg - 20110224_Israel_0284 Jerusalem, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=35424159
Die Kirche aller Nationen (lat. Basilica Agoniae Domini; auch Kirche der Nationen oder Todesangstbasilika) ist ein römisch-katholischer Sakralbau im Garten Getsemani am Fusse des Ölbergs in Jerusalem und gehört zum Lateinischen Patriarchat von Jerusalem. Foto Dan Lundberg - 20110224_Israel_0284 Jerusalem, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=35424159
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„Zum ersten Mal in der Geschichte der Evangelischen Kirche im Rheinland reisen Mitglieder der Kirchenleitung gemeinsam mit Vertretern jüdischer Gemeinden nach Israel. Anlass ist das 70-jährige Bestehen des Staates Israels sowie eine Bekräftigung der gemeinsamen Verantwortung im Kampf gegen Antisemitismus in unserer Gesellschaft.”

 

Dieses historische Ereignis soll vom 26. bis 29. April stattfinden, so Jens Peter Iven, Pressesprecher der Evangelischen Kirche im Rheinland. Dabei reist man nach Nes Ammim, eine christliche Siedlung zwischen Haifa und der libanesischen Grenze mit etwa 330 Einwohnern.

Auf der Homepage der Evangelischen Kirche im Rheinland findet sich eine „Gottesdienst-Arbeitshilfe“, die ebenso dem 70-jährigen Bestehen des jüdischen Staates gewidmet ist. Der Verfasser, Dr. Rainer Stuhlmann, war von 2011 bis 2016 Studienleiter in Nes Ammim. Unter dem Titel „70 Jahre Staat Israel – ein Datum im christlichen Kalender?“ schreibt Stuhlmann im vierten Paragraphen: Was für Juden ein Grund zum Feiern ist, das ist für andere ein Grund zur Trauer. Den einen hat die Staatsgründung Schutz, Sicherheit, Gerechtigkeit und Freiheit gebracht, den anderen Vertreibung, Zerstörung, Zwang und Unrecht.“

Die rund 2,5 Millionen Araber im Staat Israel mit eigenen Parteien in der Knesset, Generalen in der Armee und Vertretung in Regierung wie Gesellschaft wurden von Stuhlmann nicht gefragt. Er unterschlägt auch, dass unmittelbar nach der Gründung Israels aus der gesamten arabischen Welt fast alle dort seit 3000 Jahren lebenden Juden zwangsenteignet und vertrieben worden sind. Libyen und Syrien sind heute „judenfrei“. In Ägypten leben noch 10 alte jüdische Frauen. Es sind mehr Juden nach Israel geflohen, als „Araber aus Palästina“ vom Staatsgebiet Israels weggezogen sind.

Weiter schreibt Stuhlmann, „Die von den Vereinten Nationen beschlossene Teilung Palästinas in einen jüdischen und einen arabischen Staat hat zu einem grausamen Krieg geführt, in dem es auf allen Seiten Opfer gegeben hat.“ Nicht die Empfehlung der UNO Generalversammlung von 1947 hat zu einem Krieg „geführt“. Der Krieg wurde von den arabischen Staaten Ägypten, Syrien, Libanon, Jordanien und anderen beschlossen, weil sie keinen jüdischen Staat in ihrer Mitte dulden wollten. Deshalb fielen sie in der Nacht nach der Ausrufung Israels 1948 über den frisch gegründeten jüdischen Staat her, um ihn zu vernichten. Im Gegensatz zu Deutschland hat in Nahost noch nie jemand eingestanden, einen Krieg verloren zu haben. Die unterlegenen Angreifer weigerten sich deshalb, Verantwortung für die Folgen ihres Tuns zu übernehmen, darunter das Schicksal der von den arabischen Führern zur „zeitweiligen Flucht“ aufgerufenen Araber aus Palästina.

Am Ende des Krieges hatten die Juden ihren Staat, der weit grösser war, als es der Teilungsplan vorsah. Und die Palästinenser nichts.“

Bei Krieg weiss man vorher nie, was am Ende rauskommt. Bemerkenswert ist die Behauptung: „Und die Palästinenser nichts.“ Die haben in der Tat grosses Pech gehabt, zumal es 1948 noch keine „Palästinenser“ im heutigen Sinn gab. Die Araber des britischen Mandatsgebiets Palästina haben sich erst 1968 mit der 2. von Jassir Arafat verfassten PLO-Charta als Palästinenser konstituiert und gefordert, anstelle Israels einen Staat zu errichten.

Stuhlmann erwähnt, dass es „in diesen siebzig Jahren mindestens acht Kriege und zwei blutige Aufstände gegeben hat. Immer war Israel trotz schmerzlicher Verluste siegreich und die Palästinenser die Verlierer.“

Laut UNO ist Krieg eine militärische Auseinandersetzung zwischen Staaten. Davon gab es nur vier: 1948, 1956, 1967 und 1973. Alles andere waren „Militäroperationen“ gegen Freischärler, Terrormilizen und „bewaffnete Arme von politischen Parteien“. Die Israelis haben sich gegen Raketenbeschuss und Selbstmordattentate in Bussen, Schulen und Restaurants gewehrt. Hätten die Juden sich etwa massakrieren lassen sollen, um den Palästinensern einen Sieg zu gönnen? Verschärfte Sicherheitskontrollen auf Flughäfen, Verriegelung der Pilotenkanzeln und Poller um Weihnachtsmärkte: Nach jedem Terroranschlag in Europa und den USA werden Sicherheitskontrollen mit israelischer Hilfe nachjustiert. Israels Geheimdienste haben allein 2017 mehrere Dutzend tödliche Anschläge in aller Welt verhindert.

„Die Staatsgründung Israels ist auch ein Datum im christlichen Märtyrerkalender. Im Ruinenfeld von Iqrit und Bir‘am in Galiläa sind nur die Kirchen stehen geblieben. Die Bewohner dieser beiden christlichen Dörfer wurden vertrieben. Nur als Leichen dürfen sie und ihre Nachfahren zurückkehren, um auf dem Friedhof am Rande der Ruinen ihrer Häuser begraben zu werden.“ Stuhlmann übernimmt hier den ansonsten in der evangelischen Kirche unüblichen palästinensischen Märtyrerkult. Juden können nicht einmal als Leichen in die arabischen Länder zurückkehren, um sich dort neben ihren zerstörten Synagogen begraben zu lassen.

Stuhlmann beklagt weiter die späten Friedensverhandlungen, erst mit Ägypten und Jordanien und dann mit der PLO. Er erwähnt nicht das dreimalige „Nein“ der arabischen Welt 1967 in Khartum, das jegliche Kontakte mit Israel ausschloss. Und dann schreibt er: „Und doch steht die Anerkennung eines palästinensischen Staates immer noch aus – auch durch unsere Regierung.“ Ihm scheint unbekannt zu sein, dass die Palästinenser bis heute ihren Staat nicht ausgerufen haben. Denn dann würden sie Milliardensummen verlieren, die ihnen als „Aufbauhilfe für den künftigen Staat“ geschenkt werden. Sowie sie einen Staat ausgerufen hätten, stünde ihnen bestenfalls eine kümmerliche „Entwicklungshilfe“ zu. Wie kann Stuhlmann von Deutschland die Anerkennung eines Staates fordern, der nicht einmal existiert?

Propaganda zur Delegitimierung Israels.

Den Höhepunkt der Geschichtsklitterung erreicht das Arbeitspapier der Rheinischen evangelischen Kirche mit dem Satz: „Die palästinensischen Christen leben seit zweitausend Jahren im Land.“ Dann gab es also „palästinensische Christen“ vor der Kreuzigung und Auferstehung Jesu. Vielleicht war ja auch Jesus ein „palästinensischer Christ“ und Araber, über 100 Jahre, ehe Kaiser Hadrian die römische Provinz „Judäa“ in „Syria-Palästina“ umbenannt hat, um jegliche Erinnerung an die Juden zu tilgen?

Kirchenrat Dr. Volker Haarmann zeichnet verantwortlich für diese „Gottesdienst-Arbeitshilfe“. Präses Manfred Rekowski hat das Grusswort verfasst. Beide nehmen an der Reise teil. Auf Nachfrage erklärte Pressesprecher Iven, dass es zwischen jenem Arbeitspapier und der „historischen Reise“ keinen Zusammenhang gebe.

Die Argumente Stuhlmanns stammen aus dem klassischen Repertoire palästinensischer Propaganda zur Delegitimierung Israels und der Juden. Es fragt sich, welchen Sinn Vertreter jüdischer Gemeinden in Deutschland in dieser „ökumenischen Reise“ sehen. Eine Stellungnahme der jüdischen Teilnehmer steht noch aus.

Über Ulrich W. Sahm

Ulrich W. Sahm, Sohn eines deutschen Diplomaten, belegte nach erfolgtem Hochschulabschluss in ev. Theologie, Judaistik und Linguistik in Deutschland noch ein Studium der Hebräischen Literatur an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Seit 1975 ist Ulrich Sahm Nahost-Korrespondent für verschiedene deutschsprachige Medien und berichtet direkt aus Jerusalem.

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