Antisemitismus als Einfallstor für den Terrorismus

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Unterstützungs-Kundgebung für den libanesischen Terroristen Georges Abdallah in Paris im Juni 2017. Foto Screenshot Youtube
Unterstützungs-Kundgebung für den libanesischen Terroristen Georges Abdallah in Paris im Juni 2017. Foto Screenshot Youtube
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Antisemitismus ist eine der tödlichsten Hass-Krankheiten, mit denen es die Menschheit je zu tun hatte. Er führte zum Holocaust, einer grauenvollen und geplanten Tragödie der Menschheitsgeschichte, die die Ermordung von Millionen unschuldigen Menschen zur Folge hatte und Tausende Städte und Dörfer von der Landkarte tilgte.

 

von Ramy Aziz, ISGAP

Und doch, trotz jahrhundertelangem Antisemitismus, lebt diese völkermörderische Ideologie auch heute noch fort. Tatsächlich nimmt sie in alarmierender Weise zu, sowohl im Osten als auch im Westen. Und tatsächlich hat sich der Antisemitismus zu einem der am weitesten verbreiteten Instrumente politischer islamistischer Terrororganisationen entwickelt, um Sympathien und Unterstützung zu gewinnen, Extremismus zu verbreiten und neue Mitglieder zu rekrutieren. Dieser Prozess geht, je nach Zielpublikum, mithilfe unterschiedlicher Methoden vonstatten. Wie nachfolgend aufgezeigt, vermarkten Terrorvereinigungen extremistische Ideologien im Osten und im Westen auf unterschiedliche Weise.

Im Westeninsbesondere in Europa, agieren terroristische und extremistische Gruppierungen wie die Muslimbruderschaft, die Hisbollah und die Hamas – vom Europäischen Gerichtshof als Terrororganisation eingestuft [1.Lizzie Dearden, „Hamas declared a terrorist organization by the European Court of Justice“, The Independent, 26. Juli 2017; Ian Black, „EU resists Hezbollah ban but lists armed wing as terrorist group“, The Guardian, 22. Juli 2013.] – unter dem Deckmantel von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Studentenvereinigungen, womit sie eindeutig und schwerwiegend gegen europäische Gesetze verstossen und gleichzeitig die Vorteile der europäischen Freiheit und Demokratie ausnutzen. Diese extremistischen Gruppierungen machen sich ihre Anwesenheit in Universitäten und anderen gesellschaftlichen und politischen Kreisen zunutze, um Lügen zu verbreiten und Fakten zu verfälschen, und sie verbreiten ein verzerrtes Narrativ des fortwährenden Konflikts zwischen Israel und diversen Terrororganisationen. Indem sie die Rhetorik des „Widerstands“ verwenden, werben sie um Empathie, um die Unterstützung junger Menschen und der Europäischen Gemeinschaft zu gewinnen, die sich dabei allerdings der Feinheiten und Zusammenhänge des arabisch-israelischen Konflikts oder der destruktiven Rolle von Terrororganisationen im Nahen Osten nicht bewusst sind.

Diese Terrorvereinigungen kooperieren mit anderen Fraktionen des politischen Islam, die in Europa an Einfluss gewonnen haben, um Veranstaltungen zu organisieren, die die Europäer dazu drängen, Druck auf ihre Regierungen, Parlamente und Wirtschaftsinstitutionen auszuüben, damit diese Israel boykottieren. Sie bedienen sich einer Sprache voller Hass und Gewalt gegen die Juden und präsentieren ein skandalöses Bild des Antisemitismus in Europa – dem Kontinent, der Zeuge eines der grausamsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte wurde.

Heute hat der Antisemitismus in Europa ein gefährliches Niveau erreicht, welches bekannten europäischen Politikern wie Jeremy Corbyn, dem Anführer der britischen Labour-Partei, ermöglicht, die Forderung zu stellen, Terrororganisationen – einschliesslich der Hamas und Hisbollah, die er „Freunde“ nennt, [2. Andrew Gilligan, „Jeremy Corbyn, friend to Hamas, Iran and extremists“, The Telegraph, 18. Juli 2015.] – nicht nur von der britischen, sondern auch von der europäischen Liste terroristischer Organisation zu streichen. Dies zeigt, wie viele junge Europäer und Politiker sich durch das Tor des Antisemitismus, der auch heute immer noch tief in den Gesellschaften Europas verwurzelt ist, hin zur Unterstützung von Terrorismus begeben haben.

“Dschihad gegen die Juden”

Im Nahen Osten verlassen sich terroristische und extremistische Gruppen wie die Hamas, die Hisbollah, die Muslimbruderschaft und andere auf das Prinzip des Dschihad gegen die Juden sowie die postulierte Wiederherstellung der Al-Aqsa-Moschee, um die muslimische Jugend zu rekrutieren und sie für die Ausführung verschiedenster terroristischer Aktivitäten zu benutzen. Um dieses Ziel zu erreichen, verwenden diese Gruppierungen religiöse Texte und Auslegungen, die die Juden als die Feinde des Islam darstellen und den Gedanken fördern, Gott habe den Moslems befohlen, Juden zu töten, „wo immer sie sie finden“. [3. The Middle East Media Research Institute, „Hamas Official Mahmoud Al-Zahhar: The Quran Tells Us to Drive the Jews Out of Palestine in Its Entirety“, 7. März 2017.]

Extremistische muslimische Strömungen konkurrieren miteinander in ihrer Verwendung des Antisemitismus und des Kampfs gegen die Juden, die für sie ein Mittel sind, Legitimität zu erlangen und die grösste Anzahl an Unterstützern und Kämpfern für ihre Reihen zu gewinnen. Die Muslimbruderschaft macht sich diese Ideologie seit ihrer Gründung zunutze, wie in zahlreichen Schriften der Organisation nachzulesen ist, insbesondere in dem Buch des Führers der Muslimbruderschaft Sayyid Qutb „Unser Kampf mit den Juden“. [4. Bassam Tibi, „From Sayyid Qutb to Hamas: The Middle East Conflict and the Islamization of Antisemitism“, herausgegeben von Charles Asher Small, The Yale Initiative for the Interdisciplinary Study of Antisemitism Working Paper Series, New Haven, Connecticut, 2010.] Auch die Hamas benutzt auf den gleichen dogmatischen Auslegungen basierende antisemitische Propaganda, um Geldmittel für die Durchführung terroristischer Aktionen unter dem Banner des Dschihad gegen die Juden zu sammeln und Unterstützung für ihr Bemühen zu gewinnen, die Fatah, ihren grössten politischen Rivalen, zu verdrängen.

Darüber hinaus bedienen sich die vom Iran unterstützten Terrorvereinigungen, darunter die Hisbollah und die Huthi, solcher Parolen wie „Tod Israel“ [5. Jeffrey Goldberg, „The Iranian Regime on Israel’s Right to Exist“, The Atlantic, 9. März 2015.] und „Sieg dem Islam“. [6. Ben Hubbard, „Plight of Houthi Rebels Is Clear in Visit to Yemen’s Capital“, The New York Times, 26. November 2016.] Selbst der Islamische Staat benutzte das gleiche Konzept, als er seinen Ableger im ägyptischen Sinai „Ansar Bayt Al-Maqdes – Unterstützer Jerusalems“ taufte, um sich als Organisation zu vermarkten, die am fähigsten darin ist, den Dschihad zu führen und Gottes Gebot, die Juden zu vernichten, zu erfüllen.

Zu behaupten, man bekämpfe den Terrorismus, während man gleichzeitig zu Gewalt gegen die Juden anstiftet, ist nicht miteinander vereinbar.

Trotzdem dürfen wir die Verantwortung der herrschenden Regierungen in der Region nicht ignorieren, die behaupten, sie kämpften gegen den Terrorismus, während die Lehrpläne in ihren Schulen und Universitäten voller Hadiths und frommer Sprichwörter sind, die Antisemitismus fördern und das „Andere“ ablehnen. Zu behaupten, man bekämpfe den Terrorismus, während man gleichzeitig zu Gewalt gegen die Juden anstiftet, ist nicht miteinander vereinbar. Vielmehr, so scheint es, treibt ein derartiges System die Jugend schlicht und einfach in die Arme von Terroristen, die eine Ideologie unterstützen, die absolut vereinbar mit dem ist, was in den Schulen und den Lehrplänen der Regierung gelehrt wird.

Es ist daher von grösster Bedeutung, dass die Regierungen und Gesellschaften im Osten und im Westen verstehen, dass die Bekämpfung des Antisemitismus und seiner gefährlichen Ideologie ein entscheidendes Element im Kampf gegen den Terrorismus ist.

Ramy Aziz ist ein ägyptischer Autor und politischer Berater in Nahost-Angelegenheiten. Derzeit arbeitet er an seiner Promotion an der Universität La Sapienza in Rom. Seine Forschung konzentriert sich auf die Entstehung und Entwicklung des politischen Islam in Europa. Auf Englisch zuerst erschienen bei The Institute for the Study of Global Antisemitism and Policy (ISGAP).