Heinrich-Böll-Stiftung hat sich umentschieden – Keine Intifada-Konferenz mit Hamas und PFLP

1
Intifada in Shuafat 2014. Foto Sliman Khader/Flash90
Intifada in Shuafat 2014. Foto Sliman Khader/Flash90
Lesezeit: 4 Minuten

Die Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) – die mit über 50 Millionen Euro Steuergeldern finanzierte Parteistiftung der Partei Bündnis 90/Die Grünen – hat sich offenbar, anders als es noch am Dienstag geheissen hatte, umentschieden. Konferenzen unter Beteiligung von Terroristen der Hamas und der PFLP, die in der letzten Novemberwoche in Gaza, Ramallah und Beirut aus Anlass von „30 Jahren Intifada“ stattfinden, werden nicht unterstützt.

 

Das teilte die Vorsitzende des Stiftungsbüros in Israel, Kerstin Müller, am Dienstagabend über ihren privaten Twitteraccount mit. Die Veranstaltungen sollen vom 24. bis 26. November in Ramallah und Gaza sowie vom 28. bis zum 30. November in Beirut stattfinden. Ausrichter ist das Institute for Palestine Studies (IPS). „Die Intifada einer neuerlichen Betrachtung zu unterziehen, gewinnt heutzutage angesichts der politischen Trägheit und des Scheiterns von Verhandlungen sowie der Verschlechterung der wirtschaftlichen und der Sicherheitslage der Palästinenser unter der Besatzung, die neue Welle und Formen des Widerstands hervorgebracht hat, besondere Bedeutung“, heisst es auf der Website des IPS. Zu den Rednern gehören unter anderem die Hamasführer Ghasi Hamad und Hasan Yusuf sowie Juni al-Jaro, ein früherer Kommandant der marxistisch-leninistischen Terrororganisation PFLP, allesamt Befürworter des Terrors gegen jüdische Zivilisten. Deren Einladung sei, wie der Berliner „Tagesspiegel“ am Dienstag berichtete, in Deutschland erst am Montag publik geworden, als Aras-Nathan Keul, Präsidiumsmitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, darüber auf Twitter informiert habe.

Der Pressesprecher der Heinrich-Böll-Stiftung, Michael Álvarez Kalverkamp, hatte gegenüber dem „Tagesspiegel“ gesagt, das Stiftungsbüro Ramallah kooperiere “wie jedes Jahr” mit der Jahreskonferenz des Institute for Palestine Studies (IPS), sei jedoch nicht an der Konzeption und Organisation der Konferenz beteiligt. Die Stiftung sei “nicht glücklich”, dass die Einladung an Hamas-Vertreter ausgesprochen worden sei, so der Pressesprecher.

Am späten Abend dann twitterte Kerstin Müller: „@Boell_Israel ist entschieden gegen Debatten mit Terrororganisationen wie Hamas und PFLP. @PS_Boell unterstützt Veranstaltung nicht mehr. Gute Entscheidung.“ Auf der Homepage der Heinrich-Böll-Stiftung gibt es dazu bislang keinen Hinweis. Pressesprecher Álvarez Kalverkamp war am Mittwoch für Audiatur-Online weder telefonisch noch per E-Mail für eine Stellungnahme zu erreichen.

 

Die Entscheidung, die Konferenz unter Beteiligung von Terroristen nicht zu unterstützen, kam wohl durch den zuletzt beträchtlichen öffentlichen Druck zustande; israelische Zeitungen hatten – ebenso wie der „Tagesspiegel“ – sehr kritisch darüber berichtet. Der ehemalige grüne Bundesabgeordnete Volker Beck forderte die Heinrich-Böll-Stiftung über Twitter dazu auf, die Sache müsse „mit dem Stiftungsbüro Ramallah in Ordnung gebracht werden“; „PR-Veranstaltungen mit Hamas-Vertretern“ dürften auch „nicht über Kooperationen mit Dritten“ – gemeint ist das IPS – unterstützt werden.

Einflussnahme der Heinrich-Böll-Stiftung auf israelische Politik

Israelische Zeitungen erinnern unterdessen daran, dass die Heinrich-Böll-Stiftung in Israel immer wieder negativ auffällt. Sie sei „tief in den israelisch-palästinensischen Konflikt involviert“, schreibt der Kommentator Ishay Friedman in einem Beitrag für die hebräische Wochenzeitung Makor Rishon. „Viele linke NGOs werden von dieser Organisation finanziert. Ihre Vorsitzende in Israel rief während der letzten Parlamentswahlen 2015 zur Abwahl des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu auf und identifizierte sich mit Meretz und der Vereinigten Arabischen Liste.“ Kerstin Müller hatte vor den israelischen Parlamentswahlen deutlich kundgetan, dass sie einen Regierungswechsel in Israel will, und es bedauert, dass die Vereinigte Arabische Liste – die, wie sie selbst in dem Interview erläutert, auch Islamisten und Kommunisten umfasst –  „leider, leider … noch nicht bereit für eine Regierungsbeteiligung“ sei. Dem israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu warf sie vor, „den Teufel aus der Kiste geholt“ und „die Zwei-Staaten-Lösung beerdigt“ zu haben.

In der „Jerusalem Post“ wies Europakorrespondent Benjamin Weinthal darauf hin, dass die Heinrich-Böll-Stiftung immer wieder Veranstaltungen mit Anti-Israel-Aktivisten organisiere. So habe sie letzten Monat im Libanon eine Konferenz zum Thema „50 Jahre Besatzung, 50 Jahre Widerstand“ abgehalten. Die Moderatorin, Sahar Mandour, sei als Sympathisantin der Hisbollah bekannt und habe 2006 eine Petition zur „bewussten Unterstützung des libanesischen nationalen Widerstands [eine im Libanon gebräuchliche Bezeichnung der Hisbollah] bei deren Krieg zur Verteidigung unserer Souveränität und Unabhängigkeit und zur Befreiung der in Israel inhaftierten Libanesen“ unterschrieben.

“Wir begrüssen die Entscheidung der Heinrich-Böll-Stiftung”

„Es gibt bestimmte Linien, die nicht überschritten oder auch nur in Frage gestellt werden dürfen“, sagt Olga Deutsch, Europadirektorin der Organisation NGO Monitor, die sich für mehr Transparenz im israelischen NGO-Sektor einsetzt, gegenüber Audiatur-Online. „Wir begrüssen die Entscheidung der Heinrich-Böll-Stiftung, ihre Unterstützung zurückzuziehen und hoffen, dass dies zu besserer Kooperation und Koordination zwischen den verschiedenen Büros der Stiftung führen wird.“ NGO Monitor werde auch in Zukunft Berichte über jene von europäischen Regierungen finanzierten Organisationen veröffentlichen, die „von ihrer offiziellen Mission abrücken und Gewalt und Antisemitismus bewerben und manchmal Verbindungen zu Terrororganisationen haben“, so Deutsch weiter.

Über Stefan Frank

Stefan Frank ist freischaffender Publizist und lebt an der deutschen Nordseeküste. Er schreibt regelmässig über Antisemitismus und andere gesellschaftspolitische Themen, u.a. für die „Achse des Guten“, „Factum“, das Gatestone Institute, die „Jüdische Rundschau“ und „Lizas Welt“. Zwischen 2007 und 2012 veröffentlichte er drei Bücher über die Finanz- und Schuldenkrise, zuletzt "Kreditinferno. Ewige Schuldenkrise und monetäres Chaos."

Alle Artikel

1 Kommentar

  1. Na, dann ist ja zum Glück wieder alles in bester Ordnung. Kann ja mal passieren, dass man versehentlich Vertreter von faschistischen Terrororganisationen als Redner einlädt.

    Kerstin Müller (Grüne) und besonders Bettina Marx (Grüne, Deutsche Welle) scheinen beständig zu testen, wie weit “Israelkritik” gehen darf. Hier hat sich Frau Müller als Vorsitzende des Stiftungsbüros in Israel anscheinend etwas zu weit aus dem Fenster gelehnt. Inwieweit ihr “Zurückrudern” der Öffentlichmachung dieses Skandals geschuldet ist, kann jeder Interessierte selber einschätzen.

Kommentarfunktion ist geschlossen.